Hallo allerseits,
nachdem ich letztes Jahr durch den spontanen Erwerb eines Celestron 9.25 in Bezug auf langbrennweitige Deepskyaufnahmen Blut geleckt hatte, wollte ich diese Schiene weiter ausbauen. Mir schwebte ein Instrument mit offenem Tubus und hoher Feldkorrektur vor. Mein erster Versuch, ein gebraucht erworbenes Orion Optics OMC 250, stellte sich als Fehlgriff heraus: Nicht nur musste ich offensichtliche Konstruktionsfehler beseitigen (Herstellerseitiger Support ging gegen Null !), sondern es stellte sich schlussendlich heraus, dass das Instrument wohl eher fuer den Planetenfreak und Besitzer kleiner CCDs gedacht war. In den Bildecken meines APS-C-Sensors gab es schon eine starke Koma.
Vor zwei Wochen entschloss ich mich kurzerhand, ins kalte Wasser zu springen. Ich erstand ein GSO Ritchey-Cretien von Teleskop-Service, wie es derzeit im Metalltubus angeboten wird. Ich orderte gleich noch eine Geoptiktasche dazu, um nicht von jeder Starparty eine neue Beule mitzunehmen, und einen Sterntest - nach den Erfahrungen mit dem OMC bin ich ein gebranntes Kind.
Letzten Freitag kam das gute Stueck dann an. Der 735mm lange und 15.7kg schwere Tubus war mit formschluessigen Styropor ein einer doppelten Pappkiste untergebracht - und die bei TS erfolgte Justage blieb erhalten, wie sich herausstellte.
Im Folgenden mal ein paar Detailaufnahmen:
Der Hauptspiegel besteht aus Quarzglas und ist mit einer dielektrischen 99%-Verspiegelung versehen. Der Blick auf den Hauptspiegel zeigt den RC-typischen, grossen Fangspiegel und eine Vielzahl von Blenden im Tubus, die Streulicht verringern. Hier wurde ein hoher Aufwand betrieben !
Der Tubus ist frontseitig durch einen schwarzen Kunststoffdeckel verschliessbar.
Die Rueckseite ist - wie auch der vordere Kantenschutzring - aus solidem Metall (ich nehme an, Aluminium) und mit schwarzem Schrumpflack versehen. Der 3"-Fokussierer ist mit einer grossen Ueberwurfmutter befestigt. Haupt- und Fangspiegel sind justierbar, und die Spiegelzelle hat drei eingebaute Luefter, die sich mit dem gleichen 12V-Kabel speisen lassen, wie es die EQ6 pro verwendet. Ein Batteriepack (8 x 1.5V AA/Mignon) liegt bei.
Das Blendrohr traegt ein Antireflexgewinde.
Das Instrument ist beiderseits mit einer durchgehenden Schwalbenschwanzaufnahme im Losmandy-Standard bestueckt. Ich habe diese Platten durch zusaetzliche Bohrungen modifiziert, um montierungsseitig zwei Fallschutzschrauben einzubringen und auf der anderen Seite einen Schwalbenschwanz fuer mein Leitrohr anzusetzen. Beim Abschrauben der Platten zeigte sich ihre hochwertige Verarbeitung: Sie sind rueckseitig mit eingefraesten Hohlraeumen versehen, um Gewicht zu sparen.
Erste Beobachtungen
Am Samstag (2011 Sep 10) hatte ich etwa zwei Stunden Zeit, um das Geraet auf meiner NEQ6 pro in meiner Sternwarte zu testen. Es war eine typische "technische" Nacht mit Vollmond und Durchzug von Schleierwolken.
Das Instrument kommt mit 2"-Zenitspiegel und Okularen direkt in den Fokus, da der Fokus grosszuegig weit herausgelegt ist. Hierdurch sind auch Off-Axis-Nachfuehrvorrichtungen oder Filterraeder kein Problem. Das Teleskop zeigte eine einwandfreie Justage, und auch ein "Killer-Test" mit einem LVW 3.5mm (571x!) an Atair zeigte keine Aberrationen, die vom Teleskop herruehrten. Einzig das Seeing und die atmosphaerische Refraktion zeigten sich an dem Stern, dessen intra- und extrafokale Scheibchen nahezu gleich erscheinen. Albireo zeigte im LVW13mm (154x) dank der Oeffnung helle, deutliche Farben und mit dem Speers-Waler 5-8mm (400x - 250x) liess sich Epsilon Lyra einwandfrei aufloesen. Beim Doppelhaufen h+x im Perseus fiel die gute Feldkorrektur positiv auf, die Sterne blieben bis zum Feldrand des 70-Grad 26mm (77x) Nonameokulares fein definiert.
Nachdem ich meine Augen mit dem Vollmond geroestet hatte, schraubte ich meine Canon EOS 40D an. Hier musste ich einen 2"-Extender verwenden, da der Fokus sonst zu weit draussen gelegen haette. Der Fokussierer hatte ein wenig Muehe mit der schweren Kamera, sodass ich die Friktionsschraube staerker anziehen musste. Die Feinuntersetzung des Auszugs lief nicht immer mit - ich entschloss mich, das am naechsten Tag zu justieren.
Hier ein paar Astrobilder - entstanden in einer hoechst durchschnittlichen Nacht, und die Nachfuehrung war nicht optimal. Dennoch zeigt sich das Potential dieses Fernrohrs:
Zweimal der Mond - einmal schwarzweiss, da ich mit rosaroten Monden zu kaempfen hatte. Die modifizierte 40D war nicht die erste Wahl ...
M13 - Einzelbelichtung 2.5 min mit Dunkelbildabzug, kein Flat:
h+x, 14 mal 2 min mit Dunkelbildabzug, kein Flat:
Die Sache mit der Tagblindheit
Beim Bildverarbeiten fiel mir auf, dass es bei den Deepskyfotos durch Staub verursachte Donuts gab, die die Mondaufnahme nicht zeigte:
Da sich die Donuts bei den kurzbelichteten Mondbildern nicht zeigten, muss das Licht fuer ihren Schattenwurf einen anderen Weg gegangen sein. Der detektorseitige Blick in das RC offenbart eine leichte Tagblindheit:
Bei eingezogenen Fokussierer sieht man teils am Fangspiegel vorbei. Allerdings ist das vor der Fokalebene.
In der Fokalebene siehts dann so aus:
Geht man aber an den Feldrand, sieht man wieder Licht vom Himmel am Fangspiegel vorbeigehen:
Ich habe den Test mit einer alten Film-SLR gemacht - Verschluss und Rueckwand offen:
Auf der Achse ist die Welt in Ordnung:
Im Feld zeigt sich dann etwas Licht vom Himmel:
Ecke der Kleinbilddiagonalen:
Etwa die Haelfte zwischen Mitte und Kleinbilddiagonal-Ecke:
Oberkante des Kleinbildrechtecks (Hoehe 12mm ueber Mitte):
Es zeigt sich also eine leichte Tagblindheit, die bei aufgehelltem Himmel sichtbar wird. Hier koennte herstellerseitig eine Steckblende mitgeliefert werden, die auf der Fangspiegelzelle fixiert diesen Fehler beseitigt, aber fuer visuelle Beobachtungen abnehmbar ist, um die Abschattung klein zu halten.
Fokussierer mit Sollbruchstelle
Der dreizoellige Fokussierer wirkt massig. Er ist feinfuehlig verstellbar, wobei er eine Abwandlung des Crayfordprinzips nutzt. Anstelle eines Rohres, das auf der Gegenseite mit Kugellagern gehalten wird, liegt das Rohr auf einer Seite auf einer kugelgelagerten Linearfuehrung.
Die Feinverstellung funktionierte bei starker Friktionseinstellung nicht immer. Hier das Rezept zur Einstellung dieser Friktion:
Die vier silbernen M4-Inbusschrauben werden geloest und die Achslagerung wird abgenommen:
Nach Entfernung der beiden Drehknopfe (schwarz und silbern) kommt der Feintrieb zum Vorschein. Die duenne Welle des Mikrotriebs treibt drei Kugeln an, die aussen auf einer Lagerflaeche abrollen. Ich hatte schon etliche taiwanesische Fokussierer in meiner Werkstatt, bei denen ueberall die Andruckkraft auf die Kugeln nicht stark genug war. Bei strammer Fokussierereinstellung rutscht der Mikrotrieb durch. Das laesst sich einfach beheben.
Nach Herausnehmen der Welle muss die silberne Mutter mit einem 13mm-Gabelschluessel leicht festgezogen werden. Hierzu ist hilfreich, den silbernen Drehknopf auf der Mikrotriebseite wieder anzubauen. Danach fuehlt sich der Mikrotrieb ein bisschen schwergaeniger an, aber er funktioniert auch bei strammer Einstellung !
Apropos stramme Einstellung - als ich beim Beobachten in der Sternwarte die Friktionsschraube eindrehte, um die Fokussierung gegen Durchrutschen zu sichern, gab es einen Knacklaut. Ursache war, dass die Wellenlagerung gebrochen ist !
Dieses Teil ist aus Kunststoff !
Dringende Empfehlung meinerseits: Lieber Hersteller, mach das aus Metall !
Dieses Teil, das funktionsmaessig einer hohen Belastung ausgesetzt ist, aus Kunststoff ist eine Sollbruchstelle:
Mit etwas Epoxykleber konnte ich das reparieren:
Der Fokussierer funktioniert wieder, aber er ist an diesem Punkt definitiv verbesserungswuerdig.
Fazit:
Das GSO-RC ist ein leistungsfaehiges Teleskop mit hoher Verarbeitungsqualitaet. Die Optik ist vielversprechend und das Gesamtinstrument macht einen guten Eindruck auf mich. Staende ich erneut vor der Entscheidung, wuerde ich es ohne Wenn und Aber wieder erwerben.
Einzige Kritikpunkte sind das Blendensystem und der Okularauszug. Hier koennte der Hersteller mit geringen Aufwand nachbessern.