Namensinflation bei Himmelsobjekten?

  • Hallo liebe Nebelfreunde!


    Mir ist aufgefallen, dass mittlerweile eine sehr große Anzahl von Objekten mit einem amerikanischen Namen bezeichnet werden. Waren vor etwa 25-30 Jahren nur wirklich wenige klassische Objekte benannt (z.B. der Eskimonebel NGC 2392, der Eulennebel M 97 oder auch die Antennengalaxien NGC 4038/39 im Raben), sieht man sich heute einer regelrechten Namensinflation gegenüber, ein Ende scheint nicht absehbar. Oft trägt ein Objekt sogar mehrere Namen, beispielsweise Herschels Stern mit Atmosphäre (NGC 1514 in Tau) heißt heute auch Dew Nebula oder Crystal Ball. Wie seht ihr das?


    Schöne Grüße, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

  • Hallo Volker,


    Ich finde das Thema interessant und habe auch manchmal bei öffentlichen Führungen damit zu "kämpfen".


    Die Namensinflation hat meiner Meinung nach mehrere Ursachen:


    Englische Namen haben auch vor 30 Jahren schon existiert.
    Bloß haben wir hier in Deutschland nicht so viel davon gemerkt, weil es noch kein Internet gab und astronomische Bücher und Zeitschriften auf Englisch hier nicht so verbreitet waren (ok, einige Leute haben auch vor 30 Jahren in D schon Sky&Telescope gelesen). Und die Hobbykollegen in den östlichen Bundesländern hatten so gut wie keinen Zugang zu englischsprachiger Literatur für Hobbyastronomen.


    Die Namen für Deepsky-Objekte werden ja auch nicht offiziell vergeben. Die Profis benutzen ausschließlich Katalognummern (Was ist NGC224?[;)]). Und die Hobbyastronomen können jedes Objekt nach eigener Lust und Laune benennen. Außerdem kann heute jeder auf seiner Homepage seine eigene Lieblingsbezeichnung im Internet verbreiten.
    Die Folge davon ist die perfekte babylonische Begriffsverwirrung.


    Nicht zu vergessen: Mit heutigen leistungsfähigen Instrumenten sehen wir Objekte ganz anders als früher, und es existieren von allen schönen Objekten unglaubliche Bilder, die vor einigen Jahrzehnten mit der damaligen Ausrüstung nicht möglich waren. Diese Bilder regen zu ganz anderer Namensgebung an als die schwarzweißen körnigen Fotos von früher mit ausgebranntem Zentrum und im Hintergrund absaufenden zarten Randgebieten.


    Meine Schlussfolgerung: Wenn ich sicher gehen will, dass mein Gesprächspartner genau weiss, von welchem Objekt ich rede, muss ich eine Katalogbezeichnung benutzen. Die Namen dienen "nur" der Ausschmückung.


    Gruß,
    Martin

  • Hallo Martin!


    Sehr gute Analyse von dir! Die Schwemme kam erst so etwa vor fünf bis acht Jahren ziemlich heftig über den Teich, die Namen werden hier in Deutschland aber auch gerne angenommen, gerade von jüngeren Sternfreunden oder solchen, die noch nicht so lange dabei sind. Manchmal wird der Name auch gut übersetzt.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Die Folge davon ist die perfekte babylonische Begriffsverwirrung.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Das ist genau der Punkt. Mittlerweile brauche ich eine Liste, um bei manchen Berichten zu wissen, welches Objekt überhaupt gemeint ist.


    Am Anfang fand ich manche Namen noch lustig oder sinnvoll (z.B. den Peanut(Erdnuss)-Nebel NGC 2371/72 in den Zwillingen wegen seiner schon im Fernrohr sichtbaren Form). Aber mittlerweile ist es -besonders in den amerikanischen Foren- schon recht heftig. Ein Name war bislang oft auch eine Ehrung oder Namensgebung eines Wissenschaftlers (Campbell´s Hydrogen Star PK64+5.1, Herschels Granatstern &mu; Cep etc.), so etwas geht natürlich jetzt vollkommen unter...
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Meine Schlussfolgerung: Wenn ich sicher gehen will, dass mein Gesprächspartner genau weiss, von welchem Objekt ich rede, muss ich eine Katalogbezeichnung benutzen. Die Namen dienen "nur" der Ausschmückung.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Ganz meine Meinung.


    Schöne Grüße, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

  • Guten Morgen allerseits,


    haltet es doch wie in der Mathematik: Namen sind Schall und Rauch, das Resultat der Gleichung so denn auch. [:D]


    Wenn jeder die Koordinaten/Epoche seines Objektes vermerken würde, wäre das die sicherste Methode, auch sehr viel später noch das Objekt zu identifizieren. Auch Kataloge veralten und verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis der Astronomen (auf längere Sicht). Wer kennt zB. noch die Sterne aus dem Doppelsternkatalog von Eric Doolittle, oder die DS Objekte von DeChesaux?


    Grüße, Coyote

    Es schaute mich an - und ich schaute Es an.
    Und errötend wich Es zurück - das Universum.


    Bresser 102/460 | Tasco 76/1200 | Tasco 60/1200 | Tasco 60/900 | Tasco 60/700 | Tasco 50/600 | Minolta Bino 10x42 | Kasai s'Gucki 2.3x40

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">haltet es doch wie in der Mathematik: Namen sind Schall und Rauch, das Resultat der Gleichung so denn auch.


    Wenn jeder die Koordinaten/Epoche seines Objektes vermerken würde, wäre das die sicherste Methode, auch sehr viel später noch das Objekt zu identifizieren. Auch Kataloge veralten und verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis der Astronomen (auf längere Sicht). Wer kennt zB. noch die Sterne aus dem Doppelsternkatalog von Eric Doolittle, oder die DS Objekte von DeChesaux?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wenn das so ist, steht der perönlichen Namensgebung in meinem Sternkatalog ja nichts mehr im Weg.

  • Hallo Coyote,


    wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen "nomen est omen" und Fausts "Name ist Schall und Rauch"... [:)]<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wenn jeder die Koordinaten/Epoche seines Objektes vermerken würde, wäre das die sicherste Methode, auch sehr viel später noch das Objekt zu identifizieren.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Wohl wahr, in den Foren dürften die einfachen NGC/IC-Nummern oder die PK-Bezeichnungen der PNs aber reichen... [:)]
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Wer kennt zB. noch die Sterne aus dem Doppelsternkatalog von Eric Doolittle, oder die DS Objekte von DeChesaux?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Das wäre auf jeden Fall Stoff für ein wirklich interessantes Thema hier im Forum! Gerade ältere Doppelsternkataloge jenseits der Struves sind wohl kaum noch geläufig, obwohl die Arbeiten Doolittles -wenn ich mich recht entsinne- später in den ADS von Aitken übernommen wurden.


    Schöne Grüße, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

  • Hallo Volker,


    das sehe ich ganz ähnlich wie Martin und du.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"> Oft trägt ein Objekt sogar mehrere Namen ... <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das kenne ich auch schon lange bei den klassischen Sternnamen, z.B Benetnasch bzw. Alkaid für den äußeren Deichselstern im Großen Wagen, oder Mirfak bzw. Algenib für Alpha im Perseus. Und Algenib heißt dann auch Gamma Pegasi, und Schedir (auch Sadr) ist sowohl die "Brust" der Cassiopeia (Alpha) als auch des Schwans (Gamma).


    Servus
    Ben

  • Bei Drölf und Zwölfzig Trillionen³³³ Objekten am Himmel macht es Sinn numerisch vorzugehen. Besonders attraktiv fand ich die Namen NGC, M, HIP etc. niemals. Die griechisch, lateinisch und arabischen Namen gaben dem Himmelsobjekt einen speziellen Charakter. Ich mag es mir die Namen durch den Translator zu jagen und zu schauen was sie auf Deutsch bedeuten. So kann man hinterher noch den Eindruck nachvollziehen, den der Beobachter bei der Namensfindung gehabt hat. Irgendwann wurde dann halt nur noch Masse gefiltert oder mit Eigennamen gelabelt. Blöd.

  • Was ist der ursprüngliche Zweck einer Namensgebung:


    a) Vereinfachung in der Kommunikation nach dem Motto: Ein Name (Bild) sagt mehr als 1000 Worte. Namen lassen sich in begrenztem Umfang leichter merken.


    b) Anerkennung oder Bedienung der Eitelkeit einer Person, nach dessen Namen etwas benannt wird.


    c) Ein Zeichen für Macht/Einfluss, wenn eine bestimmte Gruppe die von ihnen gewählte Namensgebung durchsetzen kann.


    Warum haben alle Großteleskope einen Namen?


    Warum haben Straßen einen Namen? OK, die Quadranten in Mannheim sind ne Ausnahme. Aber viele Straßen bekommen sogar abschnittsweise verschiedene Namen, wenn man noch eine weitere Person huldigen möchte.


    Das Thema ist nicht auf astronomische Objekte beschränkt.

  • Hallo,


    dann fange ich mal mit Vorschlägen an - wie wäre es mit dem lange fälligen Katalog der besonders jecken DS_Objekte?


    Millowitsch-0 bis Millowitsch-&lt;n-1&gt;? [:o)]


    Grüße, Coyote

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  • Hallo!


    Jetzt wird´s ja doch noch interessant...


    &gt;Kalle:<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Vereinfachung in der Kommunikation nach dem Motto: Ein Name (Bild) sagt mehr als 1000 Worte. Namen lassen sich in begrenztem Umfang leichter merken.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Gerade hier liegt der Hund ja begraben: in <i>begrenztem</i> Umfang. Und -vor allem- es sollten sinnvolle Namen sein, die auch ein wenig zur astronomischen Geschichte passen.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">(...) Bedienung der Eitelkeit einer Person, nach dessen Namen etwas benannt wird. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote"> Eher nicht, die meisten Großen waren/sind eher stille Denker (z.B. Bernd-Eistert-Hörsaal an der Uni Saarbrücken), die sich sicher nicht damit profilieren wollten. Hier wird die Person auch meist posthum für ihr Lebenswerk geehrt. Oder auch einfach nur ein Achtungserweis, wenn ein Chemiker eine bestimmte Formel erkannt hat oder sich um eine chemische Reaktion bemüht hat, die dann später (gerade in der organischen Chemie) seinen Namen trägt. In der Mathematik ist das ganz ähnlich. Eitelkeit oder gar Huldigung sehe ich hier nicht. Im Gegenteil: Die Professoren, die ich kannte, waren meist sehr bescheiden. [;)]


    &gt;Ben: Bei &eta; UMa kenne ich den Grund: es sind zwei verschiedene Ableitungen aus der gleichen arabischen Wurzel. Bei anderen ist es nicht so offensichtlich, aber auch hier gibt der gute alte Burnham Hinweise... [:)]


    Salü, Volker.

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

  • Zum 1. April werde ich vielleicht mal einen eigenen Sternkatalog nicht vorhandener Himmelsobjekte (General catalog of never found objects NCNFO) zum Download anbieten:
    Vom "Jever-Fass" über "Axel's Schweiss" (mit Deppenapostroph), dem Goto-Killer "Find-Me" (DE 91° N; RA 24h 01') bis zum "Hexenschuss" im Sternbild "Rückgrad" und natürlich JD2457845. [:D]


    Wie zerstritten selbst die Astroszene ist, zeigen die Revisionsarbeiten zum NGC-Katalog zwecks Fehlerbereinigung: Da wurde sogar eine Handelsmarke eingetragen für "The Historically Corrected New General Catalogue" (http://www.ngcicproject.org/public_HCNGC/HCNGC.htm)) während Steinike seine Version "Revised NGC" nennt (http://www.klima-luft.de/steinicke/ngcic/ngcic_e.htm). Wenn mich nicht alles täuscht, haben die ursprünglich mal zusammen am Projekt gearbeitet.



    Eine der Hauptquellen für die ganzen Namen ist der Oculum Deepsky-Atlas, weil er einige der Bezeichnungen als zusätzliche Beschreibung aufführt.


    Und was man aus offenen Sternhaufen alles machen kann, zeigt diese Webseite hier:
    http://www.kolumbus.fi/jaakko.…y/Visual_impressions.html

  • Vielleicht sollten wir die Namen von den Nicknamen hier im Forum nehmen.
    Der Astrotreffkatalog mit z.B. dem Spechtcluster, dem Kalle66-Haufen, Matssgalaxie...[:D][:D][:D]

  • Hallo,
    habe mir seinerzeit (schon 20 J. her) von der BAV den Atlas Coeli II = Katalog 1950 von A. Becvar zugelegt.Hat mir bis jetzt immer weitergeholfen, wenns auch mit Nr. kompliziert wurde.
    Als schmückende Beigabe habe ich noch die losen Sternkarten vom Coeli, der bis 7,5mag reicht. Das hat Tage gedauert, viele Helligkeiten der Objekte zu vermerken. Nebst diesen Karten dann noch die losen Karten vom AAVSO-Atlas. Ideal fürs Beob. mit dem 12.5" Dobson und daneben dann die V.St.Karten (Thema beendet....).


    Gruß Guenther

  • Hallo Kalle!
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kalle66</i>


    Und was man aus offenen Sternhaufen alles machen kann, zeigt diese Webseite hier:
    http://www.kolumbus.fi/jaakko.…y/Visual_impressions.html<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Ja, genau wegen solcher Dinge ist mir dann doch neulich mal der Geduldsfaden gerissen. Braucht die Astrowelt denn wirklich einen Ewok-Cluster und einen Jedi-Knight? Vielleicht kommt ja auch bald noch ein Bat'leth-Haufen oder ein Bird-of-Prey... [:0]


    Salü, Volker. [:)]

    Deep Sky visuell, Mond und Sonne im Weißlicht mit 10" f/5 Dobson auf Selbstbau Birke-Multiplex  :dizzy:

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