Profis beim Beobachten beobachtet

  • ein Bericht aus La Palma.


    Es ist drei Uhr am Nachmittag und ich mache mich auf den Weg zum Observatorium auf dem Roque de los Muchachos. Um fünf Uhr werde ich mich mit René, dem wissenschaftlichen Leiter des Gran Telescopio de Canarias treffen.



    120 Kurven bis zum Gipfel, so liebt es der Kerpener.


    Hinter Santa Cruz beginnt der Anstieg und der Druck auf den Ohren zeigt, dass es schnell aufwärts geht. Es folgt Kurve auf Kurve. Ab einer Höhe von ca. 1300m sinkt die Sicht auf gefühlte fünf Meter, ich bin in den Wolken. Hoffentlich ist das kein schlechtes Vorzeichen für die nächtliche Beobachtung. Dann kommen mir mehrere Fahrzeuge des Instituto de Astrofisica de Canarias entgegen, die Tagesschicht ist zu Ende und es geht wieder runter vom Berg. Nach einigen Dutzend weiterer Kurven erreiche ich den nördlichen Kraterrand und es klart plötzlich auf, über den Wolken kommt das William Herschel Teleskop und diverse andere kleinere Teleskope in Sicht. Jetzt sind es nur noch wenige km bis zum Eingang des Observatoriums und der Residencia. Nachdem ich die check-in Formalitäten erledigt habe und meine Essensmarke bekommen habe, werde ich schon von René erwartet und wir begeben uns in die kleine Kantine und genießen das leckere Buffet. Während des Essens steigt die Wolkengrenze bis zur Residencia, nach einem Kaffee klart es aber wieder auf und wir können auf der kurzen Fahrt zum Teleskop einen wunderschönen Sonnenuntergang über dem Wolkenmeer bewundern.


    Bevor die astronomische Dämmerung zu Ende geht und das eigentliche Beobachtungsprogramm beginnt, können wir noch einen Blick auf das Teleskop werfen. Die Kuppel ist nicht groß genug, um das Teleskop mit seinem 10,4m Hauptspiegel in Gänze betrachten zu können, man braucht schon eine "Weitwinkel-Brille" um das riesige Teleskop in seiner ganzen Pracht zu sehen. Über eine steile Treppe erreichen wir den Nasmyth-Fokus B, wo zur Zeit CanariCam, ein Instrument zur Beobachtung im Infraroten installiert ist.



    CanariCam am Nasmyth-Fokus B


    Zwei Ingenieure des IAC sind noch dabei das Instrument auszurichten. Als sich das Teleskop lautlos in Bewegung setzt, ist das für uns das Zeichen wieder herunter zu klettern, die Kalibrierung des segmentierten Hauptspiegels steht an und um Vibrationen zu vermeiden darf sich niemand mehr auf dem Teleskop befinden. Nachdem die Beleuchtung in der Kuppel nun komplett abgeschaltet wurde, kann man durch die geöffnete Kuppel die Sterne und das Band der Milchstraße sehen. Im inneren ist es jetzt so dunkel, dass wir den Weg zum Kontrollraum nur mit Hilfe einer Taschenlampe finden. Auch dort wurden mittlerweile die Rollladen herunter gelassen. Kein Streulicht soll die Beobachtungen stören.



    Der Schatten des Sekundärspiegels im Infraroten


    In der Zwischenzeit wurde eine Probeaufnahme mit CanariCam gemacht um die Ausrichtung der Kamera zu überprüfen.
    Eine solche Aufnahme kann nur bei geöffneter Kuppel, gegen den kalten Himmel gemacht werden. Die "warme" Teleskop-Struktur würde ansonsten das Bild überstrahlen und es wäre nicht genug Kontrast vorhanden. Aber schon der erste Blick auf das Ergebnis zeigt, dass die Kollimation nicht erfolgreich war: es ist deutlich zu sehen, dass der Schatten des Sekundärspiegels nicht zentriert ist. Es macht sich ein wenig Enttäuschung breit und man beschließt in der Morgendämmerung einen zweiten Anlauf zu starten...



    Der 10,4m Primärspiegel, In dem schwarzen Turm verbirgt sich der Tertiär-Spiegel


    Die für diese Nacht geplante Beobachtung wird mit dem am zweiten Nasmyth-Fokus installierten Instrument OSIRIS durchgeführt, dazu wird der Tertiär-Spiegel um 180 Grad gedreht. Eine Besonderheit von OSIRIS, einem Mehrzweck-Instrument zur Beobachtung im visuellen und nahmen infraroten Wellenlängenbereich ( 365 nm bis 1050 nm) sind die Tunable Filters. Diese Filter funktionieren ähnlich wie ein Fabry-Pérot-Etalon und können auf einen beliebigen Durchlassbereich eingestellt werden. Mit Hilfe dieser Filter soll untersucht werden ob Natrium in der Atmosphäre eines Exo-Planeten vorkommt. Noch bevor die astronomische Dämmerung zu Ende ist, hat Antonio, der Support Astronomer, mit Hilfe der im Instrument befindlichen Bogenlampen, eine Kalibrierung des Filters durchgeführt. Während der Beobachtung werden dann abwechselt Belichtungen von jeweils 15 Sekunden Dauer bei einer Wellenlänge von 589 nm bzw 566 nm durchgeführt. Das heißt es wird einmal bei der Emissionslinie des Natrium und einmal etwas daneben beobachtet.



    Der OSIRIS Kontrollbildschirm, Es wird gerade belichted


    Die gesamte Beobachtung wird über vier Stunden andauern, um sowohl den Transit des Planeten vor seinem Mutterstern selbst, als auch die Phasen vor und nach dem Transit zu erfassen. Für die Ausrichtung und Nachführung des Teleskops ist der "Telescope Operator" zuständig, in dieser Nacht ist das ein weiterer Astronom, der auch Antonio heißt. Beim IAC gibt es ein gutes Dutzend Astronomen, die jeweils in zweier Teams, für fünf Nächte in Folge die Bedienung des Teleskops übernehmen.



    Der Kontroll-Monitor zeigt unter anderem den Guiding Error


    Für Aufnahmen mit einer Belichtungszeit von weniger als 60 Sekunden kann theoretisch auf Guiding verzichtet werden, Antonio hat aber das "Slow Guiding" aktiviert, hierbei wird die an einem Arm befestigte Guide-Kamera in das Gesichtsfeld des Teleskops gebracht. Die Bewegung des so aufgenommenen Leitsterns werden dann zur Korrektur der Teleskop-Bewegung verwendet. Der auf einem Ölfilm "schwimmende" Azimut-Ring und die direkt angetriebene Elevationsachse machen dann eine Nachführung mit einem Fehler von weniger als 0,1 Bogensekunden möglich. Soll es noch genauer werden, steht noch das "Fast Guiding" zur Verfügung, wo der auf einem Hexapoden montierte Sekundärspiegel bewegt werden kann, um auch schnellere Störungen ausgleichen zu können.
    Knicole Colón und Kollegen konnten bereits 2010 mit dieser Methode die Transits der Exoplaneten TrES-2b und TrES-3b beobachten und die Helligkeitskurven mit eine Auflösung von weniger als 0,5 mmag aufnehmen. (Colón et al, 2010)



    Lichtkurven von TrES-2 bei 790.2 und 794.4 ± 2.0 nm


    Gerne wäre ich bis zum Sonnenaufgang geblieben, doch leider habe ich am nächsten Morgen um 8:00 Uhr einen Termin, so dass ich mich gegen 2:00 Uhr auf den Weg zur Residencia mache, um noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Auf dem Weg nach unter kommt mir wieder die Kolonne von IAC Fahrzeugen entgegen, die Tagesschicht auf dem Weg zur Arbeit...


    <font color="limegreen">Aus dem Einsteigerforum verschoben von Caro</font id="limegreen">


    <font color="limegreen">Bildunterschrift Lichtkurven korrigiert von Cheapy</font id="limegreen">

  • Hallo Frank,


    sehr schöner Bericht, beneidenswert, wenn man solche Kontakte und die Möglichkeiten zum Zugang zu einer solchen Einrichtung hat. Bemerkenswert finde ich, daß die Profis auch nur mit der Technik kämpfen und eine ganze Nacht ausfällt oder etwas anderes läuft als geplant, weil mal wieder die Kollimierung nicht stimmt. Ich bräuchte auch so einen technischen Assistenten, der sicherstellt, daß ich glatt und problemlos die ganze Nacht beobachten kann, das Goto läuft, die Justage stimmt, die Instrumente gewechselt werden, ... Bei den Profis ist nur alles etwas größer - auch die Probleme, selbst wenn das dieselben sind wie bei uns.


    Besten Dank nochmals und berichte doch wieder, wenn Du mal wieder da warst.


    Dietmar

  • Hallo Dietmar,


    natürlich kämpfen auch die Profis mit der Technik, es war aber nicht so, dass die ganze Nacht ausgefallen wäre. Während der Dämmerung wurde CanariCam vorbereitet (was dann schief gegangen ist), die eigentliche Beobachtung in dieser Nacht wurde dann aber mit dem zweiten Instrument OSIRIS durchgeführt. Man hat immer einen Plan B in der Schublade um je nach den aktuell herrschenden Bedingungen die Beobachtungszeit optimal zu nutzen.
    Und genau das, denke ich, ist der Unterschied zwischen Amateuren und Profis. Es wird sehr viel Aufwand darauf verwendet, so viele Nächte wie möglich für wissenschaftliche Beobachtungen zu nutzen.
    Aus der Statistik: In 2012 (Semester 2012A und 2012B) konnten insgesamt 266 Nächte für wissenschaftliche Beobachtungen genutzt werden. 22,1% der Zeit gingen wegen schlechten Wetters verloren und 12,7% wegen technischer Probleme...


    Frank


    P.S. 2012 war ein schlechtes Jahr, weil das Teleskop wegen eines Defekts des Sekundärspiegels eine Zeit lang überhaupt nicht genutzt werden konnte.


    <font color="limegreen">Tippfehler korrigiert von Cheapy</font id="limegreen">

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!