First light TS 25X100

  • Hallo Freunde (und Freundinnen) der Nacht.
    Nachdem ich jetzt seit ca. 6 Jahren in fast jeder klaren Nacht von meinem treuen 10" Astrocom Dobson f/6,4 begleitet wurde, aber in Mondnächten oder bei schlechtem Seeing die Beobachtung damit für Deep Sky nie so richtig prickelnd war, wurde es jetzt Zeit für einen grösseren Feldstecher. Relativ spontan entschied ich mich für den TS 25 X 100, da das Konto bereits durch die herannahenden Weihnachten ziemlich arg strapaziert ist. Trotzdem will ich von Deep-Sky Objekten noch was sehen ausser nur strukturlose Wattebäusche. Dazu wollte ich das Photostativ 3 von Wolfi mitbestellen und rief sicherheitshalber vorher bei Teleskop-Service an, um nachzufragen ob das eine gute Idee sei. Einer der Mitarbeiter dort meinte sinngemäss, das Photostativ sei schon reichlich wackelig und nix für die Dauer, aber um sich mal "warmzusehen" reicht es allemal. Später braucht man dann was Besseres.
    Nach erfolgter Bestellung kamen die obligatorischen 5 Schlechtwetterwochen (aber das ist noch nicht alles, wir hocken hier an der Ostseeküste schon seit mehr als 2 Monaten unter dichtem Siff). Vor Verzweiflung hatte ich das Glas inzwischen schon hundertmal tagsüber auf benachbarte Dachgiebel und Fernsehantennen gerichtet. Ein kräftiger blauer Saum um alle Kanten zog meine Stimmung noch weiter runter, aber immerhin benahm sich das Photostativ besser als erwartet, und das Glas schien gut justiert zu sein, von Unschärfe am Rand kaum was zu merken. Guter Kontrast auch in dunklen Häusernischen und eine verzerrungsfreie Abbildung bauten mich wieder etwas auf. Inzwischen hatte ich mir auch noch aus schwarzem Moosgummi und Klebe-klettband zwei Taukappen gebastelt, und noch einen Campingklappstuhl besorgt und besser in Zenitnähe beobachten zu können.
    Aber gestern abend (16.12) gings endlich richtig raus auf den Acker bei stürmischem nassem Ostwind um die 2 Grad, grausigen Böen und leichtem Dunst. Die Grenzgrösse im Zenit lag bei 6 mag, das Seeing war allerdings mehr als bescheiden, also eine Nacht in der mit 10" fast gar nichts anzufangen geht weil der Volltubus ordentlich durchgeschüttelt wird und bereits bei 50X der Spass endgültig vorbei ist. Die Milchstrasse war mit blossem Auge recht gut zu erkennen. Der Blick auf Capella, Wega und Aldebaran war allerdings dann völlig farbneutral, von bunten Säumen keine Spur mehr, alle Sterne erscheinen schön farbneutral. Der beidäugige Blick auf die Hyaden und Plejaden kam mir nach einäugigem Beobachten an 10" vor, als sei ein Fenster aufgegangen. Trotz Windböen zeigten sich feine Sternabbildungen, die Randunschärfe musste ich schon richtig suchen, aber wirklich bewusst gesehen hab ich davon fast nichts (das kann vielleicht auch an meinen Augen liegen, ich bin nicht mehr der Jüngste, und gestern hatte ich bereits 12 Stunden Bildschirmarbeit hinter mehr. Trotzdem guck' ich seit 30 Jahren durch Optiken auf den Sternenhimmel, und es war jetzt bereits klar: dieses Glas ist jeden Euro wert). Sofort war auch meine Angst vor möglichem latentem Schielen verschwunden, beide Bilder kommen völlig entspannt und sauber zur Deckung. Inzwischen rüttelte der eisige Wind fröhlich weiter am Fernglas und an meinen Nerven. Überraschend gut benahm sich das Photostativ, es ist zwar etwas wackelig, aber in Kombination mit dem Campingstuhl (ein richtiger Astro-Beobachtungsstuhl wäre hier wohl noch besser) kann man doch recht gut beobachten, wenn einem auch der gerade Einblick vor Allem in Richtung Zenit etwas den Spass verderben kann. Aber dafür kann das Stativ schliesslich nix. Bald kam ich auf den Trichter, das dritte Stativbein 20 cm länger als die beiden anderen auszuziehen, so "neigt sich" Stativ mit Glas schön über den sitzenden Beobachter; man muss sich nur ordentlich flach in den Stuhl flätzen, um auch weiter über dem Horizont angenehm und ohne Genickstarre beobachten zu können.
    Nach dieser eher technischen Ouvertüre gings an echte Gucken. M36, M37 und M38 im Fuhrmann wurden sauber in feinste Sterne aufgelöst, wo ich im 10X50 bisher nur Wattebäusche sehen durfte. Vom Reflexionsnebel in den Plejaden war allerdings nichts zu sehen. Die Gegend um Alpha Persei wunderbar aufgelöst in viele viele Einzelsterne, M44 im Krebs füllt die zwei Okulare, hübscher als jede Weihnachtsbeleuchtung. M81 und M82 sind auf Anhieb gefunden und zeigen tatsächlich Strukturen, ein dicker Wattebausch mit angedeuteten Spiralarmen, daneben eine erstaunlich helle und grosse Zigarre, die bei indirektem Sehen bereits etwas ihrer chaotischen Struktur offenbart. Dann M108 und der Eulennebel gemeinsam im Blickfeld, ein hübscher kleiner Zigarillo, daneben kreisrund und deutlich das Eulengesicht, wenn auch ohne die Augen. Obwohl tief unten über dem Horizont, zeigt sich auch der Whirlpool deutlich als eiförmiges Etwas. Bin schon gespannt, was sich zeigt wenn M51 und NGC5195 höher stehen. Dann M31, M32 und M110; die Andromedagalaxie ist heute mit blossem Auge gerade so erkennbar, aber im Bino geht sie quer übers gesamte Gesichtsfeld und auch noch deutlich drüber hinaus. Die Begleiterinnen stechen förmlich ins Auge. M33 scheinbar riesengross nicht weit davon entfernt, das grosse Gesichtsfeld macht das Suchen der Objekte richtig zum Vergnügen. Spiralarme zeigen sich zwar nicht, aber der Umriss von M33 ist eindeutig; wie auf Photos. Der Nordamerikanebel ist eindeutig da, allerdings schon fast etwas zu gross. Trotzdem bin ich über die Kontrastleistung erstaunt, denn im 10" geht da ohne UHC-Filter gar nichts. Auch der Pelikan deutet sich bei indirektem Sehen an. Hatte ich bereits den eisigen Wind erwähnt? Der machte sich mehr und mehr bemerkbar. Inzwischen war auch Orion weiter über den Horizont gekrochen. M42 und M43 zeigen sich in voller Pracht, wie eine glühende Tulpenblüte. Auch der "Running Man" Reflexionsnebel NGC 1973-7 deutet sich an, als deutliche Unschärfe um die Sterngruppe nördlich von M42. Sogar "Flaming Star" NGC2024 zeigt sich ganz deutlich, bei indirektem Sehen sogar ansatzweise die chaotische Dunkelwolke, die quer davor liegt. Keine Spur dagegen vom Pferdekopf, wäre auch zu schön gewesen. Vom Konusnebel NGC2264 sehe ich bloss den Tannenbaum, der strahlt aber was das Zeug hält. Inzwischen läuft meine Nase Marathon, die Augen tränen was das Zeug hält und ich habe Angst, Stativ mitsamt Glas umzuschmeissen, weil ich die Hände kaum noch spüre. Trotzdem lässt sich alles trotz der Handschuhe recht gut handeln.....eindeutig ist diese Nacht auch ein Härtetest. Ein Scan entlang der Milchstrasse ist ein wahrer Kosmos-Spaziergang, vom Orion bis zum Schwan, Richtung Cassiopeia zeigen sich etliche Dunkelwolken, die ich bisher nur von klarsten Nächten unter Alpenhimmel oder vom Schwarzwald aus so kenne. Leider bin ich kein Spezialist dafür (für die Dunkelwolken meine ich), kann also nicht mit den Bezeichnungen aufwarten. Dafür zeigen sich NGC 7822 und NGC 7762, was mir mit 10" noch nie gelang. Kein Wunder auch bei den grossen Ausdehnungen. Inzwischen übermütig geworden stochere ich im Pegasus nach NGC 7331, aber ohne Erfolg. Wahrscheinlich liegts auch an meinen Füssen, denn die sind inzwischen taub vor Kälte. Und mit kalten Füssen sieht man ja bekanntlich nichts. Nach kurzer und erfolgloser Suche nach Komet Machholz muss ich jetzt endgültig aufgeben. Hatte ich schon geschrieben wie's gewindet hat.......?
    Hoppla, der Bericht wurde jetzt etwas länger, hat Euch aber trotzdem nicht gelangweilt. Ich wollte aber auch ganz bewusst keinen "Testbericht" schreiben, eher einen ganz persönlichen BB mit ein paar Aussagen über das TS 25X100.
    Viele klare Nächte wünscht Euch Jürgen.


    P.S.: baldzuhn(==>)ipp.mpg.de

  • Vielen Dank für den Testbericht. Habe mir nun nach langer Überlegung auch das TS 25x100 zugelegt und kann Deine Erfahrung teilen.
    Ich hatte lange überlegt ob ich nicht lieber ein größeres Teleskop holen soll da ich schon das TS 20x80 besitze aber den meisten Beobachtungsspaß bekam ich immer durch das Fernglas. Sofort Einsatzbereit, schnelles Auffinden der Objekte und ein herrlicher Blick in den Sternenhimmel als ob man durch das Bullauge eines Raumschiffes schaut.
    Erste Testnacht bei leider fast Vollmond überzeugten mich sofort.
    Orionnebel schön strukturiert bei aufgelösten Trapez und nadelfeinen Sternen. Saturn mit Ring getrennt und einen auffällig hellen Titanmond. Geblendet war ich bei einem Blick zum Mond von der Lichtstärke.
    Mizar auch getrennt wobei der helle Mizar etwas überstrahlt.
    Die Plejaden ein herrlicher Anblick. Gegenüber dem 20x80 treten nun
    die schwächeren Sterne viel heller hervor. Die Schärfe und Auflösungsfähigkeit ist auch nochmals besser gegenüber dem schon sehr guten 20x80 Glas. Hier wirkt sich wohl auch die etwas höhere Vergrößerung von 25fach positiv aus bei immer noch großen Gesichtsfeld. Der Farbfehler ist viel geringer als ich dachte, nur die allerhellsten Sterne wirken etwas blau und nicht so nadelfein wie die schwächeren. Eine negative Randunschärfe ist mir garnicht aufgefallen. Da müßte man vieleicht extra daraufhin achten. Einzig das viel größere Gewicht erfordert doch ein besseres Stativ als die einfachen Fotostative. Hier habe ich mir das Manfrotto 055 + MA141 RC Neigekopf
    bestellt welches für 6kg ausgelegt ist. Die Fernglasgröße ist schon gewaltig, da kommt mir mein 20x80 Glas jetzt sehr leicht vor.
    Erwähnen möchte ich noch den schönen Alukoffer, der von TS mitgeliefert wurde. Damit ist das Fernglas auf Reisen sehr schön zu transportieren. Ich bin schon gespannt auf eine mondlose klare Nacht um das TS 25x100 Fernglas auch mal an schwächeren Deepskyobjekten zu testen.
    Gruß Marko

  • Hi!


    Vielen Dank für diesen Bericht. Hat Spaß gemacht, ihn zu lesen. Eine Frage habe ich: da ich "neu" bin und wenig Ahnung habe, weiß ich nicht genau, welches Fernglas du beschrieben hast. Teleskopservice bietet 2 Ferngläser in 25*100 an. War es das für 399 oder 1.399 Teuros?


    Viele Grüße
    Ingo

  • hallo baldzuhn


    cooler und toller bericht. da wünschen wir uns alle doch sofort besseres wetter. ich werde auch mal versuchen durch ein so klasse glas einen blick zu erhaschen.


    ciao christian

  • Hallo miteinander!


    Ich habe auch das TS 25x100 und bin auch sehr zufrieden damit.
    Beim ersten ausprobieren am Tag gings mir ähnlich... aufgrund des oppulenten Farbfehlers war ich fast am verzwiefeln. Komischerweise ist das aber nachts bei weitem kein so großes Problem (bei "einäugigen" stark farbzeichnenden Achromaten fällt das bei Astrobeobachtungen viel stärer auf).
    Wichtig ist die perfekte Abstimmung des Augenabstands. Im Zentrum ist der Farbfehler minimal,... und wenn der Abstand passt dann ist dieses Glas einfach vom Preis-Leistungverhältnis her unschlagbar.


    ABER: Aufpassen bei Leuten mit breitem Augenabstand (bei mir gehts grad noch) -> Besonders weit auseinander lässt sich das Fernglas nicht einstellen.[8D]

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