Liebe Sternfreunde,
bei mir hat sich eine Verständnisfrage zur förderlichen Vergrößerung ergeben.
Unter Sternfreunden herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass ab einer Teleskopvergrößerung von ca. V = 2*D in Millimeter keine weiteren Objektdetails aufgelöst werden. Das entspricht auch meiner inzwischen langjährigen Erfahrung, und Vergrößerungen über diesem Level nutze ich daher zu Gunsten der Bildschärfe und -brillanz nicht mehr.
Diese förderliche Vergrößerung lässt sich folgendermaßen herleiten:
Das dunkeladaptierte menschliche Auge hat laut zahlreichen Quellen ein durchschnittliches Auflösungsvermögen von zwei Bogenminuten, also 120 Bogensekunden.
Nehmen wir nun als Beispiel ein Teleskop mit acht Zoll, also 203 Millimeter Öffnung. Es hat nach Dawes (mit diesem Kriterium arbeite ich in der Regel) ein Auflösungsvermögen von 0,56 Bogensekunden. Damit alle mit diesem Teleskop theoretisch erkennbaren Details bei der Beobachtung aufgelöst werden, müssen diese 0,56 Bogensekunden auf das Auflösungsvermögen des Auges, also 120 Bogensekunden, vergrößert werden.
Dividiert man nun 120 Bogensekunden durch 0,56 Bogensekunden, kommt man auf einen Faktor 214, also annähernd V = 2*D. (Anmerkung: Beim Auflösungsvermögen nach Rayleigh würde sogar bei 176-fach die theoretische Auflösung erreicht.)
Verallgemeinert lautet die Formel für die förderliche Vergrößerung demnach: V = Auflösung Auge / Auflösung Teleskop
Soweit erscheint mir alles logisch.
Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges nimmt aber mit der Helligkeit des betrachteten Objekts zu. Bei Tageslicht ist die durchschnittliche Auflösung des Auges laut vielen, auch augenmedizinischen, Quellen, eine Bogenminute, also 60 Bogensekunden. Setzt man in obige Rechnung statt 120 diese 60 Bogensekunden ein, ergibt sich für den Achtzöller als förderliche Vergrößerung 107-fach, also annähernd V = D/2.
Nun ist der Mond ja sehr hell, so dass die Mondbeobachtung von der ins Auge fallenden Lichtmenge her mit terrestrischen Tagesbeobachtungen gleichzusetzen ist. Es werden also die höher auflösenden Farbsehzellen der Netzhaut aktiviert.
Es müsste hier also, rein rechnerisch, bei der Mondbeobachtung bereits bei V = D/2 die volle Auflösung des Teleskops erreicht werden. Bei der Mondbeobachtung erkenne ich bei V = 2*D aber deutlich mehr Details als bei V = D/2.
Meine Frage ist nun: Liegt in meiner oben gezeigten Herleitung der förderlichen Vergrößerung ein Denkfehler vor, oder wird mir am Mond bei V = D/2 die geringe Auflösung nur vorgegaukelt, da feinere Details durch die größere Bildhelligkeit überstrahlt werden?
Bei der Planeten- und Doppelsternbeobachtung erscheint es nachvollziehbar, dass die kleinen Objekte trotz ihrer Helligkeit nicht genug Sehzellen aktivieren, damit die Netzhaut auf Tageslichtbeobachtung "umschaltet".
Ich beobachte am Teleskop mit einer Brille, die einem Sehtest zufolge sehr gut auf meinen Sehfehler eingestellt ist. Mit Brille dürfte ich also das durchschnittliche Auflösungsvermögen des menschlichen Auges erreichen.
Vielen Dank und viele Grüße,
Christian