Herschelkeil oder Objektivfilter?

  • Hallo Leute,


    da ich mich auch der Sonnenbeobachtung zuwenden möchte, folgende Frage an die Aktiven.


    Was ist eigentlich für einen Refraktor ( Triplet 110/770mm ) besser zur Sonnenbeobachtung geeignet, ( Auflösung, Kontrast ), ein Herschelkeil oder Objektivfilter, Folie oder Glas?


    Reicht bei einem Herschelkeil ein Polfilter zur Lichtreduzierung oder ist das Licht nicht stark genug polarisiert? Gibt es verschiedene Typen von Herschelkeilen?


    Hat schon einer beide Varianten direkt vergleichen können?


    Viele Grüße,
    Volker

  • Hi!


    Ich kenne Baader Astrosolar-Filterfolie, einen Zeiss-Glas-Sonnenfilter (aus den 80ern, gibt's heute ja nicht mehr) und einen Baader Herschelkeil, die Keile von Intes hab ich auf einer Messe am TS-Stand schon mal in der Hand gehabt, aber nie durch geschaut.


    Die Filterfolie ist für den Preis echt okay, aber das ist ja nichts neues:-) Angeblich soll sie etwa in der selben Liga wie die gängigen Thousand-Oaks-etc.-Glasfilter spielen, die kenne ich aber nur vom Hörensagen. Aber ich hab schon oft gehört, dass Folie und die heute erhältlichen Glasfilter in einer Liga spielen sollen, und eigentlich noch nie das Gegenteil - dürfte also stimmen.


    Der Baader Herschelkeil und der Zeiss-Filter sind etwa in der selben Liga und Klassen besser als die Folie, wobei der Herschel sogar noch ein etwas kontrastreicheres Bild zeigt. Der Herschel zeigt vor allem ein rein weißes Bild, während Zeiss die Sonne gelb färbt - vor allem bei öffentlichen Führungen ist der Zeiss da im Vorteil: wenn man nur eine makellos weiße Scheibe im Teleskop sieht, glaubt einem gar keiner, dass die Sonne eingestellt ist:) Aber den Effekt kann man mit einem Orangefilter auch erreichen.
    Ohne Streulicht haben Anfänger echte Probleme zu erkennen, dass sie nicht das gesamte Gesichtsfeld sehen, sondern wirklich nur die Sonne und nichts als die Sonne.
    Im 150/2250 gefällt mir der Herschel also besser als der Filter, solange keine Öffentlichkeitsarbeit während des Sonnenminimums ansteht. Beim 80/600 hat die Filterfolie gegen den Keil eh keine Chance...


    Im Baader-Herschelkeil ist ein dunkler Graufilter hinter dem Prisma ständig eingeschraubt, der muss auch drin bleiben. Nur für die Fotografie kann man ihn durch was schwächeres ersetzen. Zusätzlich ist noch ein weiterer Graufilter nötig - ein Polfilter langt dafür und ermöglicht ein angenehm dunkles Bild mit frei einstellbarer Helligkeit. Ich hab die 2"-Variante genommen, so kann ich das Reduzierstück drehen, um die Helligkeit zu reduzieren, und muss nur wechseln, wenn ich ein 2"-Übersichtsokular drin hab. Sehr luxuriös.


    Die Intes-Keile sind im Vergleich zum Baader schnucklig (vor allem die 1,25"-Version, putzig). Baader rechtfertigt den Aufpreis schon irgendwie... Der Baader ist schon rein mechanisch viel solider und wirkt hochwertiger. Die reine Optik dürfte bei den Russen aber auch okay sein. Außerdem kann man beim Baader die 2"-Okularklemme abschrauben und durch einen T2-Adapter ersetzen. Einziges Manko: Der Adapter von 2"-Gewinde auf T2 ist beim Fotoset nicht inclusive, nur eine ganze Reihe von Graufiltern. Der Solar Continuum, der beim Kauf dabei war, ist nett, aber nicht unbedingt nötig, wobei ich zum Glück auch nicht mit Farbwerfern beobachte:-) Bei niedrigen Vergrößerungen ist er nicht schlecht, aber meist hab ich ihn draußen.


    Beim Kauf solltest Du auf den Backfocus achten, bei meinem Celestron 80/600 war ich mit dem Original-Auszug je nach Okular ziemlich am Anschlag, aber da hatte ich mit anderem 2"-Zubehör auch schon öfter Probleme. Jetzt ist ein neuer, kürzerer Okularauszug (SteelTrack) dran, und alles ist gut.


    Mehr Hersteller von Herschelkeilen fallen mir auf dem deutschen Markt nicht ein.


    Mein kleines Fazit: Der Herschel war sein Geld wert, da das Bild sogar noch einen Tick besser ist als der Zeiss-Filter vom 150/2250 und ich ihn an jedem Refraktor mit 2"-Anschluss verwenden kann - absolut zukunftssicher. Außerdem muss ich ihn nicht umständlich am Objektiv festschrauben (geht beim Zeiss über zwei Flügelschrauben) oder auf Löcher überprüfen (wie die Folie), sondern nur in den Okularauszug setze und den Polfilter ins Okularschrauben. Dank Leuchtpunktsucher (kein Telrad, der mag keine Sonne) muss ich nicht mal an den Sucher denken:-) Der Herschelkeil tut nur einmal weh (beim bezahlen), danach macht er Spaß.


    Gruß,
    Alex

  • Hallo Alex,
    besten Dank für Deine ausführlichen Infos.
    Es scheint dann so, als wenn für mich doch ein Herschelkeil besser geeignet ist.


    Ist denn beim Intes auch ein Filter fest verbaut?


    Wäre es auch möglich alternativ zum dichten Graufilter auch 2 Polfilter zu verwenden um die Lichtfülle zu minimieren?


    Viele Grüße,
    Volker

  • Hi!


    Der immer eingebaute Graufilter hat ND3, also 0,1% Transmission. Ich glaube nicht, dass da ein Polfilter mithalten kann, die meisten dümpeln bei 30-70% rum - abgesehen davon ist ein Graufilter billiger als ein zweiter Polfilter. Außerdem müssen beide Filter hinter das Prisma (sonst hast Du einen Okularfilter nachgebaut, und das geht nicht lange gut, bevor der Filter Rauchsignale abschickt), sodass Du dann wohl beide Polfilter gleichzeitig verdrehen würdest - je nach Aufbau. Keine Ahnung, was das für einen Effekt hätte. Ich würde da aber lieber keine Experimente machen.


    Wenn ich mir den Intes bei http://www.teleskop-service.de…ubsonst.htm#herrschelkeil anschaue, wird der zumindest nicht standardmäßig mit Graufilter ausgeliefert, und die Okularaufnahme sieht auch nicht so aus, als ob sie abschraubbar wäre, um einen Filter aufzunehmen. Im Zweifelsfall bei TS o.ä. mal nachfragen. Beim Baader http://www.baader-planetarium.…ne/astrsolar.htm#herschel lässt sich die komplette Okularaufnahme abnehmen, in dem Adaptergewinde sitzt der starke Graufilter und kann so nicht vergessen werden.


    Gruß,
    Alex

  • Hallo Volker,


    Ich möchte dem geschriebenen von Alex voll zustimmen, aber auch noch kurz meinen Senf dazugeben:
    Ich habe selber lange Zeit (über 10 Jahre) mit dem CZJ SFO 80 (Glasfilter) vor meinem 4" Refraktor (AS 1000/1000) beobachtet und bin dann auf die Baaderfolie umgestiegen (weil ich das Glasfilter verkauft habe, um mir ein PST zu kaufen), die 100mm statt 80mm Öffnung hat. Die Folie ist etwas schlechter im Kontrast, aber insgesamt kaum oder gar nicht schlechter.
    Vor 3 Jahren habe ich mit auf dem ATT einen Herschelkeil (CZJ) ohne Gehäuse gekauft und im Selbstbau das Ding an den Refraktor adaptiert. Wie Alex schreibt muss man noch mit einem Neutralfilter weiter Licht dämpfen, was ich mit dem ND3 von Baader mache.
    Jetzt kommt’s: ich beobachte dann aber fast ausschließlich mit dem Solar Continuum als zusätzliche Filterung im Gegensatz zu Alex. Es ist zwar gewöhnungbedürftig, wenn man ein grünes Sonnenbild hat, aber der Kontrast, besonders bei den Fackeln, ist bei meinem AS 100/1000 Objektiv viel besser und angenehmer zu beobachten. Und der Fokus ist erheblich besser einzustellen, oder vielleicht kommt die Luftunruhe nicht so zum tragen wie beim beobachten ohne Solar Continuum Filter. Alsi ich bereue den Kauf von diesem Filter nicht und möchte ihn nicht mehr missen.


    Vielleicht hilft dir das etwas weiter.
    Viele Grüße
    Arno

  • Hallo Miteinander,


    Baader- Folie ist vom Preis- Leistungsverhältnis her unschlagbar ist aber im Gegensatz zu Herschelkeil und Objektivfilter etwas rau. Es liefert daher deutlich mehr Streulicht. Objektivfilter der preisgünstigen Kategorie sind öfters nichts anderes als metallbelegte Fensterscheiben. Die kann man wegen drastischer Minderung der Abbildungsqualität vergessen.


    Für meinen 6" Schiefspiegler sowie 127 mm Refraktor benutze ich einen Herschelkeil mit zusäzlichem Graufilter ND2 und Polfilter im Filteransatz des Okulars. Das vom Herschelkeil reflektierte Nutzlicht ist überwiegend polarisiert. Durch Drehung des Okulars kann man deshalb die Bildhelligkeit in weiten Grenzen einstellen. Ohne dem Graufilter ist es aber in jeden Fall viel zu hell für vis. Beobachtung.


    Gruß Kurt

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