Guten Tag,
Und hier meldet sich ein weiterer Umweltsünder: Gestehe, dass ich im Nov./Dez. ein Chile-Reischen unternommen habe. Zum astronomischen Anteil das Folgende:
1.San Pedro de Atacama
Ich wählte San Pedro de Atacama als Ausgangspunkt, nicht zuletzt, weil dort genügend Infrastruktur vorhanden ist. Mitgenommen habe ich meinen 25cm Reise-Dobson. Die Idee war anfänglich, von der Pension aus loszumarschieren, direkt in die Salzpfanne des Salar de Atacama, um von dort aus den Himmel geniessen zu können. Funktionierte, nur musste ich feststellen, dass der Himmel von ungenügender Transparenz war. Schuld an allem waren die starken Winde am Tag, die grosse Staubmengen, jeglicher Grösse, ( von Karbo 40 - Microgrid) in die Atmosphäre transportierten. Das Zodiakallicht war zwar überdeutlich sichtbar, aber die Magellanschen Wolken schwächelten, Galaxien matschig, es blieben nur die offenen Sternhaufen akzeptabel. Das Ganze erinnerte an die sattsam bekannten hiesigen Verhältnisse.
2.Toconao,und Paso de Jama
Auch wegen der horrenden Preise in San Pedro (für volle 100€ schläft man unter Umständen nur in einem Saustall und das krampfende Personal hat nur 10€/d), beschloss ich für eine Woche ein Auto zu mieten und ins 30km entfernte Toconao zu dislozieren. Nur wenige KM von den Büros der ALMA entfernt. Auch dort dasselbe: Kein auspolierter Nachthimmel, Sand in der Luft und auf dem Spiegel.
Zum Rekognoszieren erkundigte ich am Tag die Gegend auf dem Paso de Jama, wo die Alma-Instrumente sind auf 4800m. Der Wind hatte eine solche Stärke, dass man mit Sicherheit einen Schaden mit ins Tal nähme, ohne gefütterte Kapuze auf Mann . Ein 2 stündiger Spaziergang mit etwas Höhendifferenz durch diese eindrückliche Marslandschaft genügte mir. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass hier einer langsam schwarz zu sehen beginnt und umkippt für immer… Instinktiv verzichtete ich auf nächtliche Hinfahrt dort oben. Lastwagen fahren meistens in Gruppen zur Sicherheit, die Parkplätze sind verwaist, kein Mensch weit und breit, was soll ich da allein? - Auf der Weiterreise im Bus sass ich zufällig neben einem Alma-Mitarbeiter. Er war zuständig für Strassenunterhalt und hatte 1 Woche frei. Er bestätigte, dass hier praktisch immer starker Wind weht und die Arbeit knallhart sei. Die Alma nehme das Wohl der Mitarbeiter sehr ernst. Bei Dienstantritt sei nur 2h Tagesarbeit erlaubt, dann allmählich mehr. Aerztliche Ueberprüfung der Mitarbeiter finde laufend statt und ein Nofalldienst sei rund um die Uhr vorhanden.
3.Talabre - Indianerdorf
Einen richtig perfekten Himmel hatte ich dann in Talabre, einem kleinen Indianer-Dorf, auf etwa 3500m Höhe. Ich machte nur positive Erfahrungen bei diesen Leuten und war froh Kontaktpersonen zu haben, falls da plötzlich z.B. der Wagen streiken sollte. Die Indianer haben einen Sinn für die Astronomie aus historischen Gründen, man erntet strahlende Augen, wenn man sagt, man wolle hier beobachten. (Wir dagegen forschen wie verrückt, aber der Nachthimmel ist der Gesellschaft offensichtlich egal, sonst hätten wir ja effiziente Massnahmen gegen die Lichtverschmutzung. Und deshalb hatte das Inka-Reich Kultur und wir haben eben keine.)
25cm ohne Optik und Vulkan Lascar
Hier konnte man sich astronomisch austoben. Funkelnde Galaxien im Fornax-Haufen zu Hauf. Prächtig die ganze Sculptor-Gruppe. Negativ blieben nur die beiden Zwerggalaxien ESO356-04 (Fornax) und ESO351-G30 (Sculptor). Da hätte man den Spiegel vorher entsanden und einen besseren Streulichtschutz mitbringen müssen.
Wenn man des Aufsuchens müde wird, (und man wird es!) kann man einfach die Grosse Magellansche Wolke anfahren und findet bei starker Vergrösserung ein Highlight nach dem andern.
Dieser Beobachtungsort wäre eigentlich ideal. Nicht zu hoch, keine Gefahr des Abgleitens ins Nirwana, freier Horizont rundum, grandiose grosszügige Landschaft und den aktiven Vulkan Lascar mit dabei, der noch die Tiefendimension einbringen tut. Asphaltierter Hinweg und freundliche Indianer in der Nähe, die einem Kost und Logie (basic) anbieten würden. Was will man mehr? Nur: wie lange dauert dieser Zustand noch: Im Westen sind noch ungefährlich, weil weit entfernt, die Lichter der Lithium-Minen ausmachbar. Bereits 25km2 beleuchtete Sole-Becken sind es. Beabsichtigt ist die gesamte Ausbeutung des Salar de Atacama, und dann ist hier Schluss. Und das könnte schon sehr bald sein. Im Hotel hat mir der Besitzer gesagt, er renoviere und investiere nicht mehr viel, wenn die hierher kommen, könne er die Touristen sowieso vergessen…..
4.Socaire, Paso de Sico,
Noch eins drauf in Sachen „eindrücklicher Nachthimmel“ brachten dann die Stunden etwas unterhalb der Laguna Miscanti auf dem Weg zum Paso de Sico. Vom Indianerdorf Socaire wagte ich mich noch 20km weiter , mehr nicht, dann könnte man nötigenfalls noch per Fussmarsch sich in Sicherheit bringen bei einer Panne.
Störfaktor Nummer 1 in Sachen Lichtverschmutzung war hier das Zodiakallicht im Westen. Klar erkennbar der Gegenschein mit dem Band. Am östlichen Horizont zeigte sich gleichmässig eine Aufhellung. Airglow?
Die feinsten südlichen Sternbilder waren jetzt alle sofort erkennbar. Eine unbeschreibliche Stille herrschte. Kein Ton, kein Rauschen ferner Wasser wie bei uns in den Bergen, keine Tierstimmen nichts… Ich fragte mich, warum da noch durchs Fernrohr schauen, wenn der Himmel so eindrücklich ist. Den Chor der 9. Sinfonie mit Schillers eindrücklichen Worten brachte ich nicht aus dem inneren Ohr……
Aber auch negative Gedanken kamen auf: Kein einziger Wagen kam vorbei. Was, wenn Banden kommen von Argentinien her und mit vorgehaltener Pistole den Autoschlüssel wollen. Im benachbarten Peru sind solche Vorkommnisse fast die Regel. Dann stände ich mit dem Fernrohr , aber ohne Kreditkarte und Pass, dafür mit einem Faustschlag im Gesicht, allein in dieser Kälte.( Erst am folgenden Tag winkte der befragte Dorfpolizist ab: Kein Problem, die policia de investigacion habe das Gebiet schon im Auge. Noch nie so etwas passiert. )
5.Wo sind die besten Beobachtungsplätze in Chile für uns Amateure?
Letztes Jahr war ich im Elqui-Tal. Es war irgendwie dunkler dort. Hier in den Anden bestand nie die Gefahr, in der Nacht die Orientierung zu verlieren wegen absoluter Dunkelheit. Die Szintillation war hier immer vorhanden, vergleichbar mit den Alpen, dagegen im Elqui-Tal bockstille Sterne.- So ab 4000m Höhe sinken die Temperaturen dermassen, dass man die volle Winterausrüstung mit Winterschuhen etc. einfach dabei haben muss. Bei 35oom ist es dagegen wesentlich wärmer, wie bei uns im Spätherbst in etwa.
Ein grosser Irrtum ist zu meinen, die Atacama-Wüste sei *der* Platz für Astronomie. Die Verstaubung der Atmosphäre ist die Regel. Unterhalb von 3000m Höhe und abseits der so wichtigen Küstennebel ist es schlechter als bei uns. Die Küstennebel gehen leider nur wenige Kilometer ins Landesinnere, wenn es dort immer noch Sand hat statt Felsen, ist bereits fertig. Deshalb ist die Gegend um La Serena, wo die Teleskope der älteren Generation stehen , hervorragend. Der Sand hört genau dort auf, wo die Küstennebel noch alles zudecken können.
Ich besuchte nachträglich noch die Wüstenoase Pica, auf der Höhe von Iquique. Katastrophale Verhältnisse. Die Bewohner bestätigten mir, dass es hier meistens Sand in der Luft habe. Auch ein Abstecher auf die erste Hügelkette bei Iquique, direkt in der Nähe des Pazifiks, zeigte einen schlechten Himmel, weil die Küstennebel zu dieser Jahreszeit bereits fehlten.
Leider sind die besten Plätze zwischen Antofagasta und La Serena ohne genügende Infrastruktur. Minen sorgen dort auch nicht gerade für gesunde Luft, und dunklen Himmel. In meinem Reisebuch von Stefan Loose, fehlen die Karten für dieses Gebiet. Das war sicher nicht ein Versehen und Nachlässigkeit….