Hallo ihr lieben,
letzten Donnerstag sollte es endlich soweit sein - mein Mann und ich hatten Kinderbetreuung und er (ja, er!) schlug vor: "Wie wäre es denn, wenn wir heute Abend auf die Alb fahren? Du weißt doch, wo man da hinmuss, oder?" - Ich dann: "Öööh, du hast ... eigentlich ... Recht. Ja, lass mal die Wetteraussicht bei clearoutside prüfen: Grasgrün ab 17 Uhr bis zum nächsten Morgen. Okay!"
Und dann, Leute, dann, habe ich alles stehen und liegen lassen, Atlas und Reiseführer, Sternkarte, Teleskop, Fernglas, Okularköfferchen, Kissen, Decke, Kleidung und Proviant gerichtet, meine bevorzugten Objekte geplant und eine umfangreiche Liste gemacht, damit für jede Himmelsrichtung etwas dabei ist (ich kannte den Beobachtungsplatz ja nicht und wusste nicht, ob irgendwo etwas verdeckt ist).
Nach 50 Minuten Fahrt mit Sonnenuntergang im Rücken kamen wir um 22 Uhr oben am Hügel an, haben gemütlich ausgepackt, "aufgebaut", was man an einem einteiligen 6er-Dobson halt so aufbauen muss, gevespert und abgewartet.
Der erste Stern, den man erspähen konnte, war Alpha Bootis. Danach kamen die hellsten aus Lyra dazu und dann wurde es auch bald dunkel genug, um zum Einsteig mal ein paar alte Bekannte wie M57 oder den Eulenhaufen anzusehen.
Ich will euch jetzt gar nicht auflisten, was ich mir alles angesehen habe, ich war voll im Flash, habe Vieles schnell gefunden und wollte mehr, mehr, mehr. Es war klasse! So viele Kugelsternhaufen im Ophiuchus, für die ich in Stuttgart niemals die nötigen Hilfssterne gesehen hätte, es war prächtig!
Wenn Doppelsterne auf dem Weg lagen, habe ich die gleich mitgenommen, auch hier waren weit getrennte und ganz klare, eng beieinanderstehende Exemplare dabei, die weite Lichtscheine geworfen haben im Okular.
Ich habe tatsächlich hauptsächlich im Nordosten und Südosten geschaut, denn diese Bereiche bleiben mir daheim völlig verborgen. Ein erstes, richtig großes Highlight war M11, der Wildentenhaufen. Ich habe mit etwas Entenförmigem gerechnet, aber "wild" passte viel besser, es war das wildestes Gewusel (bei 85x), das ich je gesehen habe. Absolut spitzenklasse!
Ein zweites Highlight war ganz klar NGC 6633 bei 23x, da waren NUR NOCH STERNE, ein krasses Flimmern, als hätte man glitzernden Puderzucker dazwischengestreut, der Oberkracher!
Und nun, ihr lieben, das dritte und mit Abstand allergrößte Highlight:
Klein Sarah hat zum ersten Mal in ihrem kurzen und doch langen Leben bewusst die MILCHSTRAßE gesehen. JA! Die Milchstraße. Was für die meisten von euch ein bekannter Anblick ist, blieb mir bisher immer verborgen. So kam es dazu:
Ich war extrem konzentriert und habe den Blick nur zwischen Okular und Atlas hin- und herwandern lassen, manchmal ein Schieler hoch zu Ophiuchus oder Skorpion zum Zurechtfinden (was aufgrund der abnormal hohen Sternanzahl beinahe zum Verzweifeln war!) und irgendwann, als ich kurz pausieren wollte, schaute ich nach Norden hoch, da war der Schwan. Was für ein Schwan, Leute, eine Pracht! Und dann ... stockte ich. ... Öh, was? Also ... das .. da ... und dann schoss das Wort in meinen Kopf: Boah, Sarah, DAS da, das ist die MILCHSTRAßE! Die springt einen ja förmlich an! So ein deutlicher, sternenübersäter Bereich über den ganzen Schwan, rüber zum Adler und dann Richtung Milchstraßenzentrum im Südosten am Horizont verschwindend.
Ich war dermaßen geflasht, das war ... ich war so aufgeregt, so unglaublich hippelig und beflügelt und ... überhaupt! Unbeschreiblich toll, der ganze Himmel war dermaßen übersät von Sternen, ich konnte die Sternbilder ja kaum noch erkennen, ich konnte 360° um mich herum bis zum Horizont schauen, weit und breit war kein Lämpchen, kein Dörflein, gar nichts zu sehen. Die absolute Superwucht!
Bis um halb 2 haben wir da zu zweit gesessen und gewurstelt, mein Mann hatte sich vorgenommen, mit unserer Kamera die Milchstraße abzulichten, und dann waren wir beide erschöpft, müde und ein wenig kalt wurde es dann auch. Der Ausflug war wirklich richtig, richtig klasse! Ich weiß es so besonders zu schätzen, weil ich kleinkindbedingt quasi nie die Möglichkeit zu so etwas habe und meist auch nachts lieber schlafe, um die Energie für einen lauten, kinderreichen Tag zu haben, und dieser Seltenheitsfaktor es zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht hat.
Und jetzt muss ich leider auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und meinen Enthusiasmus am Stuttgarter Grützenhimmel aufrechterhalten Aber hey ich freue mich schon riesig auf die nächste klare Nacht, ohne Anfahrt und einen Kofferraum voller Gepäck, und dann die gleichen Objekte nochmal hier aufsuchen!
Nassgraue und dennoch glückliche Grüße von eurer Enthusiasmus-Tante
Sarah