Kurioses zum Thema Standfestigkeit

  • Hallo
    Für die Standfestigkeit eines Dobsons gilt die Beziehung: s x g / h . Dabei ist s die Basis, g das Gewicht und h die Höhe des Schwerpunktes. Die Standfestigkeit ist die Hubarbeit, die geleistet werden muss, bis das System kippt, also umfällt. Je grösser sie ist, desto besser. Geringe Standfestigkeit bewirkt low frequency Schwingungen, was lästig ist beim Beobachten.


    Grosse Dobsons haben in der Regel kein Problem mit der Standfestigkeit, weil das Spiegelgewicht überproportional wächst mit dem Spiegeldurchmesser. Umgekehrt wird die Sache ernst bei kleinen leichten Reisedobsons: g ist ungünstig und h wird eher auch schlechter, weil es schwierig wird den Schwerpunkt tief zu bekommen bei der Konstruktion. Man muss also die Basis s möglichst gross machen. Ein Ring ist gut. 4-Punktelagerung ist in Erwägung zu ziehen, (wie bei einem Tisch mit einem verstellbaren Bein am Fuss).
    Bei den Höhenpads mit zu geringem Abstand kommt man in das Problem, dass der Reise- Dobson es manchmal vorzieht (je nach Luftfeuchtigkeit und Sauberkeit der Pads) lieber zu kippen statt zu rutschen. Alles schon erlebt!


    Diese Probleme hat man alle nicht bei grossen schweren Geräten. Wie wichtig die Standfestigkeit ist, zeigt die folgende Geschichte, die sich vor ein paar Jahren ereignet hat:


    Wenige Tage vor Schliessung der Passstrasse im Oktober nutze ich die Gelegenheit und fahre auf den Susten. Die starken Winde auf der Passhöhe zwingen mich den 50cm Dobson auf der Ostseite aufzustellen. Bleibt wenig Platz, muss mich auf dem Wanderweg installieren. Verzichte auf Spannseile beim Zelt um etwaige Frühwanderer nicht zu gefährden. Wer kommt da schon in der Frühe kurz vor dem Einschneien! - Nach einer gelungenen Beobachtungsnacht verkrieche ich mich in den Schlafsack und schlafe unruhig, aber immerhin. In der Morgendämmerung werde ich von einem scharfen Metallgeräusch aus dem Schlaf gerissen. Es wiederholt sich. Mein Gedanke: Da haut doch so ein Psycho auf mein Teleskop ein, weil es ihm den Weg versperrt. Ich schreie, stopp, du Ar….. Entnervt suche ich die Brille, reisse den Zelteingang auf und da zeigt sich im fahlen Licht der Morgendämmerung ein schmucker Gämsbock, der offensichtlich irritiert ist von Geglitzer der Teleskopstangen. Er schaut mich blöd an und zottelt langsam von dannen. Die Hubarbeit war zu gross für ihn um es zu Fall zu bringen. Kein Schaden am Teleskop! Später hole ich Wasser am Bach für den Morgenkaffee. Bei der Rückkehr bemerke ich das Tier auf einer Anhöhe, regungslos steht es auf dem Felsen und beobachtet wie ein Wächter meine Installationen.


    Beim schwitzenden Parabolisieren war ich nie auf die Idee gekommen, dass eine Gämse später einmal die Parabel ruinieren könnte.
    Der Vorfall zeigt aber mit aller Deutlichkeit, wie sensibel die Alpenwelt reagiert auf Störungen…


    Gruss Emil

  • Hallo Emil!<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Für die Standfestigkeit eines Dobsons gilt die Beziehung: s x g / h . Dabei ist s die Basis, g das Gewicht und h die Höhe des Schwerpunktes. Die Standfestigkeit ist die Hubarbeit, die geleistet werden muss, bis das System kippt, also umfällt.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Hmmm, leider nicht ganz richtig. Die Formel gilt nicht nur für Dobsons, sondern für jeden anderen Körper auch. Wenn du dir mal die Einheiten von s x G / h ansiehst, ergibt der Term keine (Hub)arbeit, sondern eine Kraft, die sogenannte Kippkraft F. G ist dabei die Gewichts<i>kraft</i>, s der senkrechte Abstand der Kippkante zum Schwerpunktslot und h die Höhe des Schwerpunktes, an dem diese Kippkraft F angreift. Betrachtet man diesen Fall als zwei an der Kippkante angreifende Drehmomente (das Standmoment G*s und das Kippmoment F*h), kann man diese Formel herleiten, wenn im Fall des Kippens gilt: F*h = G*s, also F &lt; G*s/h im Falle des Nicht-Kippens. Den Betrag der Kraft F = G*s/h verwendet man als Maß für die Standfestigkeit eines Körpers.


    Eine Dreipunktlagerung ist einer Vierpunktlagerung immer vorzuziehen, da drei Punkte stets eine Ebene definieren und die Basis so nie wackeln kann.


    Salü, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

  • Hallo Volker,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Eine Dreipunktlagerung ist einer Vierpunktlagerung immer vorzuziehen, da drei Punkte stets eine Ebene definieren und die Basis so nie wackeln kann.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Stimmt nur bedingt: Die Dreipunktlagerung hat den Nachteil, dass die Standfestigkeit eben richtungsabhängig ist und wenn es kritisch wird hast du dann eben einen Schwachpunkt, den die Vierpunktlagerung weniger ausgeprägt hat. Die Dreipunktlagerung variert um den halben Betrag, das kannst du dir aus den geometrischen Verhältnissen beim gleichseitigen Dreieck mit Umkreis klarmachen.



    Die Formel habe ich mir in der Zürcher-Seebadi gestern ausgedacht ohne Papier und nichts, sie zeigt die relevanten Grössen in ihrer Linearität zueinander. Dass einem Physiker dabei die Haare zu Berge stehen, kann ich gut verstehen. In diesem Sinn Danke für die Klarstellung.


    Gruss Emil

  • Hallo Emil,


    Ein Gamsbock als Tester der Standfestigkeit eines Teleskops ist schon was Besonderes[:o)].


    Klar hast Du mit einer Vierpunktlagerung weniger Umfallgefahr. Damit das aber Sinn macht, muss zu 100% sicher gestellt sein, dass keinerlei Kippeln beim Beobachten auftritt.


    Wenn Du mehr als 3 Auflagepunkte beim Dobson willst, musst Du damit schon bei der Azimutlagerung anfangen und da auch 4 statt 3 Teflonpads verwenden. Dann kannst Du aber gleich einen Flexrocker nehmen und einen Basisring, der wiederum 4 einzeln justierbare Füße hat. In diesem Fall würde ich sogar 5 Füße bevorzugen.


    Mein leichtestes Reiseteleskop hat nur 3 Füße. Wenn die Leichtgängigkeit ans Gewicht angepasst ist, der Schwerpunkt stimmt und man keine Seilzug-Krücken einbauen muss, funktioniert das ohne Probleme. Und den Gamsbock-Test hätte das Teil auch mit 4 Füßen garantiert nicht bestanden[B)].


    Gruß,
    Martin

  • Hallo Martin,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Mein leichtestes Reiseteleskop hat nur 3 Füße. Wenn die Leichtgängigkeit ans Gewicht angepasst ist, der Schwerpunkt stimmt und man keine Seilzug-Krücken einbauen muss, funktioniert das ohne Probleme. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hat halt eine subjektive Komponente drin bei der Beurteilung wie etwas funktioniert. Ich kann dein erstes Projekt nicht beurteilen.


    Bei der Standfestigkeit geht es primär nicht um das Umfallrisiko, sondern um den Beobachtungskomfort. Je näher man mit seiner Konstruktion beim labilen Gleichgewicht ist, desto mühsamer ist das Beobachten. Bei Reiseteleskopen (und parallaktischen Montierungen mit hoher Schwerpunktslage) nähert man sich dem labilen Gleichgewicht. Massnahmen in Richtung breite Basis sind wichtig. Der wichtigste Schritt ist für mich das Ersetzen des Rockers durch einen Ring. Das ergibt rein von der Stabilität her 41% mehr Standfestigkeit, Die Füsschen sind dann im Umkreis statt im Inkreis eines Quadrates angeordnet.


    Das mit der 4-Punktelagerung: Da hast Du und Volker völlig recht, ist nur die ultima ratio.Es ist besser a priori alles so breit anlegen,dass 4 Füsse ein unnötiger Luxus sind.


    Grüsse Emil

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