<b>Die winzig Kleinen und die Riesengroßen</b>
Der Juli Neumond bot vielfache Beobachtungsmöglichkeiten. Fünf Nächte konnte ich nutzen, von denen drei durchschnittliche Bedingungen aufwiesen, eine vor allem bei der Transparenz sehr mäßig war, und eine, nämlich die letzte am 15.7., sehr gute Durchsicht hatte. Ich habe von verschiedenen Stellen auf der Schwäbischen Alb aus beobachtet. Im Folgenden präsentiere ich eine Auswahl meiner Beobachtungsziele, die vor allem die selten beobachteten Objekte in den Mittelpunkt stellt.
1) Die winzig Kleinen: 4 sehr kleine protoplanetarische Nebel
Henize 3-1475 (Garden Sprinkler);
MWC 922 (Red Square Nebula);
IRAS 19024+0044
IRAS 19234+1627
Dazu noch 2 kleine planetarische Nebel:
Abell 49 mit Vyssotsky (Vy) 1-4
2) Die Riesengroßen: 4 alte, große planetarische Nebel:
Sharpless 2-68;
Motch-Werner-Pakull (MWP) 1;
IPHASX J205013.7 (Ear Nebula);
Yerkes McDonald (YM) 16
<b>1. Die winzig Kleinen</b>
Dieses Beobachtungsprojekt ist experimentell. Es ging mir darum zu erkunden, was bei den ganz kleinen protoplanetarischen Nebeln visuell möglich ist. Ich habe Reiner Vogels Katalog zugrunde gelegt und darin solche Objekte ausgewählt, die nicht zu tief am Himmel stehen und die nicht nur im Infrarot leuchten, sondern auch im visuellen Bereich. So bin ich auf 4 Nebel gekommen.
<b>1.1 Henize 3-1475 (Garden Sprinkler)</b> in Oph
17 45 15
-17 56 46
Von diesem Objekt gibt es ein spektakuläres Hubble Photo, das den Namen sofort erklärt:
Der Garden Sprinkler ist mit 13,8 mag. gelistet. Er befindet sich also in Reichweite mittelgroßer Teleskope. Martin Schönball hat ihn mit 10 Zoll beobachtet. Die Gesamtlänge beträgt 10“, seine größte Breite 2,5“. Ein Artikel von M. Manteiga et al. im „Astronomical Journal“ 141 (2011) bietet einen sehr instruktiven Vergleich mit einem anderen protoplanetarischen Nebel, nämlich Minkowski 1-92, dem berühmten Fußabdruck. Bitte folgenden Link klicken, runter scrollen zu Figure 5, klicken und „High Resolution Image“ wählen:
http://iopscience.iop.org/1538-3881/141/3/80/fulltext/
Wie man in der Gegenüberstellung leicht sieht, haben beide Objekte die gleiche bi-lobale Struktur und sind auch gleich lang. Allerdings ist die schwächere Hälfte des Fußabdrucks immer noch deutlich heller als diejenige des Garden Sprinkler. Außerdem ist die hellere Hälfte des Garden Sprinkler nur halb so breit wie diejenige des Fußabdrucks, aber kaum schwächer. Der hellste Teil des Garden Sprinkler mißt ca. 4“ vom südöstlichen Rand der hellen Hälfte bis zum ersten hellen Knoten Richtung NW. Ich halte es nicht für unplausibel, diesen Knoten mit einzubeziehen, denn das Hubble Photo, auf dem er so hell herauskommt, wurde durch den Filter F555W gemacht, dessen FWHM zwischen 480 und 600nm liegt.
Was sieht man im Okular? Der Garden Sprinkler ist als knapp 14 mag helles Sternchen leicht erkennbar. Ich konnte auch sofort die Elongation in NW-SO Richtung sehen, durch die er sich von den umliegenden 14 mag Sternen sofort abhebt. Ich habe ihn bei 500x, 720x und soweit möglich 1000x beobachtet. Filter nützten nichts. Das Hauptproblem ist die Kleinheit des Objektes sowie das schlechtere Seeing an dieser niedrigen Position. Die Größe des hellsten Teils von ca. 2,5“x4“ kommt den Schwankungen des Seeings sehr nahe, wodurch es schwierig wird aus den sich bewegenden Speckles eine Struktur herauszulesen. Daher bin ich über drei Vermutungen nicht hinausgekommen.
Erstens: Die NW-SO Elongation spaltete sich gelegentlich in zwei Lichtpunkte auf. Dies könnte der Ansatz der hellen Hälfte und der erste NW Knoten sein. Überhaupt ist das elongierte Erscheinungsbild wohl nur dadurch zu erklären, daß auch dieser Knoten sichtbar wird und zum Gesamtbild beiträgt, denn der Ansatz allein müßte eher rund erscheinen. Dies würde bedeuten, daß in Momenten guten Seeings beide Lichtquellen getrennt sichtbar werden.
Zweitens: Der südöstliche Punkt nahm auf der der zweiten Lichtquelle abgewandten Seite gelegentlich eine etwas ausgedehnte, rundliche Kontur an. Dies wäre die Seite, an die der Staubtorus grenzt.
Drittens: Ab und zu hatte ich den Eindruck, daß der Ansatz der schwächeren Hälfte als sehr kleiner und schwacher Nebel sichtbar wird.
Es wäre sicher reizvoll, dieses Objekt mit großer Öffnung von einem südlicheren Standort aus zu beobachten, wo es höher Richtung Zenit aufsteigt.
<b>1.2 MWC 922 (Red Square Nebula)</b> in Serpens
18 21 15.9
-13 01 27
Hier eine Infrarot Aufnahme, die mit dem Keck Teleskop gewonnen wurde:
Image Courtesy W.M. Keck Observatory
Mit 14 mag. visuell ist auch dieser protoplanetarische Nebel in mittelgroßen Teleskopen erreichbar.
Von P. Tuthill gibt es eine schöne Präsentation, die auch die merkwürdige Rechteckform erklärt:
http://www.physics.usyd.edu.au/~gekko/redsquare.html
Die Seitenlänge des inneren, hellen Quadrates beträgt auf der Keck-Aufnahme 3“.
Im visuellen Bereich wurde dieses Hubble Photo aufgenommen, das Bruce Balick bearbeitet hat:
Hier beträgt die Seitenlänge des Objektes sogar etwa 20“, aber dies ist eben eine Langzeitbelichtung vom Weltraum aus.
MWC 922 ist ein wenig schwächer als der Garden Sprinkler, aber trotzdem leicht sichtbar als ein sternartiges Objekt. Aber sieht man ihn als Quadrat? Auch nach mehreren Beobachtungsnächten mit 500x, 720x und 1000x kann ich dies nicht sicher sagen. Die Seitenlänge von 3“ ist immer noch im Bereich der Schwankungen durch das Seeing, so daß das Bild sehr instabil war. Momentweise erschien das Objekt tatsächlich flächig, und nicht bloß wie eine verschmierte Punktquelle. Auch schien mir die Konzentration der Helligkeit zur Mitte hin weniger ausgeprägt als bei den benachbarten Sternen. Und manchmal hatte das Bild sogar gerade Kanten. Aber insgesamt waren diese Beobachtungen zu vage, um starke Behauptungen darauf zu gründen. Auch hier wäre eine Beobachtung von der Südhalbkugel aus sicher interessant.
<b>1.3 IRAS 19024+0044</b> in Aquila
19 05 02
+00 48 51
Auch hier gibt es ein Hubble Photo, das teils im orangefarbenen Licht aufgenommen wurde, teils in Infrarot:
Man nennt dieses Objekt wegen seiner 5 Lobes auch „Starfish“, doch ich finde, daß es eher einer bläulichen Motte gleicht, die am Nachthimmel fliegt. Visuell sieht man von der Motte leider nicht mehr als einen winzigen Stern, der mit 17,5 mag gelistet ist und in indirektem Sehen sporadisch aufblitzt. Aber die protoplanetarischen Nebel haben ja eine sehr kurze Lebensdauer. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis sich die Motte in einen hellen planetarischen Nebel verwandelt. Dann werden wir sie besser sehen.
<b>1.4 IRAS 19234+1627</b> in Sagitta
19 25 41
+16 33 04
Hier das Hubble Photo, aufbereitet von Bruce Balick:
Dieses ringförmige Objekt ist auf den blauen POSS II Platten gar nicht zu sehen, auf den roten aber schon. Hier kann ich nur berichten, daß ich im Okular an der entsprechenden Stelle nichts sehen konnte. Vermutlich liegt die Strahlung einfach zu stark in Richtung rot und infrarot.
<b>1.5 Abell 49 mit Vyssotsky 1-4</b> in Scutum
18 53 28
-06 28 44
Zusammen mit M 11, dem großen offenen Sternhaufen in Scutum, bilden die beiden kleinen planetarischen Nebel Abell 49 und Vyssotsky 1-4 eine attraktive Gruppe. Vom Capella Team gibt es ein sehr schönes Photo:
http://www.capella-observatory…s/PNs/Abell49AndVy1_4.htm
Wenn man unter dem Bild auf den entsprechenden Link klickt, bekommt man ein Bild mit größerem Gesichtsfeld, das M 11 einschließt.
Abell 49 ist mit seinen 35“ Durchmesser und 16,2 mag. erstaunlich schwierig. Bei 250x mit UHC-S Filter sehe ich in wenigen Momenten indirekt den ganzen Ring. Häufiger tauchen bloß Bruchstücke des Ringes auf, besonders die Partie im Norden und Nordwesten.
Dagegen sieht man den kleinen Vyssotsky 1-4 sofort und ohne Probleme als Stern. Er ist ein schönes Objekt für das Filter blinking. Ohne Filter ist er gleich hell wie der Stern, der direkt neben ihm steht. Mit UHC oder OIII Filter wird dagegen der Stern dunkler und der PN heller.
<b>2. Die Riesengroßen</b>
Bei den großen, schwachen planetarischen Nebeln spielt die Transparenz des Himmels eine sehr wichtige Rolle. Was man sich unter durchschnittlichen Bedingungen mühsam erarbeiten muß, geht bei hervorragender Durchsicht plötzlich ganz leicht von der Hand. Das ist fast ein wenig frustrierend. Wenigstens hatte ich durch die Vorbeobachtungen die Gesichtsfelder soweit kennen gelernt, daß ich mich in der sehr guten Nacht nicht mehr lange zu orientieren brauchte.
<b>2.1 Sharpless 2-68</b> in Serpens
18 24 59
+00 51 58
Größe ca. 13‘
Dies ist entweder ein großer PN mit weglaufendem Zentralstern oder ionisiertes interstellares Material, das durch einen vorbeiziehenden Stern zum Leuchten gebracht wird. Jedenfalls ist ein hellerer Bereich, der in OIII strahlt, zu unterscheiden von einer längeren Schleppe, die in HII leuchtet. Hier zwei Aufnahmen von Dean Salman, eine normale und eine invertierte, die ich präpariert habe:
Image credit: Dean Salman; http://www.sharplesscatalog.com
In der schlechten Nacht war dieses Objekt sehr schwierig. Dagegen fiel die Beobachtung in der besten Nacht viel leichter. In OIII bei 80x und 150x konnte ich zuerst den hellen Ost-West gerichteten Keil sehen und dann auch das kleine Wölkchen unterhalb des Keils. Beide habe ich in der Aufnahme dick eingekreist. Nicht in OIII, aber im UHC Filter ließ sich die in HII strahlende Schleppe weiterverfolgen, und zwar in Fortsetzung der Oberkante des Keils ein Stück weit in die gleiche Richtung und dann nach Süden abbiegend (in der Aufnahme mit dünner Linie markiert). Mit größerem Zeitaufwand hätte ich von dieser HII Schleppe sicher noch mehr herausarbeiten können.
<b>2.2 Motch-Werner-Pakull (MWP) 1</b> in Cygnus
21 17 07
+34 12 40
Größe ca. 13’x9‘
Hier ein Photo, das mit dem Keck-Teleskop gemacht wurde:
Credit statement: NOAO/AURA/NSF
In den durchschnittlichen Nächten war dieses Objekt sehr schwer. Dagegen war in der besten Nacht sogar ohne Filter bei 80x und 150x schon einiges zu sehen. Im OIII Filter zeigte sich der Mittelteil mit dem Haken im Süden und der flächigen Erstreckung nach Norden. Ebenso wurden die beiden schwach leuchtenden Felder im Osten und Westen sichtbar.
<b>2.3 IPHASX J205013.7+46 55 18 (Ear Nebula)</b> in Cygnus
20 50 05
+46 52 48
Größe ca. 6’x 3‘
Dieser bipolare planetarische Nebel ist erst im Jahr 2009 entdeckt worden. Ein sehr schönes Photo mit vielen Erklärungen gibt es bei Don Goldman:
http://www.astrodonimaging.com/gallery/display.cfm?imgID=249
Reiner Vogel hat eine interessante OIII Aufnahme:
http://www.reinervogel.net/Lar…Ear_nebula_overlayinv.jpg
Bei 150x mit OIII Filter konnte ich den senkrechten, äußeren Rand der Ohrmuschel sehen. Der Bogen am oberen Rand war ebenfalls erkennbar, aber nur knapp. Ohrläppchen konnte ich keines sehen. Auch der Rand des Ohrloches war knapp indirekt erkennbar. Er wurde aber deutlicher bei 240x und 350x mit UHC-S Filter. Dabei war das Wölkchen im Osten am ehesten wahrnehmbar, dann aber auch die Innenkante des Ost-West-Bogens und schließlich der untere Rand des Ohrloches. Das Wölkchen im Osten zeigt den Auswurf in diese Richtung an. Das entgegengesetzte Wölkchen ist auf dem Photo ebenfalls gut zu sehen, visuell aber schwieriger, weil dort ein Sternchen steht.
<b>2.4 Yerkes McDonald (YM) 16</b> in Serpens
18 54 57
+06 02 32
Größe 6’x6‘
Diesen PN habe ich in 4 von 5 Nächten versucht. Ich meine, daß er sehr schwierig aber nicht unmöglich ist. Er strahlt vor allem im roten Spektralbereich (primär NII, sekundär H-alpha).
Hier eine farbige und eine von mir bearbeitete DSS Aufnahme:
Ich habe ihn vor allem bei 150x mit UHC-S Filter beobachtet. Wenn von diesem Nebel überhaupt etwas sichtbar ist, dann die äußeren Ränder der Nordhälfte nach Osten und nach Westen hin. Ich habe sie auf dem invertierten DSS Bild mit Linien markiert. Die Sichtung war zwar sehr knapp, aber ich meine doch, diese Ränder wiederholt gesehen zu haben.
Viele Grüße
Johannes