Hallo!
<u>Ein Blick zurück</u>
Die ersten Radian kamen Ende 1998 auf den Markt. Überraschend ggb. den Naglern war das deutlich kleinere Gesichtsfeld und der auch für Brillenträger sehr angenehme Einblick. Die Größe des scheinbaren Gesichtsfeldes gab der Okularserie wohl ihren Namen: Ein Kreisbogen von einem Radiant entspricht einem Winkel von 180°/pi, also etwa 57,3°. Gelegentlich wird behauptet, diese Okulare wären die mysteriösen Nagler vom Typ 3. Obwohl es zumindest zeitlich passen dürfte (die Einführung der Radian erfolgte zeitlich zwischen den Naglern der Typen 2 und 4), glaube ich es nicht, denn alle Okulare, denen Albert Nagler seinen Namen gab, weisen ein Gesichtsfeld von 82° auf. Vielleicht hat sich ja auch ein neues 82°-Design nicht als optimal erwiesen und aus abgeänderten Entwürfen entstanden dann die Radian. Wer weiß... Die (nichtexistenten) Nagler vom Typ 3 werden wohl für immer ein Rätsel bleiben.
<u>Allgemeines</u>
Die Radian decken einen Brennweitenbereich von 3mm bis 18mm ab. Optisch bestehen die Okulare aus 6 Linsen in 4 Gruppen (8mm-18mm) bzw. 7 Linsen in 5 Gruppen (3mm-6mm) mit jeweils einem feldseitigen Telenegativelement. Der Linsenaufbau ähnelt stark den Pentax XF. Die Okulare bilden extrem scharf ab, zeigen nahezu keine Verzeichnung und bilden auch an schnellen Systemen um f/4.5 am Bildfeldrand vorbildlich ab. Der Einblick ist ähnlich angenehm wie bei den älteren Vixen LVs. Allerdings zeigen sich seitliche Abschattungen, wenn die Pupille nicht in optimaler Position über der Augenlinse steht: der sogenannte Kidney-Bean-Effekt (KBE). Bei den mir bekannten Exemplaren nimmt der KBE mit zunehmender Brennweite ab, bei 18mm Brennweite ist er kaum noch spürbar. Stellt man die verschiebbare Augenmuschel auf eine für den Beobachter optimale Höhe ein, nimmt man den KBE kaum noch wahr. Legt man dann noch das mitgelieferte Kunststoffplättchen mit zentraler Öffnung in die Augenmuschel ein (den sogenannten "pupil guide"), ist der KBE auch für Einsteiger kein Thema mehr. Es wurde noch eine neuere Serie der Okulare hergestellt, erkennbar am glatten ungummierten Gehäuse unterhalb der justierbaren Augenmuschel. Okulare der beiden Serien, die ich ausprobierte, sind <i>nicht</i> homofokal. Die Vergütung der neueren Okulare wurde m.M. nach deutlich verbessert. Alle mir bekannten Radian tragen in der Augenmuschel die Signatur "TAIWAN ROC" eingraviert. Auch preislich beeindruckten die Okulare: In einer Vehrenberg-Preisliste aus dem Jahr 1999 betrug der Preis brennweitenunabhängig stolze 698 DM, später waren sie dann z.B. im Katalog von ICS mit 269 Euro gelistet (1/2006).
<u>Orthoskopische Eigenschaften?</u>
Ich konnte einige Radian (6mm, 10mm und 18mm) lange mit den sehr guten Baader Genuine Orthos (BGOs) vergleichen. Das 6mm BGO zeigte an Jupiter nur <i>sehr</i> geringfügig mehr Details. Das 18mm BGO hatte eine leicht bessere Transmission als mein 18mm Radian der alten Serie. Das 10mm Radian (neue Serie) war dem 9mm BGO völlig ebenbürtig, natürlich war die Vergrößerung leicht unterschiedlich. Bei allen Beobachtungen machte der ermüdungsfreie Einblick spätestens nach einer Stunde den Unterschied. Die Transmissionswerte guter Orthos liegen typischerweise zwischen 96% und 98%. Hier liegen die siebenlinsigen Radian bei knapp 91%, die Sechslinser dagegen bei ca.94%. Den besten Transmissionswert erreicht das 18er mit knapp 95%!
<u>...oder doch nur noch Geschichte?</u>
Die neuen Okularserien (TV Nagler Typ 6, Ethos, Delos, DeLite) setzten schnell optisch (und auch preislich) neue Maßstäbe und ließen die Radian scheinbar rasch verschwinden. Je nach Erhaltung werden sie gebraucht so um 130 Euro angeboten, die neueren auch teurer. Sind die Radian optisch überhaupt noch zeitgemäß? Werden sie noch benutzt? Oder sind sie gar ein Geheimtipp zu diesen Gebrauchtmarktpreisen? Was meint ihr?
Salü, Volker.