Chile 2019

  • Guten Abend,


    und abermals habe ich eine gelungene Chile-Tour hinter mir. Insgesamt wurde an 10 Nächten, vom 21.Nov. bis 1. Dez. im Raum San Pedro de Atacama beobachtet mit einem mitgebrachten 25cm Newton. Es geht hier nicht um Beobachtungsinhalte sondern mehr um Peripheres. Ich habe keine Beobachtungsnotizen oder so gemacht, reines Anschauen war der Vorsatz. Als Neuling am Südhimmel schaut und staunt man. Jede Nacht wurde eine bestimmte Himmelsregion abgeklopft mit Sky Safari.


    Generell war nicht eine einzige Nacht bewölkt, verdunstet oder versandet. Andererseits gab es nie den perfekten Himmel, also ohne sichtbare Absorption bis zum Horizont. Das durfte ich nur ein Mal im letzten Jahr erleben auf dem Paso de Sico.


    Paso de Jama


    Ich habe eine Nacht bei Km 55 auf ca. 4800m Höhe gemacht. Bei sehr starkem Wind wartete ich im Auto auf die hereinbrechende Nacht. Ans Beobachten mit dem Instrument war nicht zu denken, das Auto bot zu wenig Windschutz. Plötzlich, wie auf Knopfdruck legten sich die Winde. Eine unbeschreibliche Stille und Wucht des Firmaments herrschten. Die Gasnebel machten einen plastischen, 3-dimensionalen Eindruck. Unglaublich der Orion-Nebel! Die Sterne zeigten kein Halo, superscharf trotz leicht verstaubtem Spiegel. Freude am selbst gemachten Instrument kam auf. Auch die feineren Sternbilder waren auf Anhieb mühelos bis in die feinsten Verästelungen erkennbar. Man hat hier oben gute Augen und eine bessere Optik als man meint. Ich war begeistert. Doch dann wurde es immer kälter und somit banger.
    Der befürchtete Lastwagenverkehr mit Scheinwerfern blieb aus, kein einziges Fahrzeug kam vorbei und störte. Schliesslich kam die Stunde des Aufbruchs. Aber der Motor sprang nicht mehr an. Batterie zwar sehr gut, aber keine einzige Zündung nach -zig Versuchen. Wochen später sagte mir ein Taxifahrer: Logisch, Dieselmotor mit Kälte und Höhe kannst du vergessen. Ich hatte 2 Wolldecken und eine Rettungsfolie bei mir. Mehr nicht! Zuerst im Kühlschrank, dann im Eisfach und gegen Morgen ist das Auto eine Tiefkühltruhe. Ein Kollege hat mir gesagt, er hätte einmal gegen Morgen -30° gemessen, die Getränkeflasche ein Eisblock, also kein Morgenkaffee. Ich machte Anstalten den Wagen zu verlassen, um zum bolivianischen Grenzposten zu gehen, 12km zu Fuss. Ein Instinkt sagte nach wenigen hundert Metern, kehr um, bleib beim Wagen und mach immer wieder Sport, bis zur Morgendämmerung. Im Wagen angelangt, versuchte ich es nochmals, und ganz schwach gab der Motor ein Zeichen von sich, und siehe da, er erwachte wenige Minuten später. Wieder einmal Glück gehabt. Temperaturanzeige: -7°, und das bereits um 1 Uhr. Bei der Heimfahrt begegnete ich keinem einzigen Fahrzeug. Die Lastwagenchauffeure schliefen in ihrer Kabine am Fusse des Passes bei milden Temperaturen. Kein einziger wagte offenbar die nächtliche Ueberfahrt. So schön dieser Himmel und das Ambiente dort oben ist, ich wagte es auch nicht mehr.



    Warten auf das Einbrechen der Dunkelheit......



    Der Dobson kennt keine Startschwierigkeiten, funktioniert immer.




    Talabre, paso Huaytiquina


    Erfreulicherweise hatte der chilenische Staat die Erdstrasse inzwischen frisch gewalzt und man konnte problemlos noch etwas weiter fahren als bis zum Indianerdorf Talabre. Ich beobachtete in der Folge auf einer Höhe von 3900m, alles viel angenehmer als vorher. Immer windstill des Nachts und das bei Temperaturen im knappen Plusbereich. Man hatte hier oben auch kein Fremdlicht mehr zu beklagen. Also endlich hatte ich meinen Beobachtungsplatz gefunden in diesem Chile!




    Die Gegend begeisterte mich dermassen, dass ich am Tag hier wandern ging. Immer wieder, bis die Indianer das registriert hatten und sich zu beklagen begannen: Das ist unser Land, sie dürfen hier weder parkieren, noch wandern und auch nicht Sterne beobachten…. So der Tenor einiger Hirten.
    Zum Glück hatte ich einen guten Draht zum Alcalde, vom letzten Jahr noch und er verschaffte mir eine schriftliche Bewilligung, die er aber nicht gratis ausstellte.(Seine Frau meckerte im Hintergrund, er solle mehr verlangen.) Immerhin konnte ich bleiben.



    Sternbild Puma


    Im Verlauf des Gespächs kam auch das Thema Puma auf die Traktandenliste. Ist er ein Problem? Nein, er greife nur nachts die Herde an und erledige immer nur ein einziges Tier, fresse die Brustpartien heraus und verschwinde dann. Pro Jahr komme das etwa einmal vor. Das sei tolerierbar. Er sei häufig hier, Pfotenspuren auch im Dorf keine Seltenheit. Am Tag menschenscheu. Meine sofortige Frage: Und nachts? Er wiegt mit dem Kopf hin und her und sagt: Weiss ich nicht.


    Einige Nächte später suche ich bei Höchstvergrösserung in der Kleinen Magellanschen Wolke nach Kugelsternhaufen und werde nicht fündig im Unterschied zur GMW. Plötzlich wird die majestätische Stille und Erhabenheit des sichtbaren Kosmos unterbrochen von einem überdeutlichen Rascheln aus nächster Umgebung. Mit einem Satz rase ich ins Auto und schlage sofort die Türe zu, damit nicht wie im Horro-Saurierfilm das Untier noch im Autoinnern zubeissen kann… Was war das? Ich überlege kühl: Für eine Ratte eindeutig zu laut, der Fuchs ist absolut lautlos, sonst gibt’s nie eine Maus, Herdentiere liegen und ruhen nachts, bleibt nur noch was?


    Das strahlende Firmament bewirkt beim Menschen ein seelisches Gleichgewicht, man ist mit sich und der Umwelt zufrieden, das hat irgendwie Kant gespürt mit seinem bekannten Philosophem : Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit zunehmender Bewunderung, der gestrirnte Himmel über mir….. etc. Nach wenigen Minuten war bei mir innerlich der Spuk wieder vorbei und ich konnte seelenruhig weiterbeobachten.


    Das Problem liegt weniger bei diesen wilden Tieren. Zu denken geben die sozialen Spannungen, die immer weitere Teile der chilenischen Bevölkerung erfasst haben und zu einer gefährlichen Polarisierung geführt haben. Das könnte dem künftigen Chile- Beobachter den Strich durch die Rechnung machen.


    Grüsse Emil

  • Hallo Emil,


    auch von mir vielen Dank für diesen spannenden Bericht. Da kann man ja richtig mitzittern, vor der Kälte und vor Angst. Ich freu mich mit Dir dass Du überlebt hast und diesen Text noch schreiben konntest.


    Und schöne Photos !

  • Hallo Emil,


    eine interessanter Bericht, und die obere Aufnahme lässt wirklich auf einen ausgezeichneten Himmel schließen ! In einer Gehend mit Pumas zu spechteln, wäre mir allerdings auch nicht geheuer. Mir ist es auch ganz recht, dass es im Risstal zwar so aussieht wie in Teilen des Yellowstone, ohne dass ich aber deren Bewohner - wie Bären und Wölfe - gleich mit übernehmen muss [:D].


    Du hast auf 4800 Metern und 3900 Metern Höhe beobachtet. Hat sich bei dir der Mangel an Sauerstoff im Hinblick auf das Beobachten spürbar ausgewirkt, besonders auf 4800 Metern ?


    Servus
    Ben

  • Hallo allerseits,


    vielen Dank für die Rückmeldungen.


    ==> Gerd
    im Sommer dürfte es nochmals eine Spur transparenter sein. November ist der letzte trockene Monat vor dem Schlechtwetterbeginn im Altiplano. So gegen Dezember kommen immer mehr Wolken auf.


    ==> Stephan,
    die aufkommende Altiplano-Sucht könnte längerfristig zum Problem werden. Der Trinker stirbt ja auch nicht schon nach dem ersten Schluck!


    ==> Ben
    der Unterschied zwischen 3900m und 4800m war in Sachen Sauerstoff bei mir gering.(Man darf ruhig noch höher gehen!!) Ich fühlte mich pudelwohl. Wind und vor allem die Kälte machten den Unterschied.


    In Sachen Seeing bringt 4800m eindeutig Vorteile: Weniger Halo um helle Sterne, pechschwarzer Himmel zwischen den Objekten im Okular. Das Zodiakallicht ist schwächer, weniger aufgedunsen hat aber viel mehr Kontur. In grosser Höhe hat man halt fast nur noch die Rayleigh-Streuung an den Luftmolekülen.


    Grüsse Emil

  • Hallo Emil,


    Vielen Dank für diesen lebendigen Bericht. Das ist schon eine ganz besondere Gegend dort. Astronomers Paradise!
    Wenn am morgen die Karre nicht anspringt, würde ich auch nervös werden. Probleme mit dem Auto hatten wir vor 25 Jahren zuhauf, als wir in der Gegend waren. Letzen Juli zur Sofi lief aber alles glatt.
    Hier mein Bildbericht:
    http://www.stathis-firstlight.…sky/sofi2019/sofi2019.htm


    Vor Pumas hingegen hätte ich nicht die geringste Sorge. Die gelten ja als extrem scheu.

  • Hallo Emil,


    vielen Dank für den lebendigen, spannenden Bericht. 4800hm sind wahrlich nicht ohne. Das du hier keinerlei Probleme hattest ist eher ungewöhlich, außer du hattest schon ein paar Tage Aklimatisation hinter dir. Mit physischer Fittness oder dem Alter hat dies wenig (normale Konstitution voraus gesetzt) bis gar nichts zu tun.


    Viele Grüße


    Achim


    p.s. Ich schreibe aus eigener Erfahrung

  • Servus Emil,


    auf so einen schönen, spannenden Bericht bin ich da gestoßen. Dachte zuerst, noch ein SoFi Bericht, aber du warst zeitgleich auf der Südhalbkugel wie wir. Bei der Schilderung am Paso de Jama hab ich wirklich mitgefiebert! 1994 waren wir um die selbe Jahreszeit am Parque Nacional Lauca auf auch 4300m und hatten auch mal Probleme mit dem Auto loszukommen. An die Kälte habe ich damals gar nicht gedacht, nach ein bisserl rumfummeln an den Batteriekontakten ist die Kiste dann angesprungen. Damals habe ich einmal im Schlafsack draußen gepennt, mei da wars zapfig kalt! Schätze so -20°, hatte aber kein Thermometer dabei. Da es so trocken war, ists mir beim Spechteln gar nicht so kalt vorgekommen.
    Die Puma Geschichte ist auch nett. Wahrscheinlich gibts die Miezen im Parque Lauca auch, habe damals aber nur Vicuñas gesehen. Gestaunt angesichts des Himmels in der Höhe habe ich auch und erstmals einen bombastischen Fornax Cluster fast im Zenit im Zehnzöller gesehen.
    Das ist schon toll da oben.


    Gruß,


    Haley

  • Hallo,


    ==> Stathis


    hier noch der Verhaltenskodex bei einem allfälligen Puma-Meeting:


    http://www.mountainlion.org/portalprotectencounters.php


    Da es nur noch 50000 Exemplare gibt, verteilt auf ganz Amerika, hat man generell wenig Chance auf Sichtung.
    Aber wenn 500m vom Beobachtungsplatz Hirten wohnen und mit ihrem Abfall die Mäuse anziehen und häufig Pfotenspuren gesichtet werden, ist man als Beobachter eben doch etwas besorgt.


    ==> Achim
    vielen Dank auch für deinen Bericht. Man spart sich einiges an Strapazen und die Kreditkarte wird besser geschont, wenn man hierzulande beobachtet. Mach ich auch.


    ==> Haley,
    besten Dank auch für deinen ausführlichen Bericht. Notiere mir die Nebel für künftige Sichtungen.


    Grüsse Emil

  • Hallo Emil,


    vielen Dank auch von mir fuer diesen spannenden Bericht. No risk no fun scheint hier das Motto. Klingt sehr abenteuerlich und der Aufenthalt bei Hottie dagegen sehr gemuetlich. Ich bin wohl eher der Typ fuer Letzteres, aber dafuer wurdest Du mit bombastischem Himmel und Landschaft belohnt.


    Danke dass Du uns hat teilhaben lassen.


    Gratuliere!
    Walter

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