Hallo zusammen,
ich möchte euch mein neues 10"-Bino vorstellen. Erst mal ein paar Bilder, weiter unten gibt es dann noch mehr Text.
Hier ist es, der eine oder andere kennt es ja schon:
8 Minuten vorher sah es so aus, das ist der Transportzustand:
Hier ein Blick ins Cockpit - alles griffbereit:
Herzstück des Ganzen sind zwei ultrakompakte Umlenkeinheiten, jeweils mit justierbarem Spiegel und kurzem Helikalfokussierer:
<b><u>Ein paar Daten</u></b>
Stativ: Selbstbau
Montierung: AYOmaster von Astro-Optik Kohler
Navi: ArgoNavis mit internen Encodern
Hauptspiegel: 254 mm
Brennweite: 1270 mm (f/5)
Fangspiegel: 75 mm
Umlenkspiegel: 44 mm
Obstruktion: 29.5%
100% ausgeleuchtetes Feld: > 12 mm
Vignettierung bei 36 mm Bildfeld: < 0.4 mag
Filterräder: 5 x 2"
Gesamtgewicht: ca. 60 kg
Transport: 4 x 15 kg
<b><u>Wie kommt man dazu, so etwas zu bauen?</u></b>
Da steckt jetzt alles drin, für das ich mich die letzten Jahre begeistern konnte:
Die kleine AYO habe ich schon seit Jahren im Einsatz, mit wechselnden Teleskopen drauf, und bin nach wie vor sehr begeistert davon. Für visuelle Beobachtung ist mir noch keine bessere Montierung untergekommen. Dieses Frühjahr habe ich dann zufällig eine gebrauchte AYOmaster entdeckt - und musste sie einfach kaufen, noch ohne klare Vorstellung, was drauf soll. Ein 150/2250-Refraktor wäre auch eine Idee gewesen.
Ein 120/600-Bino hatte ich schon gebaut, und es gab auch schon Pläne für einen 150mm-Doppelschiefspiegler mit der kleinen AYO als Herzstück. Ich war also gedanklich auf ein größeres Bino auf einer AYO vorbereitet. Die Optik für die Schiefspiegler hatte ich sogar schon rumliegen.
Einen Großteil meiner Zeit beobachte ich mit Filtern bei großen Austrittspupillen. Ein größeres f/5-Bino ist da die logische Fortsetzung.
Und über andere Bauprojekte habe ich einen total netten Astrokollegen mit perfekt ausgestatteter Metallwerkstatt und dazu passenden Fähigkeiten kennengelernt, der mir sehr schnell die Umlenkeinheiten gefertigt hat (viiiiiieeelen Dank nochmal!)
<b><u>Ein paar Worte zur Auslegung und zum Bau</u></b>
Bei einem Newtonbino kommt es darauf an, ab dem Fangspiegel so kurz wie möglich zu bauen, um die Obstruktion klein zu halten. Gleichzeitig müssen Engstellen wie Filter so nahe wie möglich an die Feldebene, um Vignettierung zu vermeiden.
Erster Schritt war daher, den Newtons tiefergelegte Rohrschellen zu verpassen:
Kurzes Rechnen und Ankonstruieren zeigte, dass man zwischen die Röhren dann tatsächlich flache Okularauszüge, Filterräder und Umlenkeinheiten bringt. Zum Glück haben es uns die vorgegebenen Abmessungen der AYO erspart, hier noch weitere Millimeter schinden zu wollen. Trotzdem muss man mit den Hauptspiegeln gegenüber der Standardauslegung von TS nur ca. 25 mm höher (!). Das dafür gewählte Provisorium hat sich mittlerweile etwas verselbständigt, denn justagestabiler geht es eigentlich nicht:
Warum f/5 und nicht f/6? Mit längeren Brennweiten hat man mehr Länge und Gewicht, aber vor allem wird es viel schwieriger, große Felder bis zum Rand hin vernünftig auszuleuchten. Mir gefiel die Auslegung mit f/6.4 (was der nächste 10"-Newton von der Stange gewesen wäre) diesbezüglich überhaupt nicht. Die Feldblende wird da bei 6 mm AP und 70° GF so groß, dass man am Rand mehr als die Hälfte des Lichts verliert. Das mag jemand, der eher mit höherer Vergrößerung auf Galaxien losgeht, aber vielleicht anders wählen.
Natürlich wäre ein 12"- oder 14"-Doppeldobson auch sehr schön, aber ich wollte so viel wie möglich auf Standardkomponenten setzen, um überhaupt in absehbarer Zeit fertig zu werden.
<b><u>Justage</u></b>
Die Justage nach dem Wiederaufbau beschränkt sich erfahrungsgemäß auf kurzes Nachjustieren der Umlenkspiegel. Der Rest steht so stabil zueinander, dass nach der Grundjustage bisher keine weitere Justage erforderlich war. Auch eine ursprünglich angedachte zusätzliche Verstrebung der Tuben gegeneinander hat sich als nicht notwendig erwiesen.
Ansonsten wird justiert:
- Umlenkspiegel mit dem Concenter auf den Fangspiegel
- Fang- und Hauptspiegel mit dem Laser
- Fang- und Hauptspiegel je Newton einzeln am Stern
- beide Fang- und Hauptspiegel am Stern für perfekte Überlagerung und Komafreiheit
- das letzte bisschen Feinjustage mit den Umlenkspiegeln
Das hört sich schlimmer an, als es ist - wie üblich bei der Justage am Stern sieht man an der Lage der komafreien Stelle im Feld sehr genau, wie weit man stellen muss, so dass die Justage jeweils mit 1-2 Iterationen erledigt ist. Manche Schritte kann man auch auslassen. Wichtig ist, die Umlenkspiegel so wenig wie möglich anzufassen, denn damit verstellt man sich sehr schnell die Ausleuchtung.
<b><u>Beobachtungen</u></b>
Hier hätte ich gerne mehr geschrieben, aber ich werde hartnäckig mit trübem Wetter oder Mond am Himmel gequält. Außer ein paar Beobachtungen von Planeten und Mond aus dem Garten hat es noch nichts gereicht. Der ganze Mond bei 73facher Vergrößerung ist aber einfach eine Wucht. Und die Saturnfarben und -monde kommen mit zwei Augen viel besser raus als mit einem, so viel kann ich schon mal sagen. Ich freu mich auf die erste Deep-Sky-Nacht draußen auf dem Feld damit.
<b><u>Und sonst...</u></b>
... muss man seine Träume einfach realisieren, wenn nichts dagegen spricht. Nur träumen ohne Machen gilt nicht [;)]
Viele Grüße, Holger