Unschärfe rausrechnen

  • Man stelle sich vor:
    Es existiert ein Teleskop, welches willentlich auf unscharf gestellt ist und man kann es nicht mehr neu einstellen (man kommt nicht physisch ran). Kann man aus einem Videostream dieses Teleskopes die Unschärfe herausrechnen, wenn man genau weiß, wie eine punktförmige Lichtquelle verzerrt werden würde?


    Ich lass das jetzt mal so wage damit ich nicht die ganzen Satellitenbauer in Verruf bringe [;)]

  • Hi Melchior,
    meines Wissens wurde das in den ersten Jahren der "Hubblekatastrophe" gemacht. Man wusste sehr genau wo der Fehler war, somit hatte ein Russe (bin mir nicht ganz sicher) mal eine Bildbearbeitung mit Korrektur für das HST entwickel. Aber eines ist Fakt, die Bilder können nicht annähernt das zeigen, was eine saubere (scharfgestellte) Optik vermag.


    Scharfe Grüße
    Bernd

  • Hm...
    Der Dr. Frank Fleischmann von OES hat da mal was gemacht - die Ergebnisse sahen sehr gut aus - er hat ein Foto von M57 gemacht was (glaube ich) mit 15cm Öfnung fast die Details zeigte wie Bilder, die heute mit einem 20" mit ner Megapixel-Selfguiding Cam gemacht werden..
    Ich hab die URL seiner HP aber nicht im Kopf.
    Mußt mal googeln..


    geschärfte Grüße


    ullrich

  • ja, so etwas kann man im prinzip "herausrechnen".


    man geht davon aus, dass das beobachtete bild B aus dem urbild U und einer aufgefalteten störung S entstanden ist.


    B = U x S


    in deinem fall ist S die point spread funktion der abbildung oder besser die psf der gestörten abbildung. diese "unschärfe" wird nun auf jedes detail in U aufgefaltet und somit im ganzen bild B verbreitet.


    um auf das urbild zu schliessen nutzt man die mathematische eigenheit, das die fouriertransformierte der faltung dem produkt der fouriertransformierten von U und S entspricht.


    FT(B) = FT( U x S ) = FT(U) * FT(S)


    diese FT's lassen sich für matrizen mittels gängiger fft techniken recht schnell berechnen. mit der gemessenen oder gut geschätzten funktion S und der inversion der FT matrizen kann man U errechnen (wenn ich keinen fehler gemacht habe [:)])


    FT(B) * FT-1(S) = FT(U)
    FT-1( FT(B) * FT-1(S) ) = U


    gruss,
    michael


    ps: für weitere details kannst du dich direkt an mich wenden, das sollten wir nicht in formeltiefe hier austauschen...

  • das Verfahren, das zu Entfaltung verwendet wird, bezeichnet man auch als


    Maximum Entropy Deconvolution


    z.B. als eine Funktion von AstroArt. Nur ist das Handling der PSF etwas umständlich. Aber wie gesagt, diese Entfaltungsprogramm kann man auch selbst schreiben.


    Wichtig ist die genaue Kenntnis der PSF - am besten durch Testbilder der fraglichen Optik, die man absichtlich unscharf gestellt hat.


    Michael

  • sehr gut [:D] ; wenn ich das gestern richtig mitbekommen habe besitzen wir nämlich diese Messergebisse, die man zur erstellung einer PSF braucht. Ich werd mal versuchen da ranzukommen. Bisher hatte leider keiner an unserem Institut Zeit sich darum zu kümmern. Das Argument war, dass hauptsächlich an der Lageregelung und weniger an der Optik geforscht wird.


    P.S.
    Gibt es für dieses Verfahren allgemein Verständliche Literatur
    (also ich hab Höhere Mathematik für Ing`s I-III gehört und grundlegende Optikkenntnisse besitze ich auch)

  • ich habe eine kleine pause genutzt, um die angesprochene max.likehood entfaltung in einem programm umzusetzen. damit wird klarer, was solch eine entfaltung leisten kann.


    http://www.schmid-koenig.de/astro/BeispielMaxLEntfaltung.jpg



    das urbild besteht aus zwei strichen. die "optik" stülpt ihre psf diesem urbild über, so dass pluss dem unvermeidbaren rauschen ein bild betrachtet wird, dass nur ansatzweise die zweiur-striche erkennen lässt. entfaltet man hieraus die bekannte psf, so kann man sich an die versteckten details ranarbeiten (5 iterationen).


    gruss,
    michael

  • und noch ein nachtrag:


    ich habe den entfaltungstechnik auf eine "reale" ccd aufnahme angewandt. diese aufnahme wurde von mir schon nachbearbeitet (unscharfe maskierung, störungen entfernen ...). dennoch kann man erkennen, die entfaltung noch etwa mehr an schärfe bringt. die artefakte der entfaltung (hintergrunds-"wiggels") halten sich auch in grenzen.



    michael

  • Hallo Michael!
    Am Montag bekomme ich voraussichtlich die Daten unseres Satelliten (es handelt sich dabei wohl um eine Doktorarbeit) und werde wohl als erstes mal die Daten sichten müssen. Gibt es eine allgemeine Vorgehensweise wie man die PSF mathematisch umsetzt? Du hattest nämlich recht aus der Matrix die mir Astroart da entgegenwirft werde ich nämlich nicht so recht schlau [:I]

  • hallo melchior,


    genau die matrixeingabe in astroart brachte mich dazu ein eigenes programm zu schreiben.


    die psf bestimmt man am besten durch die wahl eines sterns auf den aufnahme, da dieser ja eben kein idealer punkt, sondern eine von der optik deformierte gauss-glocke darstellt - mit all den störungen, die zb durch eine fehlerhafte nachführung noch hinzukommen.


    dieses sternbild kann man dirrekt zur entfaltung heranziehen, oder man führt zuvro einen 2dimensionalen gaussfit an das sternbild durch. man verwendet dann diese idealisierte gaussfkt, da man so lokale bild effekte aussen vor laesst (bias, ccd rauschen, flat...).


    ich zentriere dann die gefittete glocke und stecke sie dann in die entfaltung. diese durchläuft eine iterationsschleife. da mein beispielbild schon bearbeitet wurde, würden bei zu vielen loops schnell artefakte entstehen, daher habe ich nur zwei runs verwendet.


    michael

  • Heute mal wieder eine Zusammenfassung:
    3 bemerkenswerte Dinge
    - ich habe eine CD mit einem Mondvideo unseres Satelliten
    - ich habe eine Dokumentation und den Hinweis, dass die PSF, welche im Rahmen der Studienarbeit 1996 im DLR-Adlershof vermessen wurde, in einer Exeldatei abgelegt ist (die ich nur noch finden muss...)
    - ich habe einen Virus, der mein System zerschossen hat und meinen Ersatzcomputer an den Rand des Wahnsinns treibt [}:)]


    Wie dem auch sei; wenn mein Computer wieder läuft geht es los.


    BTW. um mal eine Vorstellung von der Unschärfe zu bekommen; die Sterne werden hierbei auf 20!!! Pixel verschmiert *grr* und das verwendete Objektiv hat in der PSF 3! Intensitätsmaxima anstelle von einem. Naja schaun wir mal was daraus wird.

  • Hallo,
    ich habe gerade erst diesen Beitrag gefunden und mit Interesse gelesen, allerdings ist das mit den Fouriertransformierten schon einige Jahre her. Da stellt sich mir jetzt folgende Frage. Wenn ich nun ein System habe bei dem ich das Ausgangsbild und das Ergebnis kenne, kann ich dann aufgrund dieser beiden "Daten" einen Korrekturfaktor ermitteln. Prinzipiell müsste es doch möglich sein bei einem Teleskop (z.B. mit CCD) welches ich mit einem bekannten Ausgangsbild verwende, eventuelle Fehler in der Justierung, dem Spiegel, des CCD's und dergleichen aufgrund dieser Daten per Software zu "optimieren". Vorrausgesetzt es ist keine Justierung der Optik möglich.
    Oder liegt der Aufwand einer solchen Optimierung weit entfernt zum Nutzen?
    Gruss Olaf

  • Erstmal willkommen im Forum und Frohe Weihnachten :)
    Ob sich die Berechnung lohnt kommt drauf an wieviel Rauschen du auf deinem Bild hast je mehr Rauschen desto mehr hast du nach der Umwandlung lustige Artefakte. Ansonsten illustrieren die Grafiken von Michael König (nach oben scrollen) ganz gut die Sache. Es ist aber auf der Erde immer besser zu versuchen den Spiegel und die Cam perfekt einzustellen anstatt an den Symptomen herumzudocktern. Ich mach das schließlich auch nur weil es sonst keine Möglichkeit gibt aktiv an den Satelliten ran zu kommen um dessen Bilder es geht.

  • ein weihnachtliches hallo an alle heilig-abend-surfer [:)]


    eine anmerkung möchjte bzgl. der problemstellung mit dem herausrechnen der pointspread funktion noch anbringen:


    der umstand, dass das beobachtete bild immer als optik + rauschen gesehen werden muss, "verhindert" eine eindeutige lösung des entfaltungsproblems. genaugenommen ist es also unmöglich exakt das urbild zu bestimmen.


    was aber möglich ist, dass man dieses urbild gut schätzen kann, d.h. dass man iterativ die entfaltung vornimmt. eine einweg-umkehrfunktion, die direkt das urbild liefert existiert nicht. sobald die reale messund das unvermeidbare rauschen beisteuert muss man den rückweg der rekonstruktion iterativ antreten.


    allerdings kann man für dieses schätzen verschiedene statistische methoden anwenden, die sich u.a. darin unterscheiden, wie leicht sie sich durch lokale minima täuschen lassen und dann die iteration "zu früh" abbrechen. andere methoden erweisen sich als stabiler und finden das "wahre" minimum der fehlerschätzenden funktion. dieses minimum beschreibt mit den zugehörigen werten das wahrscheinlichste urbild.


    so, bevor der statistiker weiter mit mir durchgeht [;)] höre ich nun aber auf, euch zu langweilen und verweise auf das wartende weihnachtsgebäck ...


    michael

  • So trotz des nahen Endes; des Semesterendes; geht es auch mit der Unschärfe voran, dank der freundlichen Erleuterungen meines Vorredners [^] habe ich mir mal die Probeversion von Atroart geschnappt und die PSF, des Teleobjektives als Rechenvorlage benutzt.
    wers nachvollziehen will hier die Mittel dazu


    Tubsat PSF


    10 Mondbilder addiert zur Rauschunterdrückung


    10 mal maximum Entropie zur Schärfung (vom Bildschirm abfotografiert da die Astroart Demo ja nicht speichern kann)



    So viel Spaß damit.


    P.S.
    Nach ende der Stressigen Prüfungszeit also etwa mitte April werde ich versuchen einen Testaufbau zu machen, um den Schärfeverlust durch die Analoge Videodatenübertragung besser quantifizieren zu können.

  • Hallo Michael, hallo Melchior.
    (Mal alle Nichtkniebohrer kurz weggucken)
    Ein sehr sehr interessanter Thread, über den ich leider viel zu
    spät zum Nachdenken gekommen bin!


    Ich brauche mal etwas Nachhilfe von euch beiden, ein paar Fragen
    stellen sich da und so spontan fällt mir selber keine Antwort ein:


    1) So weit ich das bis jetzt geschnallt habe, packst Du's in
    Matrizenform so an:


    g = Hf + n


    g = Bild,
    f = ursprüngliches Bild
    n = Rauschen
    H = PSF


    Du besorgst dir jetzt H durch einen Least-square Gaussfitt
    an einem Stern und kommst zum angenährten Urbild zurück:


    f = H^(-1) g + H^(-1) n


    Schreibt man sich's jetzt mal aus, dann sieht man aber, das im
    Fehlerterm die Rauschelemente n_i,j durch H_i,j geteilt werden.
    Nun ist bei dir z.B. H_i,j das Bildelement einer Gaussfunktion
    und somit nur im Ursprung >> 0, dann schnell fallend, während das
    Rauschen über's Bild in etwa konstant bleibt.
    Kam mir jetzt die doofe Frage: Wenn deine Gaussfunktion im Nenner steht,
    wieso explodiert der Fehlerterm dann nicht abseits des Ursprungs ?
    (Habe Nachsicht, bin Nichtstatistiker ...)


    2) Nach obiger Methode steckt der Fitt ja in der Gaussfunktion. Wieso
    muß f dann trotzdem iterativ entfaltet werden?
    Machst Du jetzt doch was anderes bei deinem selbstgestrickten Programm?


    3) Nun wissen wir alle, daß man gemeinhin immer fettere Teleskope baut. Nun nehme ich mal an,
    die Leutchen haben nicht einfach übersehen, daß man sie PSF nach obiger Überlegung auch herausfalten
    kann.
    Wieso kommt man mit der Methode eigentlich nicht über die Beugungsbegrenzung hinaus?
    Das geht mir schon eine Weile durch den Kopf ...
    Der Ullrich meint, 15cm Öffnung könnten Bilder erzeugen wie ein 20". Das glaub's ich nicht, aber mir
    fällt kein Argument ein, es zu zeigen.


    4) Nun war ich auch am überlegen - Mönsch, wenn das so hinhaut, wozu stellt man dann bei CCD Kameras
    eigentlich überhaupt scharf? Kann man denn immer auf's Urbild zurückrechnen? Welches sind die
    Voraussetzungen (nehmen wir mal Null Rauschen an) die erfüllt sein müssen und wann brechen sie
    zusammen, damit Deconvolution funktioniert?


    Argh - willkommen im Land der grauen Theorie...
    Mario

  • Hallo Melchior,
    folgende Überlegung: Wenn man weiß, dass die Objekte Punktquellen sind, mag das mit der Scharfrechnerei vielleicht funktionieren. Bei strukturierten Objekten, dazu noch mit unterschiedlichem Kontrast wird bei unscharfer Einstellung zunächst der Kontrast zwischen eng benachbarten Objekten verschwinden. Ich bin zwar nicht der große Mathematiker, aber 0 x irgendetwas bleibt immer =0[8D].
    Gruß Kurt

  • Hallo Mario II!
    Nun bei deinem Problem scheint Michael eher der Experte zu sein ich habe wiegesagt nur die Funktion von Astroart benutzt.




    Hi Kurt!
    das mit dem Informationsverlust bei kleinen Strukturen habe ich auch als Übeltäter ausgemacht allerdings. Weiß ich nicht wie große deren Anteil an dem ganzen Dilemma ist. Meine Überlegung war bisher, dass da einige Probleme hand in Hand gehen, die alle zum Verlust von Information führen. Wie gesagt Mitte April versuche ich das zu quantifizieren schon allein dafür, dass wir die Fehler beim nächsten Satelliten nicht machen. Trotzdem scheint der Allgorithmus zumindest einen Teil der unschärfe beseitigen zu können. Für mich wird das Bild jedenfalls schärfer.

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