(24) I. Wer überprüft die Prüfer ?

  • I: Im Doppelpack: Wer überprüft die Prüfer


    Die gründliche Aufarbeitung von gestellten Themen kommt der Dynamik wegen, die z.B. der
    "Gurken-Schutz-Thread" auf Astronomie.de genommen hat, einfach zu kurz. Ich will daher,
    wie ich das schon früher bei anderen Themen gemacht habe, einzelne Aspekte des sich
    auffächernden Themenbaumes etwas detaillierter mit praktischen Beispielen unterfüttern,
    bzw. beantworten. Da mir AstroTreff mit seinem Archiv viel Platz zur Verfügung stellt, mein
    reichhaltiges Bildmaterial aus den täglichen Messungen zu "bunkern", kann ich deshalb
    die aufgeworfenen Probleme mit einem zeitlichen Versatz und in aller Ruhe von meiner
    Seite her darstellen und die Interessierten zu einer entspannten Diskussion einladen, egal
    ob sie nun auf astronomie.de oder AstroTreff.e weitergeführt werden sollte.


    Ausgangspunkt der "Gurken-Schutz-Diskussion" war die preisliche Auflistung dreier
    Teleskop-Tests mit der Frage nach der Verläßlichkeit bzw. Aussagekraft dieser Tests.
    Im weiteren Verlauf wollte ein Beitrag wissen, wer für die Glaubwürdigkeit der Prüfer gerade-
    steht, d.h. ob es ein "Eichamt" für Certifikate gibt. Nachdem die "normalen" Telekope ohne
    Certifikat verkauft werden und es für die qualitativ hochwertigen und teuren Optiken nicht
    immer ein Certifikat gibt, ist diese Frage durchaus berechtigt. Dabei darf man aber nicht
    vergessen, daß es sich hier nicht um nationale Dienstleistungen bei einem Certifikat handelt, dessen Aussehen und Form man mit einem Reglement steuern könnte. Trotz der
    in der Industrie benutzen Meßeinrichtungen fallen die Certifikate von Produkten aus
    Rußland, Taiwan, China, USA, England auch vom Certifikat her höchst unterschiedlich aus.
    Allein dieser Umstand nährt in der "deutschen Seele" erhebliches Mißtrauen, ob da alles
    mit rechten Dingen zugeht. Und weil das öffentliche Interesse, anders als bei lebenswichti-
    geren Bereichen, in unserem Falle sehr gering ausfällt, kann man das Certifikat des
    einen Prüfers nur einem anderen in die Hand drücken, um sein Ergebnis zu erfragen.
    Und wenn dann ein solcher Prüfer auch noch aus dem Amateur-Bereich kommt, weil die
    Überprüfung von Optiken sonst nicht bezahlbar wäre für den "normalen" Sternfreund, dann
    hat er als erstes ein Legitimations-Problem, und das nicht erst seit heute. Man fragt ihn zu
    Recht, ob seine Meßergebnisse denn überhaupt stimmen? Und weil ihn diese Frage
    selbst von Anfang an umtreibt, will der private Prüfer, also ich selbst am allermeisten wissen,
    wie genau sein Equippement den funktioniert, wie genau seine Zusatz-Optiken sind etc.
    (Daraus entstehen einschlägige Kontakte zur Industrie, denn von irgendwoher muß ja
    das Wissen und die Kenntnis der meßtechnischen Probleme her kommen.)
    Diese Frage kochte zum letzten Male vor ca. 6 Monaten hoch, als ich dem französichen
    Optik-Papst seinen Spiegel von Lambda/40 PV auf L/4 PV herunter-prüfte. Deshalb habe ich
    immer wieder meine eigene Meßgenauigkeit überprüft und stelle mit nachfolgendem
    Beispiel erneut meine Behauptung unter Beweis: Die Prüfer werden von den Prüfern selbst
    überprüft. Im folgenden Beispiel geht es um das Certifikat eines TMP-APO 100/800, dessen
    Überprüfung ich mit meiner Einrichtung vorgenommen habe mit nahezu den gleichen
    Ergebnissen.
    (Für astronomie.de-Leser: Eine Fortsetzung findet man bei http://www.astrotreff.de/user/scripts/postings-rohr.asp oder auf AstroTreff )


    01 TMP 100/800 Triplet-Apochromat



    01 Während beim Sterntest auf einfachen Durchgang, eben gegen einen Stern, geprüft wird,
    entstehen die genaueren Tests immer in Autokollimation gegen einen bekannt genauen
    Planspiegel, in meinem Falle absichtsvoll von Zeiss, weil mir solche Fragen nicht zum
    ersten Male gestellt worden sind. Leider registrieren die Frager selten, daß man sich bereits
    "hundertausendmal" gerechtfertigt hat, man das sogar auf einschlägigen Webseiten nach-
    lesen kann - es nützt nichts. Das soll heißen: Bei meinen Messungen verwende ich nur
    "Butter" und "allererste Sahne", spricht ZEISS-Spiegel.


    02 Die 3-D-Darstellung und der Öffnungsfehler



    02 Über ein Interferogramm bekommt man ein Streifenbild, dessen Abweichungen man wie
    die Höhenlinien einer Landschaft auffassen kann. Obwohl es beim Phasenshift-Interfero-
    meter noch etwas anders funktioniert, läßt sich aber im konkreten Beispiel - auf einen
    Spiegel übertragen - sagen, daß die bilderzeugende Wellenfront-Fläche in der Mitte etwas
    tiefer liegt, dann in einen Ringwall übergeht, um am Rand wieder leicht abzusinken. Soweit
    die grobe Beschreibung der 3-D-Darstellung. Man beachte bitte, daß das Certifikat eine
    Serien-Nummer enthält, für die Zweifler unter uns! Bei einem Intes-Spiegel-Certifikat
    fehlte eine solche Nummer, trotzdem entsprachen sich auch dort die beiden Meßergeb-
    nisse.


    03 Ein Interferogramm fehlt leider



    03 dafür sieht man aber den Testaufbau in einer Schema-Zeichnung und die zur Optik
    gehörenden Meßwerte. Wichtig dabei ist die Angabe der Wellenlänge, hier 532 nm
    Würde man bei 632.8 nm messen käme aus zwei Gründen ein anderes Ergebnis heraus:
    Die längere Wellenlänge macht das Ergebnis "genauer", in ihr steckt der Gauß-Fehler,
    also der farb-abhängige Öffnungsfehler drin, weil besonders bei Achromaten aber auch
    Apochromaten nicht jede Wellenlänge den gleichen Öffnungsfehler hat, wäre natürlich
    schön, iss aber nicht immer so. Vom Farblängsfehler noch gar nicht geredet, der für die
    Farbsäume bei manchen Teleskopen zuständig ist.


    04 Überprüfung des Prüfers



    04 Hier werde eigentlich ich überprüft - weil ich davon ausgehe, daß die Meßeinrichtung
    eines namhaften APO-Herstellers stimmen sollte. Und nachdem ich diesen Test bereits
    mit unterschiedlichen Certifikaten selbst durchführte, kenne ich mittlerweile meine eigene
    Genauigkeit. Der Strehlwert stimmt mit einer Differenz von 1 Promille. Der RMS-Wert eben- falls mit einer Differenz von 1 Promille. Lediglich der PV-Wert fällt bei mir genauer aus.
    Warum? Hätte ich vom russischen Hersteller ein Interferogramm, könnte ich die Sache noch
    genauer erklären, so bin ich auf das Interferogramm angewiesen, das ich selbst erzeugt
    habe bei dieser Optik. Unabhängig davon sieht man eine schöne Entsprechung der beiden
    3-D-Darstellungen, also die des russischen Herstellers, und die meines Auswert-Pro- grammes. Also "Mulde" in der Mitte, "Ringwall" und tieferliegender Randbereich.


    05 Überdimensionierte Darstellung



    05 Hätte das Interferogramm ansteigende Streifenabstände, käme ein Koma-Effekt zum
    Tragen: Also die Streifenabstände sind gleich ledigliche eine geringfügige A-Symmetrie
    zwischen linker und rechter Hälfte kann man bei genauer Betrachtung erkennen. Höchst-
    wahrscheinlich ein Zentrierfehler, möglicherweise auch ein Justierfehler in der Test-
    anordnung, obwohl ich sorgfältig am künstlichen Stern mit Höchstvergrößerung von
    640-fach justiert habe. Erkennbar wieder die "Mulde" in der Mitte. Der mittlere Streifen zeigt
    von 12.00 Uhr her gesehen das Profil der Wellenfront. Also erkennt man auch den flachen
    "Wall" und den tiefer liegenden Rand. Nur bei einem Takahashi habe ich noch perfektere
    Flächen gesehen. Dieses Interferogramm wird nun zur Auswertung benutzt. Und über
    dieses Interferogramm ermittle ich in meinem Fall einen PV-Wert von L/9 wave, während das
    russ. Certifikat auf einen Wert von knapp L/6 PV wave kommt. Es könnte auch beim Herstel- ler ein Justierfehler sein, vielleicht ein kontrast-reicheres Interferogramm, vielleicht auch
    die Differenz zwischen meiner Meßgenauigkeit und der des Herstellers. Im Fall des INTES-
    Newton-Spiegel lag ich mit einem Prozent-Punkt schlechter beim Strehl, in diesem Fall
    entspricht sich der Strehl und lediglich der PV-Wert fällt bei mir besser aus. Was es auch ist,
    daß die isolierte Betrachtung des Strehls in diesem Fall sogar unsinnig sein kann, will ich
    im zweiten Laborbericht erklären.


    06 Der Bath-Interferometer



    06 Meine Webseiten enthalten auch eine detaillierte Funktions-Beschreibung des vom
    Sternfreund Karl-Ludwig Bath, Emmendingen, vor über 20 Jahren entwickelten Interfero-
    meter. Der Vorteil dieses Interferometers liegt darin, daß er sogar mit Weißlicht funktioniert.
    Das ist besonders bei den Refraktoren wichtig, wo man durch die einzelnen Wellenlängen
    hindurch die Genauigkeit wissen möchte. Eine kontrastreiche Abbildung der Interfero-
    gramme ist jedoch von Feinheiten der jeweiligen Bauteile abhängig, sodaß man nicht
    frustriert sein sollte, wenn ein Nachbau nicht sofort gelingt.


    Wenn man also die Frage stellt, wer überprüft die Prüfer, dann sollte man von der alten
    deutschen Tugend ausgehen, daß der Prüfer sich selbst gegenüber wohl am kritischten
    ist und über seine eigenen Messungen ganz genau Bescheid weiß, zumal er absichtsvoll
    jahrelang Kontakte zu Fachleuten aus der Industrie pflegt.


    Wer darüber hinaus sich das noch genauer anschauen will, wurde und wird von mir immer
    wieder eingeladen, sich selbst in meinem "Labor" ein Bild zu machen, auch deswegen, weil
    ich gerne selbst etwas dazulernen möchte, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Aber die
    kenne ich leider schon alle, von denen ich was dazugelernt habe.


    Soviel zum Teil 1, "Wer überprüft die Prüfer?"


    Wolfgang Rohr

  • Hallo Wolfgang
    Ich finde es sehr löblich, dass du deine Testmethoden so transparent machst; in der Wirtschaft würde das wohl als Vertrauensbildene Maßnahme gelten. Vielleicht macht das Testen bzw. das nachvollziehbare Testen und Zertifizieren von Optiken ja Schule; ich hoffe das; immerhin bringt es für den Käufer und die Verkäufer von optischen Systemen gemeinsamen Nutzen. Der Händler ist bei einer Optik mit Zertifikat sicher was er da verkauft und muß nicht um seinen guten Ruf fürchten und der Käufer weiß genau was er erwirbt und gibt so vielleicht auch mal nen Euro mehr aus, weil er sich darauf verlassen kann keine Gurke zu kaufen.

  • An alle hochverehrten Prüfkritiker,
    ich kenne die Meßergebnisse und Protokolle Meßergebnisse und von 10 Parabolspiegeln aus Wolfgang´s Labor recht genau, weil 4 Spiegel davon meine eigene selbsgeschliffenen sind und der Rest mehreren Freunden gehört. Alle diese Spiegel habe ich eigenhändig nach Foucault, Ronchi und auch im Teleskop eingebaut am Himmel testen können. Man kann auch mit Foucault bei entsprechendem Zeitaufwand und Erfahrung recht genau die Spiegelform, PtV und Strehl Messen bzw. berechnen. Die Meßgrenze liegt bei PtV 0 1/20 lambda. Im Rahmen dieser Meßunsicherheit stimmen meine Meßergebnisse mit den Prüfberichten überein. Ich behaupte mal, dass ich die Zuverlässigkeit meines Prüfers damit hinreichend überprüft habe. Es geht hier nicht umd die absolute Genauigkeit unserer Methoden.
    Es ist noch beachtenswert, Wolfgang ermittelt obige Daten interferometrisch. Das geht vor allem schneller, rationeller und ist besser zu dokumentieren.


    Gruß Kurt

  • Hallo Herr Rohr,


    ich lese immer wieder mit großen Interesse Ihre Beiträge hier im Forum. Diese Beiträge sind für mich und viele andere nicht nur interessant, sie sind in vieler Hinsicht auch sehr lehrreich.
    Deshalb finde ich es eigentlich überflüssig, daß Sie sich hier oder auch in anderen Foren erklären müssen.
    Lassen Sie sich von ein paar Nörglern bloß nicht davon abbringen, weiterhin Ihre Ergebnisse zu posten.


    Gruß,
    J. Moser


    P.S.: Das gleiche gilt auch für die Postings von “Mario II“.

  • Hallo Kurt und Melchior,


    Eure Beiträge werde ich im Wiederholungsfalle auf astronomie.de
    zitieren - obwohl ich nicht glaube, daß das etwas nützt.


    Herzliche Grüße!


    Wolfgang Rohr


    Deine Temperatur-Messungen rund um den Newton-Tubus sind mir hochwill-
    kommen, lieber Kurt!

  • Hallo Jens Moser,


    der Vatikan ist segnungsberechtigt.


    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind,
    es sind die Nörgelfritzen, die Qualitätsurkundenechtheitsanzweifler mit
    ihrem nicht bestellten, sog. Prüferüberprüfungsbeauftragten, geschwind.


    Völlig überflüssig ein Verbraucherschutz
    bei Produkten aus gutem Hause.



    U.Hennecke

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