Dunkle Materie in kollidierenden Galaxienhaufen

  • <b>Dem dunklen Universum auf der Spur
    </b>http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1038777&_wis=1


    Dieser hochinteressante Artikel von Matthias Bartelmann und Matthias Steinmetz beschäftigt sich mit dem Aufspüren Dunkler Materie mit Hilfe des Gravitationslinseneffektes.
    Das Bild S.40 zeigt sehr schön zwei Galaxienhaufen, die sich frontal durchdrungen haben, jeweils mit dem Halo der DM. Dazwischen weit weniger voneinander getrennt zwei diffuse Plasmawolken, mit "weitaus mehr Masse als in den vielen sichtbaren Galaxien". Daß sich die Galaxien samt der schwach wechselwirkenden DM im Gegensatz zum Plasma wieder ohne große gegenseitige Beeinflussung separiert haben, erscheint einsichtig. Und offenbar sind die Massenverhältnisse so (Galaxien + DM überwiegt), daß die Plasmawolken keinen ausgeprägten Gravitationslinseneffekt zeigen.
    Als Fazit wird auf die Existenz der DM geschlossen, "ohne eine spezielle Form des Gravitationsgesetzes annehmen zu müssen". Gemeint sind wohl die alternativen MOND-Theorien.
    Nun frage ich mich, wie dieses Fazit zu werten ist. DM und MOND liefern Erklärungen für die flachen Rotationskurven der Galaxien. Müßte man nicht annehmen, daß beide Hypothesen mit den gefundenen Gravitationslinseneffekten in Einklang sind? Oder liegen dazu (Galaxienhaufen-Kollisionen und Rotation von Galaxien sind natürlich nicht dasselbe) noch keine MOND-Berechnungen vor?


    Besonders interessant wird es auf der nächsten S.41, wo der Galaxienhaufen Abell 520 gezeigt ist, der ebenfalls durch die Kollision von einigen Galaxien entstanden ist. Aber hier fallen die Galaxien und das, was die Analyse des Gravitationslinseneffektes als DM postuliert, nicht zusammen! Eine Erklärung dieses erstaunlichen Befundes steht noch aus. Ich frage mich aber, ob sich hier ein Killerargument gegen MOND zusammenbraut. MOND geht statt von zusätzlicher Materie von einer wie auch immer modifizierten Gravitation aus. Wenn ich es richtig sehe,sollte es demnach keine Separierung von sichtbarer Materie und von durch den GL-Effekt angezeigter Materie geben.


    Soweit einige Überlegungen zu diesem Artikel. Für kritische Anmerkungen bin ich dankbar.


    Grüße, Günter

  • Hi GünterD,


    sorry, habe Deinen Thread erst jetzt wieder entdeckt. Wir hatten eine ähnliche Diskussion vor kurzem, und zwar hier:


    http://www.astrotreff.de/topic…4767&SearchTerms=spektrum


    Dort haben auch einige User geantwortet, die selbst auf diesem groben Gebiet forschen (ich eingeschlossen). Die Links auf die Originalarbeiten dort beziehen sich auch auf das Problem Grvitationslinsen und kollidierende Galaxienhaufen. Quintessenz (vielleicht nicht der beste Begriff in diesem Zusammenhang [;)]) ist dass man zwar mit genügend modellbauendem Aufwand Systeme wie den "Bullet Cluster" und ähnliche Objekte auch in MOND hinbekommen kann, aber das ist ja eigentlich immer so. Geht man daher nach der Prämisse "einfachstes Modell das alle Beobachtungen beschreibt", so ist das schonmal ein ziemlich überzeugender Hinweis auf die Existenz der Dunklen Materie. Abell 520 ist in dieser Hinsicht in der Tat ein noch grösseres "Problem" für MOND, denn man müsste da ja sofort dem Modell noch einen weiteren Freiheitsgrad verpassen, um dieses (und dann vermutlich nur dieses) Objekt wieder korrekt zu beschreiben...


    Viele Grüsse,
    DK

  • Hi Dominik,


    vielen Dank für den Link zu Eurer Diskussion. Es ist beeindruckend, daß hier eine ganze Reihe von Experten sind, die sich u.a. auch mit interessierten Laien abgeben, finde ich wirklich toll.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    Abell 520 ist in dieser Hinsicht in der Tat ein noch grösseres "Problem" für MOND, denn man müsste da ja sofort dem Modell noch einen weiteren Freiheitsgrad verpassen, um dieses (und dann vermutlich nur dieses) Objekt wieder korrekt zu beschreiben...
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Dann wird es wohl nicht allzu lange dauern, bis Physiker, die an MOND-Theorien arbeiten, die Gravitationslinsen Befunde von Abell 520 kommentieren werden,


    Grüße, Günter

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    <br />in dem Zusammenhang für dich vielleicht interessant:
    http://www.kosmologs.de/kosmo/…el-kroupa-vs.-simon-white


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hi Caro,


    ja, sehr interessant, den blog kannte ich nicht. Etwas erstaunt bin ich, daß Simon White offenbar die neuen Abell 520 Daten nicht aufgreift (die Anti MOND Argumente liefern), allerdings habe ich die ganze Diskussion noch nicht angehört.


    Eine Frage zu Abell 520. Offensichtlich sind die Maxima der Gravitation und somit die angenommene CDM räumlich weit getrennt von jenen der sichtbaren Materie. Nun verlaufen normalerweise Kollisionen von Galaxienhaufen offenbar ohne große gravitative Wechselwirkungen zwischen den Galaxien. Wie sähe das aber aus, wenn es zu nahen Begegnungen zentraler supermassiver schwarzer Löcher käme? Könnten die Folge weiträumige dynamische Effekte sein, die viele Galaxien aus der CDM-Wolke heraus katapultieren?


    Viele Grüße, Günter

  • Hi Günter,


    die Massen der zentralen Schwarzen Löcher sind mit maximal Milliarden Sonnenmassen mehrere hundert bist viele tausend mal kleiner als die Gesamtmassen der einzelnen Galaxien (~hundert Milliarden Sonnenmassen baryonisch und Billionen Sonnenmassen CDM). Alleine daher haben die SL auf den Verlauf der Galaxienhaufen - Kollision insgesamt einen vernachlässigbaren Einfluss.


    Viele Grüsse,
    DK

  • Hi Dominik,


    ja, das war eine Fehlspekulation, aber was könnte denn die Ursache sein, daß CDM und die Galaxien sich getrennt haben? Die Geschwindigkeiten der Galaxien müßten doch eigentlich bekannt sein. Offenbar liefern sie keinen Hinweis.


    Grüße,
    Günter

  • Hi Günter,


    wenn man sich Abell 520 genau anschaut stellt man folgendes fest:


    - Insgesamt gibt es in Galaxienhaufen einige 100 mal soviel Dunkle Materie wie Baryonen. Zudem ist die Dunkle Materie auch (weil sie Mangels Strahlung und Reibung weder Energie noch Drehimpuls leicht los wird) mit weniger überdichten Regionen "gesegnet". Naturgemäss muss man also Regionen finden in denen fast nur Dunkle Materie vorhanden ist.


    - In den Regionen die als "galaxienfrei" bezeichnet werden ist das Verhältnis normale Materie / Dunkle Materie etwa 1 / 700


    - In den Regionen die als "DM frei" bezeichnet werden jedoch immernoch etwa 1 / 60. Die Dunkle Materie überwiegt dort also immernoch, aber halt weniger als anderswo


    - Das alles kann man sich (möglicherweise, sicher ist man sich da keineswegs!) erklären indem man bedenkt dass das Gros (wiederum mehr als 80%) der normalen Materie auch nicht Sterne sind, sondern Gas in den Galaxien und zwischen ihnen. Dieses Gas sieht man auch auf den Röntgenbildern. Zwar können sich Galaxien ungehemmt durchdringen, aber das Gas streift sich dabei aufgrund der Reibung ab und verbleibt zurück während die Galaxien weiterfliegen. Mit dem Gas verlieren aber die Galaxien auch die Fähigkeit zur Bildung heller junger Sterne.


    - Im Endeffekt hat man also eigentlich nicht DM und Galaxien getrennt, sondern DM und Sternbildung. Da die Galaxien die der DM gefolgt sind keine hellen Sterne mehr machen sind sie sehr unauffällig.


    - Der Unterschied von 1 / 700 vs. 1 / 60 passt recht gut dazu dass man 80 - 90 % der baryonischen Materie abstreift.


    Viele Grüsse,
    DK

  • Hi Dominik,


    leider komme ich mit einigen Zahlen nicht klar. Sollte es nicht 7-8 mal soviel DM geben, wie baryonische Materie, von der wiederum nur ein kleiner Bruchteil zur sichtbaren Materie gerechnet wird?


    Ich will meine Frage nochmal verdeutlichen und dazu zunächst den "bullet cluster" betrachten, der im selben Artikel in SuW auf S. 40 gezeigt ist. Hier haben sich zwei Galaxienhaufen durchdrungen und alles liegt auf einer Linie. Im Zentrum die aufgrund der Reibungseffekte zurückgebliebenen beiden Plasmahaufen, außerhalb die DM mit den jeweils darin eingebetteten Galaxien. So erscheint es plausibel, denn da die DM und die Galaxien beider sich durchdringender Haufen nicht wechselwirken, gibt es keinen Grund für Richtungsänderungen.


    Anders ist es bei Abell 520. Ich interpretiere das Bild S. 41 so, daß zwei Galaxienhaufen aus NW, bzw. SO kommend sich durchdrungen haben. Im Zentrum sieht man das langgestreckte vereinigte heiße Plasma und auf gleicher Linie jeweils außerhalb die DM. Im Gegensatz zum bullet cluster sind hier aber viele Galaxien weit außerhalb der DM-Maxima, weit mehr, als innerhalb. Das ist das erstaunliche. Matthias Bartelmann hierzu: "Dieser Befund widerspricht unserer bisher für wahr gehaltenen Vorstellung, daß die DM sich in Bezug auf die Gravitation genauso verhält wie baryonische, nicht in der Form geladener Teilchen vorliegende Materie".


    Ich hatte anfgangs die Vorstellung, die "verlorenen" Galaxien wären durch einen geheimnisvollen Effekt herauskatapultiert worden, aber das ist sicherlich Blödsinn. Es wurde überprüft, daß sie tatsächlich zu Abell 520 gehören. Also müssen sie vor der Kollision noch im Gebiet der DM gewesen sein.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    - Im Endeffekt hat man also eigentlich nicht DM und Galaxien getrennt, sondern DM und Sternbildung. Da die Galaxien die der DM gefolgt sind keine hellen Sterne mehr machen sind sie sehr unauffällig.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das verstehe ich nicht zu Ende. Die Trennung von DM und Sternbildung ist schon klar, aber weshalb sollten deshalb die Galaxien kurz nach der Kollision an Leuchtkraft eingebüßt haben? Die Zahl der Sterne dürfte doch erhalten geblieben sein.


    viele Grüße,
    Günter

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