Muschelbrüche beim Feinschliff

  • Hallo zusammen!


    Ich bin ganz neu hier, sowohl im Forum, in der Astronomie und im Optikselbstbau. Ich hoffe Ihr könnt mir bei einer Frage zum Feinschliff helfen.


    Nach langer Pause nehme ich meinen ersten Spiegel (6") wieder in Angriff und habe erstmal den IST-Zustand geprüft. Damals war ich bis zur Politur gekommen, aber der Spiegel war noch nicht auspoliert. Also habe ich mir die Oberfläche unter dem Mikroskop angesehen und Muschelbrüche gefunden. Im Bild, Teil (a-d), sieht man die typische Oberflächenstruktur des Spiegels im Hellfeld-Mikroskop bei verschiedenen Vergößerungen. (c) zeigt den großen Bruch in der Mitte von (b). Die kleinen Pits liegen bei etwa 5µm und wären wohl noch auspoliert worden. Die großen Muschelbrüche finden sich auf dem ganzen Spiegel. Ich habe keinen systematischen Unterschied zwischen Rand und Mitte gesehen.


    Also bin ich zurück zum Feinschliff. Ich habe mich für Karbo K320 entschieden, weil die größten Brüche bei Druchmessern um 50-75µm liegen, dh. irgendwo zwischen Karbogröße K180 und K320. Leider finde ich hier nach meheren Stunden immernoch Muschelbrüche über den ganzen Spiegel verteilt. Bild (e) zeigt ein typisches Bild von einem solchen Bruch, der - wie man in Bild (f) sieht - ca 100µm durchmisst. Solche Brüche sind kein Einzelfall und wieder sehe ich keinen großen Unterschied zwischen Mitte und Rand.


    Bild (g) zeigt den selben Bruch nach je 2 Chargen MOT und TOT bei K320. Man sieht der Bruch wird kleiner. Nach weiteren 2h abwechselnd MOT und TOT ist er sogar ganz weg, siehe (h), dafür haben sich neue Brüche hinzugesellt. Ich nehme daher an, dass ich mir die Brüche während des Feinschliffs einfange.


    Meine Frage ist, ob solche Brüche wirklich noch im Rahmen der Verteilung liegen oder ob ich irgendwas falsch mache. Ich schleife von der Geschwindigkeit und Strichführung wie in diesem Video gezeigt, bei etwa bei Minute 6: https://www.youtube.com/watch?v=89990vzx8ug. Auch die Karbomengen und Wasser kommen hin. Mein Tool ist ein Glasrohling der selben Größe der auch für den Grobschliff verwendet wurde. Kanns die Fase vom Spiegel sein? Die ist nämlich etwas zerrüttet..


    Insgesamt habe ich sicher 5h mit K320 geschliffen. Ich wäre dankbar für Eure Tipps, denn meine Stathis-Ladung K320 ist schon fast wieder alle! Kann ja eigentlich nicht sein.


    Viele Grüße!
    Christian


    (a) typisches Bild der Oberfläche, nicht auspoliert.
    (b,c) typischer Bruch bei verschiedenen Vergrößerungen
    (d) noch ein Bruch zum Vergleich


    (e) Oberfläche nach 2h mit Karbo K320
    (f) der zentrale Bruch in (e) vergrößert
    (g) der selbe Bruch nach je zwei Chargen MOT und TOT
    (h) der selbe Bereich wie in (e) nach weiteren 2h K320, MOT TOT abwechselnd


  • Hallo Christian, schöne Aufnahmen!
    Bei mir sah es ähnlich aus. Ich hatte mir dann einen großen Pitt markiert und gemessen, so dass ich ihn sicher wiedergefunden habe. Nach einiger Zeit wird der dann flacher(wie bei Bild G)und verschwindet schnell. Wenn der dann verschwunden ist, gehe ich auf die nächste Körnung (F400) über und mache mir über neue Pitts keine Gedanken. Man hat definitiv ja immer größere Körner mit drinn, der Prozentsatz ist sogar irgendwo definiert. Deine Schleifzeit kommt mir viel zu lang vor.
    Und die Fase am Rand muss natürlich noch gut zu sehen sein, unter einen mm würde ich nicht gehen. Da können natürlich auch kleinste Splitter wegplatzen...


    Viel Spaß noch weiterhinn, Henri

  • Christian,
    interessanter als die Größe ist die Tiefe der Muschelbrüche. Dabei hinterlassen sie zusätzlich oft noch Mikrorisse im Material darunter. Mit dem Mikroskop kannst du eventuell via Tiefenschärfe das eingrenzen.


    Die Schleifkörner enthalten immer auch welche, die ein paar Nummern größer sind. 100% uniforme Partikelgröße gibt es nicht. Ab und zu 'kleben/verhaken' zwei Partikel auch aneinander.
    Dazu kommen eventuell Verunreinigungen am Arbeitsplatz. Und 'Schleifen' ist mechanisch ein Herausbrechen von Glas aus der Oberfläche. Das heißt, dass ein kleines Schleifkorn mitunter auch ein großes Stück Glas herausbrechen kann.


    Die Vorgehensweise ist daher, dass man sich ein großes Pit heraussucht, es ausschleift und - egal ob andere Pits neu entstehen - zum nächst feineren Korn wechselt. Andere Aspekte bleiben natürlich der Erhalt der Sphäre (Eddingtest o.ä.) und ein gleichmäßiges Abtragungsbild der Spiegelmitte und dem Rand (sprich Pitverteilung).
    Danach beginnt das Spiel dann von Neuem.


    Dabei sollte man den Arbeitsplatz peinlichst säubern. Ich dusche auch zwischendurch inkl. Fingernägel putzen und Haare waschen.


    Gruß



    Hier eine alte Aufnahme diverser Schleifkörner:


  • Hallo Christian,


    das sind ja sehr schöne Aufnahmen - perfekt dokumentiert!
    Wie die Vorredner schon schrieben, ist das ist ein ganz normales Verhalten.


    Die Amis sagen: Grind more and worry less
    Kalle sagt: Alles wird gut


    Ich würde einfach die kommenden Körnungen je 2 Stunden schleifen, bei den feinsten Körnungen 5 my und 3 my reichen je 20-40 Minuten. Du wirst sehen, dass immer wieder größere Pits als der Durchschnitt neu auftauchen, diese aber mit jeder Körnung immer kleiner werden, bis am Ende eine feinporige Oberfläche übrig bleibt.


    Die Fase kannst du wahlweise mit einer Glas Scherbe, Stück Schminkspiegel, altem Glas Aschenbecher, einem Stück Keramikfliese, Alu oder Messingblech glätten. Sollte die Fase durch die lange Schleiferei bereits sehr dünn geworden sein, ist das sogar unbedingt erforderlich. Einfach befeuchten, K320 drauf und um den Umfang entlang schleifen. Die üblichen Schleifsteine hingegen sind in diesem Stadium zu grob.


    Bin gespannt, wie sich deine Mikroskopbilder von Körnung zu Körnung entwickeln.


    p.s.
    Deine ersten Bilder zeigen, dass du ursprünglich eine mittlere Körnung (wahrscheinlich K180 oder K320) zu wenig geschliffen hattest. Ebenfalls möglich ist eine Verschmutzung zu einer späteren Phase.
    Du hättest das aber auch ignorieren können. Ab und zu ein paar größere Pits auf einem ansonsten auspolierten Spiegel machen durch ihre sehr kleine Fläche im Vergleich zur gesamten Spiegelfläche nur minimales Streulicht - wahrscheinlich weit weniger als der ebenfalls vernachlässigbare Staub nach der ersten Beobachtungsnacht.

  • Hallo an Henri, Kalle, Stathis und alle Leser!


    Danke für Eure Antworten. Ein wenig Versicherung durch Menschen, die wissen was sie tun, hilft ungemein :D


    Ich habe jetzt die Fase mit einem Stück Glas und K320 nachgeschliffen. Da ich nichtmehr genug K320 habe um nochmal ein größeres Randpit auszuschleifen habe ich fürs Gewissen lediglich nochmal zwei-drei Chargen K320 aufgelegt. Der Eddingtest zeigt eine ganz gute Sphäre (alles nach eine Charge fort). Aus dem gesagten schließe ich, dass solche Pits normal sind und ich beim letzten Feinschliff eine Korngröße nicht ganz ausgeschliffen habe. Als nächstes gehe ich zur nächsten Körnung über. Ich hoffe dass ich für alle Körnungen Bilder aufnehmen kann. Ich habe leider nicht immer Zugriff auf das Mikroskop.


    (==>)Kalle: Die Tiefenschärfe kann ich momentan leider nur für Bild (g) schätzen, da ich die Numerische Apertur der Objektive nicht kenne. Das Pit in (g) ist ziemlich am Rand des Spiegels, weswegen die Oberfläche nicht plan in der Fokusebene liegt. Aus der Neigung der Oberfläche und der Breite des Schärfebereichs könnte man also die maximale Pittiefe eingrenzen.


    Der scharf abgebildete Bereich erstreckt sich etwa über 0.5mm. Der Höhenunterschied zwischen der linken und rechten Schärfegrenze errechnet sich aus der Neigung. Am Rand des Spiegels, wo das Pit liegt, beträgt diese m = tangens(arcsinus(R/ROC)), wo R der Spiegelradius und ROC der Krümmungsradius ist. Multipliziert mit der breite des Schärfebereichs ergibt das den Höhenunterschied h. Macht für meinen Spiegel (6", ROC ~= 2400mm)


    h = 0.5mm * tangens(arcsinus(75mm/2400mm)) ~= 16µm


    Da das Pit scharf abgebildet wird kann es also nicht wesentlich tiefer als 16µm sein. Das ist ja recht flach im Vergleich zur Ausdehnung des Pits und auch im Vergleich zur Korngröße. Gleichzeitig würde ich intuitiv sagen, dass Muschelbrüche nunmal eher flach und breit als tief und schmal sind. Ich werde das nochmal nachrechnen wenn ich die NA des Objektivs kenne und eventuell nachmessen.


    Viele Grüße
    Christian

  • Ja, ein flacher Muschelbruch beruhigt ...


    Für die Tiefenschärfe rechne ich da am Mikroskop nicht viel, sondern schaue einfach ein Stück der Fase an, die +/- 45° hat. Jedes 'my' zur Seite ist da auch ein 'my' in die Tiefe, bis das Bild unscharf wird. Man merkt sich die Hubbewegung zum Nachfokussieren, fährt zum Muschelbruch zurück und fokussiert ins Glas hinein. Mir ging's ja nur um die Größenordnung ... der Neugier halber.


    Es sind mehrere Aspekte, auf die man beim Schleifen/Läppen achten muss. Ob, Eddingtest, Radiusveränderungen der Krümmung, Abtragungsbild, sog. Sleeks (feine Kratzspuren), das Schleifgeräusch selbst ... das Gesamtbild verschafft einem Sicherheit, wann man für die nächst feineren Körner bereit ist. Ähnliches gilt beim Auspolieren danach.


    Gruß

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