Hallo liebe Mondfreunde!
Heute möchte ich euch auf eine besondere Beobachtungsgelegenheit hinweisen:
Am Morgen des 16.10. kann man, sehr gute atmosphärische Bedingungen vorausgesetzt, eine extrem schmale Mondsichel beobachten.
Ihr Alter wird je nach Standort gut 14 Stunden vor Neumond betragen, weiter westlich stationierte Beobachter können sogar noch die
ein oder andere Minute zusätzlich rauskitzeln, sodass dort der Wert auf unter 14 Stunden fällt. Dabei ist diese Art der „Altersbestimmung“
die einfachste (Berechnung der Zeitdifferenz Aufnahme-/Beobachtungszeitpunkt <-> Neumondzeitpunkt). Für Beobachtungsrekorde
sollte aber der Winkelabstand zur Sonne als Maß dienen, dies wird auch von anderen erfahrenen Beobachtern so (richtigerweise) empfohlen.
Eine 14h-Sichel ist eben nicht immer eine 14h-Sichel. Z.B. beträgt der Abstand Sonne-Mond bei mir um 7:00 Uhr MESZ ca. 8,75°
(Sichel ca. 4° über Horizont, je nach Standort in D/A/CH mehrere Grad Abweichung möglich, in Aachen geht der Mond z. B. erst nach 7 Uhr auf).
Die 14,5-Stunden-Sichel am Morgen des 28.7.2022 hat nur einen Abstand von 7,5°, also deutlich schwieriger (wenn überhaupt) zu beobachten,
obwohl noch mehr Zeit bis Neumond vergeht.
Aufgrund meiner erfolgreichen Beobachtung der Sichel vom 28.09.2019, welche noch minimal näher an der Sonne stand als die jetzige,
möchte ich Euch hier ein paar Tipps zur Beobachtung geben, vor allem, wenn man nicht mit GoTo unterwegs ist:
1.) Guten Standort suchen. Klingt banal, ist aber sehr wichtig. Ein erhöhter Punkt ist von Vorteil, nicht nur, um der Nebelgefahr zu entgehen.
Freie Horizontsicht wird natürlich vorausgesetzt. Vorher den Ort auch schon mal besichtigen.
2.) Genauen Beobachtungsplan erstellen. Welche Höhe hat der Mond zu welcher Uhrzeit bei welchem Azimut? Dabei hilft natürlich Stellarium
oder jedes andere gängige Programm. Bei mir wären das 93° bei Aufgang und 100° bei einer Höhe von 5°, dies sollte überall ähnlich sein.
Nur die Uhrzeiten weichen standortbedingt natürlich ab. In dieser Richtung (bei ca. 95° bis 98°) eine Landmarke suchen, welche beim Auffinden
der Sichel ungemein hilfreich ist. Die Richtung bekommt man über Google Earth heraus, das Lineal hat dort eine praktische Richtungsanzeige.
Alternativ funktionieren auch Apps, TPE kann z. B. auch die Richtung des Mondaufganges zeigen. Ein Fernglas mit höherer Vergrößerung
hilft dabei, wenn man das Gesichtsfeld des Glases kennt und der Horizont noch mit im Bildfeld ist. Höher vergrößernde Optiken dann zur
Beobachtung einsetzen, wenn die Sichel gefunden wurde.
3.) Wetter kurz vorher checken. Wolken / Nebel über die bekannten Internetdienste lokalisieren. Der Aufwand lohnt nur bei perfekter Durchsicht.
4.) Die beste Sichtbarkeit der Sichel ist nach meinen Erfahrungen bei ca. 2 bis max. 5 Grad über Horizont. Unter 2° stört der Horizontdunst,
über 5° dann die nur noch ca. 3° unter dem Horizont stehende Sonne und die Sichel wird „unsichtbar“ (siehe auch „4/9-Regel“ > im Netz zu finden).
Fotografisch kann man dann gern noch versuchen, die Sache auszudehnen.
5.) Unbedingt zeitig genug am 16.10. vor Ort sein, um in Ruhe die Gerätschaften aufbauen zu können und die Optiken korrekt zu fokussieren!!
Die Venus ist da sehr hilfreich, da sie die ganze Zeit zu sehen ist. Fokus kurz vor der Beobachtung nochmal überprüfen!
Ein minimal abweichender Fokus lässt die Sichel verschwinden!
6.) Optik vor Beschlag schützen. Taukappe / Heizband verwenden.
7.) Ruhe bewahren. Nicht hektisch werden, wenn die Sichel nicht gleich gefunden wird. Man hat ein Beobachtungsfenster von mind. 20 Minuten.
Immer wieder die Uhrzeit checken und die momentane Höhe der Sichel über Horizont mit dem Gesichtsfeld des Fernglases überprüfen
(bei 3° Höhe und z. B. 6° Gesichtsfeld muss sich die Sichel also in der Mitte des Feldes befinden, wenn der Horizont auf die untere Kante
gesetzt wird, Fernglas ggf. etwas nach links und rechts schwenken). Auch hier nochmal Fokus an der Venus überprüfen.
8.) Keine Zeit für die Suche mit bloßen Augen verschwenden. Man sieht die Sichel ohne optische Hilfsmittel nicht!
9.) Bei Aufnahmen mit der Kamera: die exakte Uhrzeit einstellen, um später die genauen Aufnahmezeitpunkte ermitteln zu können.
10.) Beendigung der (Fernglas-)Beobachtung kurz vor Sonnenaufgang > jeder hier weiß, warum.
11.) Wenn die Sichtung doch nicht geklappt hat: trotzdem freuen, den Sonnenaufgang genießen und hoffen, dass hier jemand
seinen Beobachtungsbericht / seine Fotos präsentiert #128522;
Hier noch meine 14-Stunden-Sichel vom letzten Jahr, damit ihr abschätzen könnt, was euch erwartet:
Aufnahme mit 7DII und 800 mm Brennweite
Nun heißt es Daumen drücken, dass das Wetter passt und einige von euch ihren Mondsichelrekord deutlich nach oben (bzw. unten #128521;)
schrauben können. Die jüngsten Sicheln wurden meines Wissens mit einem topozentrischen Sonnenabstand von jeweils ca. 7,5 Grad gesehen,
einmal 1996 in Arizona und dann 2002 im Iran. Das wird auch die Grenze der Sichtbarkeit mit optischen Hilfsmitteln sein, nicht nur wegen des
Danjon-Limits. Weniger geht nur mit moderner Aufnahme- und Bildsummentechnik. Da konnte die Mondsichel schon zum exakten Neumond-
zeitpunkt bei einem Sonnenabstand von weniger als 5 Grad nachgewiesen werden. Die Namen Martin Elsässer und Thierry Legault sollten
allen mit der Thematik vertrauten Personen ein Begriff sein. Ein Blick auf deren Webseiten lohnt allemal.
Schöne Grüße!
Stefan