Verhältnis visuell / Fotografie

  • Hallo Sternfreunde,


    Ralf "30sec" hat bei seinem DMK-Test zwei Mondfotos (mit 10"-Newton) gewonnen, die sehr gelobt wurden. Weil ich meinen 10-Zöller nur visuell verwende, kann ich nicht mitreden, <u><i>wie</i></u> toll die Bilder sind. Denke aber, dass diese Fotos mehr zeigen als ich jemals per Auge am Okular sehen konnte.
    Deshalb meine Frage in die Runde, ob man jetzt fotografisch dank Technik, Geduld und Können an Mond und Planeten sogar als mehr als visuell "sehen" kann? Lässt sich das in % ausdrücken?
    Ob es da nicht mal ein elektronisches Okular geben wird, das - mit geringer Verzögerung- ein gestacktes Bild liefert?


    es grüßt Lutz

  • Hallo Lutz,


    m.E. ist fotografisch bei den genannten Objekten nicht mehr abzubilden als auch visuell zu sehen ist.
    Planetenbeobachtung erfordert aber etwas Erfahrung und Geduld. Ich habe auch schon mal eine 1/4 Stunde ohne Unterbrechung am Okular gehangen und Jupiter beobachtet. Dabei habe ich immer auf die kurzen Momente ruhiger Luft gewartet, wo man dann für weniger als eine Sekunde mehr Details sehen konnte. Die Helligkeit versuche ich mit einem passenden Graufilter auf ein angenehmes Mass zu bringen.
    Bei Saturn ist mir sogar mal die Encke-Teilung im 8"-Newton geglückt. Aber dies war sicher eine meiner extremsten Beobachtungen, da passte wirklich alles.


    Gruss Heinz

  • Hallo Heinz,


    ich denke, dass Du mich <u>nicht</u> so verstanden hast, dass ich mehr Auflösung erwarte. Das begrenzt schon die Physik. Aber in bestmmten Seeing-Situationen holt womöglich die schnelle Elektronik mehr heraus als solch träges Auge! So dass ein Beobachtungsabend schon mal 3:2 für Fototechnik ausgeht. Oder gar an vielen Abenden.


    es grüßt Lutz

  • Hallo,
    ich muss mich Heinz anschließen, ich glaube nicht dass man visuell weniger sieht, aber die Fotografie hat den Vorteil:


    -dass man sie in ruhe in beliebig groß auf dem Bildschirm sieht


    -dass man genau das Bild mit dem besten Seeing eingefrohren hat, das man 5 Minuten sieht, während das Seeing innerhalb von 5 Minuten im Okular warscheinlich 95% der Zeit das Bild versaut


    -Dafür kann man visuell meist wesentlich einfacher eine höhere Vergrößerung erreichen, einfach ein anderes Okular dem Seeing entsprechend einstecken und freuen, beim Foto muss man dann schon sehr viel aufwand mit Barlow und Telekonverter oder sonstigem betreiben, hunderte bis tausende Einzelbilder filmen und dann Aufwändig nachbearbeiten.
    Vielleicht gibt es Momente, wo einem das perfekte Foto gelingt, aber es ist letzlich egal ob die Fotonen die Netzhaut oder den Sensor treffen, das Bild ist das gleiche. Ich denke die Beobachtungszeit des eingefrohrenen Einzelbilds macht hier den meisten Unterschied.
    Grüße, Wolf

  • Hallo Lutz,


    das menschliche Auge kann im Schnitt 25 Bilder pro Sekunde erfassen. Eine DMK z.B. kann bis zu 60 fps. Was bedeutet das die Änderung durch das Seeing pro Zeit geringer ist als beim menschlichen Auge. Daraus könnte man schließen das durch das schnellere sehen weniger Bildverzerrung zu Stande kommt und das Einzelbild schärfer sein kann.


    Das ist aber nur eine Annahme von mit. In der Praxis habe ich die Erfahrung gemacht das man auf Bildern nicht mehr sehen kann als visuell zu sehen ist. Andere können hier aber auch schon andere Erfahrungen gemacht haben.


    An dieser Stelle sei mal angenommen das die Bildverarbeitung ausgenommen ist. Unser Auge kann ja auch nicht nachschärfen =O)


    Grüsse
    Christian

  • Hallo Lutz,


    ich vergleiche jetzt mal folgendermaßen. Ausgehend von meinem 4" f/11 FH, den ich sehr gerne zur Mondbeobachtung und -fotografie benutze, kann ich sagen, dass ich visuell den Kopernikuskrater sehr detailiert mit sehr feinen staubkornartig wirkenden Feinstkratern umgeben sehe - das ist wirklich ein Genuß. Das sehe ich dann fotografisch nicht mehr ganz so feinzeichnend, aber nach Schärfung mit Wavelets kann man je nach Geschmack kleinere oder größere Details mehr hervorheben als sie einem visuell erscheinen. Letzteres ist dann natürlich übertrieben gehandhabt, zeigt aber, dass mit der heutigen Digitaltechnik so einiges möglich ist. Ich empfinde aber den visuellen Anblick immer noch als unschlagbar.


    Sternklare Grüße
    Alko

  • Hallo Lutz,


    m.E. wird ein 'Just in time'-Registax oder etwas Ähnliches nicht besonders gut funktionieren. Wenn nur gute Einzelbilder gezeigt werden, ist die Zeit zwischen den Bildern evtl. recht gross und die Bilder werden verrauscht sein. Stacken aller Bilder führt dazu, dass das Ergebnis nur noch unschärfer ist.
    Natürlich kann man auch automatisch die Bilder mit dem höchsten Kontrast auswählen, Stacken und autom. nachbearbeiten. Aber dann hätte man eine Diaschau und evtl. kommt innerhalb mehrerer Sekunden gar kein Moment ruhiger Luft. Dann funzt das Verfahren auch nicht.
    Für öffentliche Vorführungen wäre so etwas aber schon interessant.

  • Hallo,
    ich denke auch, daß die Fototechnik bei diesem Vergleich besser abschneidet. Schon weil nicht der Gesamteindruck gewertet wird, sondern nur die besten Momente die oft so kurz sind daß man sie so schnell nicht wahrnimmt.
    Grüße
    Wolfgang

  • Hi Lutz,
    Lass mich das Ganze mal theoretisch anschauen:
    - Ein typisches Seeing von 1" begrenzt das tatsächliche Aufösungsvermögen - das ist mit einem Teleskop von 4.5 Zoll Öffnun zu erreichen.
    - Das menschliche Auge löst typischerweise 1' auf. Beim typischen Seeing von rd. 1" ist also visuell alles oberhalb von 60-facher Vergrößerung 'leere Vergrößerung' - trotzdem ergibt sie phsiologisch oft eine angenehme Reserve für entspannteres Sehen.
    - Eine moderne Kamera hat eine Pixelgröße von 6µm - Bei F/30 hat das Teleskop das gleiche Auflösungsvermögen wie die Kamera. Jedes schnellere Teleskop (kleinere Airy-Disk) ist 'verschwendete Auflösung', die Kamera hat nämlich nicht den Vorteil der Bildbearbeitung im Gehirn...


    Kombinieren wir das ganze mal: seeingangepasst und visuell/fotografisch gleichwertig am Mond/Planeten wären also ein 114 F/30 Teleskop mit einer modernen CCD-Kamera und einem 57mm Okular. Bei besserem Seeing müsste die Öffnung und das Okular entsprechend größer sein.
    Jedes schnellere Teleskop wäre unterlegen, jedes 'längere' Okular auch - kürzere Okulare kommen physiologisch dem Gehirn etwas entgegen.
    Der einzige Vorteil der Fotografie ist hier, dass man die 'klaren Momente' einfriert und später nochmal nachverarbeitet, während das Gehirn sie nicht so schnell identifizieren und abspeichern kann.


    Anders sieht das bei DS Objekten aus - hier sorgt die längere Belichtungszeit für ein besseren S/R-Verhältnis und ermöglicht es Licht zu sammeln, das unter die visuelle Wahrnehmungsschwelle fällt.
    DS, Holger

  • &gt;das menschliche Auge kann im Schnitt 25 Bilder pro Sekunde erfassen. Eine DMK z.B. kann bis zu 60 fps.&lt;
    Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Eine DMK macht bei 60fps Artefakte, weshalb die meisten Leute sie bei 30fps benutzen. Mit irgendwelchen RGB-Filtern und f/25 kann man bei Jupiter z.B. kaum kürzer belichten als 1/30 Sekunde, weshalb man wieder bei 30 fps endet. Das ist soweit nicht nennenswert vom Auge weg.


    Man kann aber meistens nicht vor Ort mit 2 gleichartigen Fernrohren gleichzeitig webkämmen und visuell gucken, so dass ich die Frage auch müßig finde.



    Hartwig

  • Zum Verständnis der Frage muss ich noch 2 Aspekte nachtragen:


    a) meine ersten Mondfotos habe ich vor 60 Jahren gemacht und war froh, wenn sie 10% des Visuellen zeigten (deshalb meine Bewunderung der heutigen Bilder)


    b) mein jetziger fixer Standort ist leider von Holzheizern und Kaminen umzingelt, so dass das natürliche Seeing oft auch im Sommer verschlechtert wird. Jupiter z.B. sieht aus wie'n Centstück auf dem Bachgrund.


    Vielen Dank für Eure interessanten Antworten; am besten also vis. + fotogr. beobachten! Zu Zeiten, die nicht heizungsbelastet sind.



    Lutz

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    ...
    Ob es da nicht mal ein elektronisches Okular geben wird, das - mit geringer Verzögerung- ein gestacktes Bild liefert?


    es grüßt Lutz
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das "Live View"-ähnliche Tool namens "Planet Master" (TM) von SBIG, das hier geschrieben ist,
    http://www.sbig.com/sbwhtmls/STi.htm
    geht schon in die Richtung. Es zeigt kein gestacktes Bild, aber das beste (im Sinne der Schärfe) Einzelbild bisher. So muss man nicht erst warten bis man die Bilder zuhause nachbearbeitet hat.


    CS
    Heinz

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