<b>1. Vorgeschichte</b>
Vor ca. 10 Jahren hatte ich ihn bereits in seinen „Arbeitsgehäuse“ (schwerstmöglicher Pappröhren- Tubus) auf dem Prüfstand. Damals hatte ich noch kein Interferometer und auch keine Ahnung wie die Produzenten eine „beschuss- und wurffeste“ Spiegellagerung realisiert haben. Da das Prüfergebnis damals gut ausgefallen war bestand keine zwingende Notwendigkeit das Teleskop zu zerlegen. Bei seinem derzeitigen Besitzer tut er Dienst in einer Hütte, montiert auf eine kräftigen parallaktischen Monti. Gewicht spielt hier keine nennenswerte Rolle.
Jetzt wollte aber der Besitzer wissen ob der Spiegel gut genug für eine professionell maßgeschneiderte Gitterohrkonstruktion auf massiver Monti geeignet ist. Wir beschlossen also den Spiegel als erstes in seinem Originaltubus meinem Prüfbunker vors Bath- Interferometer zu stellen und wie gewohnt in ROC zu prüfen.
<b>2. Daten zum Prüfling</b>
Hersteller : Fernost
Alter: 15 Jahre
nutzbarer Durchmesser: 316 mm
äußerer Durchmesser:
Brennweite: 1523 mm
Öffnungsverhältnis: 4,82
Randdicke: 43 mm
Substrat: wahrscheinlich Borsilikat
Belag: wahrscheinlich Standard Alu mit Schutzschicht
Zustand des Belages: makellos
Verschmutzungsgrad: sehr gering
<b>3. Prüfergebnis nach ca. 3 Stunden Temperaturanpassung</b>
(Die Abbildung von I-Grammen möchte ich mir im Folgenden sparen)
Weil es besonders „schön“ ist in 3D- Darstellung
<b>Bild 1</b>
Da braucht man nicht weiter zu messen. Mit ca. 2,5 lambda Wellenfrontfehler in Form von Asti hätte der Spiegel nur noch Rohlingswert. Eine zweite Messung zur Absicherung brachte auch nichts besseres.
Verständlich dass der Besitzer erst einmal schockiert war. Überzeugend trösten konnte ich ihn auch nicht, so z. B. mit folgendem: Es ist recht ungewöhnlich das ein relativ dicker Spiegel bei fast 45 mm Randdicke derart intolerablen Asti zeigt. Aber mit relativ wenig Kraftaufwand und/oder thermische Verspannung schafft man das schon. Es blieb nichts anderes übrig auf das Prüfergebnis nach ausreichendem Temperaturausgleich abzuwarten.
<b>4. Prüfung am nachfolgenden Vormittag</b>
Am Testaufbau wurde absolut nichts verändert. Die RT hatte sich über Nacht von 16°C auf ca. 14,°C verändert. Die Oberflächentemperatur am Tubus lag in Bereich 14,5 bis 14°C. Das ist nach meiner Erfahrung für Orientierungsmessungen noch tolerabel.
<b>Bild 2</b>
Der Asti war über Nacht auf ca. ½ lambda Wellenfront geschrumpft. Ansonsten schien mir die Lage mit Strehl = 0,48 incl. Asti ernst aber nicht hoffnungslos.
<b>5. Befreiung des Spiegels</b>
Natürlich hatte ich schon vorher vom Besitzer erfahren wie denn der Spiegel gelagert ist. Zur genaueren Vermessung musste der Spiegel auf jeden Fall befreit werden.
<b>Bild 3</b>
Mithilfe der abgebildeten Werkzeuge gelang das problemlos innerhalb eine ¼ Stunde.
<b>Bild 4</b>
<b>6. Endgültige Prüfung</b>
Dazu wurde der Spiegel auf einen separaten Halter hochkant mit ca. 5° Rückwärtsneigung gestellt. Dabei wird er an 2 Punkten annähernd in der Schwerebene lateral gelagert. Wg. der Dicke des Spiegels hab ich auf die sonst übliche Rollenlagerung verzichtet. Das Ganze wurde in einem Tunnel aus Alu-kaschierter Iso- Tapete eingehaust und auch die Rückseite mit einer Styroporplatte + Alufolie thermisch isoliert.
Nach ca. eintägiger Temperaturanpassung wunden 4 I-Gramme aufgenommen (Pos. 0°). Nach Drehung des Spiegels um 90 ° und weiterer 6- stündiger Temperaturanpassung wurden weitere 4 I-gramme aufgenommen, diese mittels Bildbearbeitung um 90°zurückgedreht, mit „openFringe“ im Zernike-Modus ausgewertet und über alle Zernike- Datensätze gemittelt.
<b>Bild 5</b>
Danach sieht man nur noch. PtV ca. 1/6 lambda Wellenfront an Asti. Die Stehlzahl mit S= 0,86 ist ganz klar im grünen Bereich. Rein rechnerisch würde sie bei Ausschaltung von Asti auf S= 0,90 ansteigen. Mehr Information liefern die entsprechenden MTF-Kurven.
<b>Bild 6</b>
Der Haupt- „Kontrastkiller“ist aber nicht Asti sondern die unvermeidbare Obstruktion. Das gilt genau genommenr nur für den mittleren Auflösungsbereich. Aber da war doch noch etwas, nämlich
<b>7. Rauheit oder Welligkeit</b>
Dieser Fehler kann mit der Zernike- Auswertung von relativ streifenarmen I-Grammen nicht erfasst werden. Man könnte dies auch mit Amateurmitteln zumindest näherungsweise, aber mit erheblichem Aufwand. Hier bietet sich der Einsatz der Lyot-Messung an, die Dank der Idee von Horia Costache und den neuen Phasenplättchen von Michael Koch mit wenig Aufwand möglich geworden ist. Hier möchte ich mich aus sehr praktischen Gründen auf eine Stichprobenmessung beschränken.
Zunächst ein Lyot- Bild zur Übersicht mit den wichtigsten Daten
<b>Bild 7</b>
Man darf näherungsweise annehmen dass der als besonders „rau“ erscheinende Bereich als der schlimmste Fall für den gesamten Prüfling angenommen werden kann. Ob es wirklich schlimm ist zeigt die Auswertung.
<b>Bild 8</b>
Zur Erinnerung:
TIS heißt Total Integrated Scatter oder Gesamt- Streulicht. Es ist natürlich nur das Streulicht gemeint welches von der erfassten Rauheit/Welligkeit verursacht wird. In unserem Fall sind das weniger als 1 Promille der gesamten reflektierten Lichtes. Das durch die unvermeidbare Beugung sowie der unter 6. erfassten Fehler verursachte Streulicht beträgt hier ca. als 30 % des Gesamtlichtes. 30% Streulicht ist aber 300 x mehr als 1 Promille. Da wird es schon aussichtslos diesen 1 Promille eine dominant störende Rolle bei der praktischen Nutzung des Prüflings zuzuordnen. Das gilt auch für den Fall dass ich mich hier mit der Stichprobenmessung um den Faktor 2 bis ? vertan haben sollte. Das ist auch der Grund dafür dass man in den allermeisten Fällen mit einer sauberen Zernike- Auswertung auf Basiss einfacher Interferometer wie z. B. die nach Bath, Twyman- Green oder dem PDI sehr gut zurechtkommt.
Es ist dennoch möglich quantitativ zu analysieren ob und in welchen Fällen diese 1 Promille Streulicht wegen Rauheit unter Berücksichtigung seiner besonderen Verteilung stören könnten. Dazu wird sicher noch etwas von mir kommen, aber dann in dem Thread Lyotbild – Auswertung.
Gruß Kurt