Beobachtung vom 1. August 2005, 2:15 bis 5:00 Uhr;
Heidelberg, Balkonien Lat.49.37/ Long.8.69
„Am Dienstag, den 13. März (1781), zwischen zehn und elf Uhr abends, als ich gerade die kleinen Sterne im Umkreis von H Geminorum beobachtete, entdeckte ich einen Stern, der wesentlich heller als die übrigen war. Überrascht von seiner ungewöhnlichen Größe verglich ich ihn mit H Geminorum und dem kleinen Stern zwischen Fuhrmann und Zwilling, und da er mir viel größer als die beiden erschien, hielt ich ihn für einen Kometen.“ Diese kleine Notiz, die der Musiker und Hobbyastronom Friederich Wilhelm Herschel am 25. April des Jahres veröffentlichte, wurde nur von Wenigen bald als Sensation erkannt: Es handelte sich um die Entdeckung des 7. Planeten unseres Sonnensystems – Uranus. Herschel hatte ihn mit einem selbstgebauten 7-Fuß-(Brennweite)-Teleskop zum ersten Mal gesichtet und später auch als Planet erkannt.
Derzeit sind Uranus und Neptun gut zu beobachten und nähern sich ihrer Opposition zur Sonne. Also raus mit meinem 6“/f9 in die frühe zweite Nachthälfte, und tatsächlich gelang mir am 1. August gegen 3:45 meine erste exakte Identifizierung von Uranus!
„Gesichtet“ hatte ich ihn schon öfter in den letzten Wochen, aber ich war mir nie sicher, ob er’s wirklich war. Erfahrenen „Huntern“ scheint es ein Kinderspiel, doch für einen Neuling unterm Nachthimmel gibt es zahllose Tücken: Arbeitet das Gerät zuverlässig? Ist die Witterung schuld? Habe ich den richtigen Himmelsabschnitt gewählt? Hätte ich beim letzten Stern nicht nach links hoppen müssen? Fragen über Fragen und oft unsichere Ergebnisse. So bin ich sicher, sowohl Neptun (bei Iota Cap.) wie auch Uranus (bei Lambda Aqu.) schon früher mal „gesehen“ zu haben: im 25mm-Plössl (56fache Vergrößerung) mit fast 1 Grad Gesichtsfeld. Nur welcher der vielen Punkte ist nun Stern gewesen, welcher der Planet? Und jeden Punkt mit 6,5mm (215x) abhoppen, wo soll das hinführen? So blieb ich mehrmals erfolglos in dem Sinne, dass ich nicht behaupten konnte, Uranus oder Neptun unumstößlich identifiziert zu haben.
Für den neuerlichen Versuch hatte ich das Glück einer guten Vorstadt-Balkonsicht (Grenzgröße bei 4,9 bis 5,2mag) und einer aktuellen Fixierung des jeweiligen Orts aus http://www.CalSKY.com (punktgespiegelte Detailkarte) und die 7mag-Übersichtskarte (Chart 13) von http://www.cloudynights.com. Die Überlegung, dass Uranus mit einer Helligkeit von ca. 5,8mag in einem Umfeld von 6,2-6,9mag-Sternen westlich von Lambda Aqu. (3,7mag) so auffallend sein müsste, dass ich ihn im Minibino 16x32, im Spektiv 25x50 oder im 6x30-Sucher des Teleskops orten könnte, erwies sich als trügerisch: Hier blieb das Objekt nämlich doch nur eines unter vielen. Der Helligkeitsunterschied jedenfalls war kaum merklich in diesen kleinen Geräten. Und doch half der Fadenkreuz-Sucher schließlich entscheidend, da er eine Sternenformation zeigte, die um einen Punkt vermehrt war gegenüber den Sternkarten. Diesen vergrößerte ich 215x und konnte ein etwas milchiges (Hochnebel?), aber letztlich scheibchenförmiges Bild sehen, dessen Farbe allerdings nichts wirklich Grünliches hatte. Die Kontrolle bei CalSKY bestätigte aber am Morgen, dass es tatsächlich Uranus gewesen war. Einen gerade noch direkt wahrnehmbaren Punkt nördlich davon, ca. 3-4’ entfernt, fand ich bei CalSKY als SAO-Stern mit 12,5mag; das ist wohl das äußerste Limit für meinen Balkon-6-Zöller - also keinesfalls ein U-Mond, die erst bei ca. 13mag überhaupt anfangen.
Nach dieser erfolgreichen Ortung wuchs meine Hochachtung vor Herschels Leistung und Sorgfalt beim nächtlichen Durchmustern des Himmels. Wer die Biografie von Heinz Gärtner („Er durchbrach die Schranken des Himmels“, Edition Leipzig) gelesen hat, wird eine ganz eigene Beziehung zu seinen ungeheuren Entdeckungen bekommen. Man kann das Buch nur empfehlen.
Neptun war mir zuvor „entwischt“: Hier hatte ich keine aktuelle Detailkarte ausgedruckt und vermutete ihn schon näher an Theta Cap. als er tatsächlich war. Ich graste ein Sternenfeld mit durchschnittlich 7-8mag-Sternen ab, aber konnte ihn nicht definitiv ausmachen: am Morgen danach sah ich bei CalSKY eine aktuelle Formation, die mir sehr bekannt vorkam und die ich sorgfältig beobachtet hatte mit 56x-112x-Vergrößerungen. Neptun war als Eckstern in einem ziemlich gleichschenkligen Dreieck darunter gewesen – aber ich habe ihn nicht als solchen erkannt. Es wäre einfacher gewesen, ein Foto zu machen von dem ganzen Feld und später das heraus zu vergrößern, was ich eigentlich gesucht, aber nicht wirklich gesehen habe. So aber muss ich noch einmal zum Skope greifen, um Neptun tatsächlich mit „eigenen Augen“, also bewusst zu beobachten und so groß zu vergrößern, wie es dann möglich sein wird.
Clear Skies
Matthias