Deepsky Imaging mit EM-CCDs, ua.

  • Hallo Leute,
    ich wollte dieses Thema starten, um praktische Erfahrungen und Anregungen bezüglich der Verwendung von EM-CCDs (Electron-Multiplying CCD) und anderen hochempfindlichen (und schnellen) Kameras auszutauschen und Besonderheiten und spezielle Anwendungsgebiete darzustellen.
    Vielleicht erstmal vorab eine stichpunktartige Erklärung zur allgemeinen Funktionsweise von EM-CCDs:
    - entsprechen "normalen" Frametransfer-CCDs (lichtempfindliche Detektorfläche + daneben angeordnete gleichgroße abgedunkelte Fläche)
    - lichtempfindliche Fläche wird belichtet und anschließend komplett in den abgedunkelten Bereich verschoben, von wo sie dann zeitlich parallel zur neuerlichen Belichtung ausgelesen werden kann
    - EM-CCD besitzen ein spezielles Verstärkungsregister (zur Elektronenvervielfachung), welches ~500-600stufig eine Avalanchevervielfachung der von der CCD kommenden Elektronen bewirkt, mit Verstärkungen bis beispielsweise mehrere 1000x
    - am Ende dieses Verstärkerregisters ist eine gewöhnliche CCD-Ausleseelektronik angeordnet, welche aber auch bis 20MHz schnell sein kann
    - die CCD kann aber auch normal ausgelesen werden, unter Umgehung des Verstärkerregisters


    Was bringt das?
    - das Ausleserauschen skaliert umgekehrt proportional mit der Verstärkung, dh. sub-Elektron-Ausleserauschen mit der Möglichkeit der Detektion von einzelnen Photonen (besser Photoelektronen) wird möglich
    - zusätzlich sind hohe Framerates möglich


    Warum ist das so teuer (>20k€)?
    - spezielle CCD-Chips mit speziellen Verstärkerregistern, derzeit nur für wissenschaftliche Anwendungen
    - besondere Anforderungen an Kühlung, Temperaturen <-60°C sind Pflicht (4-stufiges Peltier + Vakuum), da alle Elektronen, auch Thermische verstärkt werden
    - Temperaturen müssen auf 0,01K stabilisiert werden, da die Avalanchevervielfachung extrem temperaturabhängig ist
    - hohe Quanteneffizienz, am besten Backilluminated, denn die zusätzliche Verstärkung generiert ein zusätzliches Signalrauschen (ENF excess-noise-factor), ähnlich dem Schrotrauschen, welches die Quanteneffizienz virtuell halbiert
    - hohe Anforderung an die CCD-Steuersignalgenerierung, nicht optimierte Signalflanken generieren "spurious noise" oder CIC (clock induced charges), außerdem erfordert das Avalanche-Verstärkerregister recht hohe, sowie schnell und exakt getaktete Spannungen mit 40-50V


    Derzeitige Alternativen:
    - sCMOS (Scientific CMOS)
    - ICCD (Intensified CCD)
    - MCP (Multichannel Plates)


    Zukünftig:
    - Standard-CMOS ist auf dem besten Wege


    Warum das alles:
    - allerhöchste Emfindlichkeit für photonenarme Anwendungen (Spektroskopie)
    - ultrakurze Belichtungen (us - ms) für ultrakurze Phänomene (Pulsare, Aktive Galaxiekerne)
    - Kurzzeitbelichtungen (<100ms) mit hoher Kadenz (Bildwiederholrate) und hohem Duty-Cycle (Verhältnis Belichtungszeit zu Auslesezeit), beispielweise um das Seeing "einzufrieren", SpeckleImaging, LuckyImaging, für beugungsbegrenzte Auflösung, auch für Deepsky und ohne Paranal in der Nähe


    Fortsetung folgt!
    Gruß Tino

  • Hallo!


    Viel Resonanz wird es auf das Thema wohl nicht geben, nachdem vieleicht 3 oder 4 Leute in Deutschland mit EMCCDs arbeiten.


    Im etwas längeren Thread in der DSLR-Rubrik hattest Du geschreiben, dass ein toter Pixel senkrecht verschmiert und deswegen Probleme macht. Um das Problem zu lösen musst Du die Clock Time genau an Deinen Chip anpassen. Es gibt da ein Optimum zwischen Clock Induced Charges(CIC) und Charge Transfer Efficiency (CTE). Beide Effekte wirken sich gegenläufig negativ auf die Bildqualität aus. Das Optimum liegt zumindest bei mir irgendwo bei 20 Mikrosekunden, ist also erheblich länger als die 9 Mikrosekunden die als default bei Solis eingestellt sind. Die Clock Time lässt sich in Solis im Aquisition Setup irgendwo auf der rechten Seite des Controlpanels einstellen.


    Viele Grüße,
    Carsten

  • Hallo Carsten,
    danke für die Rückmeldung. Nachdem ich den Beitrag angefangen hatte, war mir schon recht schnell klar, dass die Diskussionsbreite des Themas doch recht gering ist. Vielleicht sollte ich die Diskussion doch eher von der Anwendungsseite her führen, oder u.U. zweigeteilt. Meine Hauptmotivation ist hierbei die Erhöhung der Auflösung mittels Speckle- oder LuckyImaging. Man sieht ja beispielsweise von der Jupiter-Fraktion reihenweise echt beeindruckende Aufnahmen, teilweise selbst bei >10" Apertur beugungsbegenzt. Da sind die 2,5arcsec FWHM bei meinen richtigen Deepsky-Versuchen doch nur Mittelmaß. Hier steckt aber auch der Teufel im Detail. Interessant an der EM-CCD Technik ist aber auch der didaktische Hintergrund. Man kann beispielsweise recht schön demonstrieren, welchen Einfluss das Ausleserauschen hat und welche Möglichkeiten sich durch niedriges Ausleserauschen, hauptsächlich bezüglich Kurzzeitbelichtungen, ergeben. Hier schließt sich wieder der Kreis zur rasanten Entwicklung der modernen CMOS-Kameratechnik, welche nidriges Ausleserauschen, bspw. 6e-(rms) selbst bei sehr hohen Framerates und für überschaubares Bargeld ermöglicht. Hier gibts ganz sicher noch Potential. Neueste consumer CMOS-Sensoren für HD-VideoCams demonstrieren bereits 1,3e- (rms), siehe http://harvestimaging.com/blog/?p=1400. Hiermit sind definitiv sub-Sekunden-Aufnahmen mit nachfolgenden Stacking ohne Verlust möglich. Hier zeigen auch die neueren DSLRs ungeahnte "LowLight"-Videoperformances.
    Bezugnehmend auf den "toten Pixel": Hier gibt es einige interessante Effekte, welche nur bei genauere Betrachtung auffallen. Ich habe diesbezüglich auch schon die komplette Clock-Timing-Palette durchprobiert, ohne durchschlagenden Erfolg. Selbst ohne Frametransfer ist der Defekt auffällig. Also ist der Defektpixel definitiv auf der aktiven Sensorfläche. Er ist aber nur bei bei sehr geringer Beleuchtungsstärke zu sehen, im normalen Flat ist dort fast nichts. Es handelt sich also vermutlich um eine Charge-Trap (Ladungsfalle), welche eine bestimmte zweistellige Anzahl von Elektronen aufnimmt und wenn sie voll ist, verhält sich der Pixel wieder normal. Diese Effekte sind photometrisch schon sehr problematisch, sodass für richtige Wissenschaft der Sensor parallel zur Aufnahme mit einer IR-LED und geringer Beleuchtungsstärke belichtet wird. Man hat dann zwar ein erhöhtes Grundrauschen, aber zumindest die nun gefüllten Traps verhalten sich definiert.
    Gruß Tino

  • Hallo Tino,


    bin grad erst über Deinen Beitrag gestolpert. Ich hatte in meiner Diplomarbeit Anfang der 2000er Jahre das Glück, die ersten auf dem Markt verfügbaren EMCCDs in Betrieb zu nehmen. Leider ist es tatsächlich so, dass die Stückpreise eine größere Verbreitung verhindern. Desweiteren sind die Dinger noch eine Stufe empfindlicher bzgl. passgenauer Ansteuerung. Die zusätzlich notwendige Ansteuerung des Multiplikationsregisters verschärft das Feintunen des Timings enorm. Zumal dieses Register nicht mit "normalem" CCD-Pegel angesteuert wird, sondern mit einer Amplitude von 25V...50V (bei bis zu 40MHz Schaltfrequenz und einer kapazitiven Last von > 100pF)! Das mit der Kühlung hast Du ja bereits erwähnt, um den Beitrag des Dunkelstroms zum Ausleserauschen weitestgehend zu eliminieren...
    Ich hatte sogar mal ein Muster eines 1Megapixel BSI-EMCCD mit 13µm Pixeln in Händen, leider wurde das Projekt aus -tada- Kostengründen fallengelassen. Damals war ich als Kameranarr ziemlich enttäuscht, sowas nicht umgesetzt zu sehen.
    Für Extremanwendungen in Forschung usw. mögen sich vielleicht die von Dir genannten Spezialtechniken besser eignen. Mittlerweile sind m. E. die aktuellen CMOS Sensoren für die meisten Anwendungsfälle in der Bildgebung jedoch völlig ausreichend. Zumindest das Preis/Leistungsverhältnis ist doch erstaunlich besser als bei CCD.


    Grüße
    Andreas <s>ccdfreak</s> cmosfreak

  • Hallo Andreas,
    ist schon eine interessante Technik, aber wird wohl den Massenmarkt nie wirklich erreichen, oder doch?. Es gibt zwar jetzt auch die ersten komerziellen Überwachungskameras (Toshiba IK-1000, Hitachi KP-E500, Hitachi KP-DE500, Samsung SHC-750) meistens mit den Texas-Instruments EM-CCDs. Muss man bei EBAY vielleicht doch mal die Augen offenhalten. Und auch ON Semi versucht sich an EM-CCDs, siehe http://image-sensors-world.blo…emccd-with-per-pixel.html , aber die Cmos-Sensoren sind eindeutig auf dem Vormarsch. Hauptsächlich alles durch den Mobilphone-Markt getrieben. High gain Cmos schaffen jetzt schon 1,5e- rms "fürn Appel und nen Ei" und E2V und einige andere arbeiten derzeit auch schon an einer EM-CMOS Variante. Bin mal gespannt.
    Gruß Tino

  • Hallo Tino,


    stimmt, hat mich auch erstaunt, dass Kodak/OnSemi noch an der aufwendigen EMCCD-Technologie arbeiten. Zumal es mittlerweile mehrere interessante Alternativen gibt: scientific CMOS (sCMOS), Quantenpunkt-Sensoren mit "Sub-electron" Ausleserauschen,...


    Gruß
    Andreas - <s> ccd </s><font color="limegreen">cmos</font id="limegreen">freak

  • Über das Thema gab es auf dem heutigen NAFT einen Vortrag. Sehr spannend - sehr schöne Astrofotos mit webcamartigen Belichtungszeiten. Aber 19kEuro für einen relativ kleinen Chip - ich glaub nicht, dass das so schnell mainstream wird.
    Hartwig

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