Spiegel und Rohrfrei (lang & mit Fotos)

  • Hallo Astrotreffler,


    ich besitze seit zwei Jahren einen Skywatcher 8" f/5, den ich in der Zeit soweit umbaute, dass er eigentlich schon fast ein Eigenbau ist - bis auf den Spiegel. Da der aber eine ringförmige Zone hat, was mir beim Startest und beim Focault mit Armin Quante vor einem Jahr aufgefallen war, jedoch nicht am Himmel, wollte ich auch hier noch ansetzen. Einfach fürs Gefühl.


    Armin erklärte sich schon vor einigen Monaten bereit, den Spiegel neu zu polieren und zu parabolisieren, jedoch konnte ich mich nie durchringen, die Spiegelschicht zu entfernen. Auf dem IHT war es nun soweit. Ich hatte mit Armin verabredet, ihm den entspiegelten Spiegel dort zu übergeben und besorgte mir also - nach einem Tipp von Achim Strnad - eine Flasche Rohrfrei (Natriumhydroxid), eine Plastikwanne, Schutzhandschuhe und ein paar Lappen. Eigentlich wollte ich es zu Hause machen, doch mein Besuch beim IHT stand bis zuletzt auf der Kippe, so dass ich den ganzen Krempel kurzerhand mitnahm.


    Hier nun die Fotodokumentation der Entspiegelung auf dem IHT. Der erste Akt spielt auf dem WC des angrenzenden Gasthauses. Ich hatte mich still und leise mit Arno Schnacker und Felix Langfeldt auf den Weg gemacht, doch durch irgendeinen merkwürdigen Umstand wusste innerhalb von einer Minute der halbe Platz bescheid.




    Der Spiegel.




    Die Schutzbekleidung.




    Das Werkzeug.




    Es geht los, gleich wird sicher Rauch aufsteigen.




    Tut sich was? Nee, nichts. Soll ich Kaffee nachschütten?


    Das Zeug wirkte nicht. Ich rührte hilflos herum und schließlich bekamen die Zuschauer Zweifel an unserer Kompetenz. Bevor es richtig peinlich wurde, packte ich ein und verkündete, dass es eine Nacht lang dauern würde. Wir schleppten also die Wanne zu meinem Platz und stellten sie geschützt ab.




    Nach einigen Stunden, also mitten in der Nacht, schauten wir wieder nach, aber wie hier zu sehen ist, hatte sich absolut gar nichts getan. Gerüchte wurden laut, dass vielleicht nicht Lauge (Rohrfrei), sondern Säure (WC-Reiniger) gemeint sein könnte.




    Arno skeptisch.




    Armin auch.


    So richtig glaubten wir nicht mehr an einen Erfolg. Nach einer Weile Blabla gingen nach und nach alle ins Bett. Ein lustiger Abend war es allemal.




    Am nächsten Morgen kam dann die Überraschung. Armin entdeckte es als erster - die Spiegelschicht hatte nun doch endlich Blasen geschlagen und sich weitgehend gelöst.




    Nach dem Frühstück konnte ich sie dann schließlich in einem Stück abziehen, was nur selten gelingt. Natürlich kann man sie nicht wieder verwenden, aber ein tolles Andenken ist sie schon. So konnte ich Armin meinen Spiegelträger in letzter Minute doch noch mitgeben und hoffe nun auf eine gelungene Veredelung. Die Quarzschutzschicht der China-Spiegel scheint sehr haltbar zu sein, trotzte sie doch immerhin sechzehn Stunden lang der gesättigten Lauge.


    Achtung: Das Zeug ist ätzend. Nachmacher sollten bitte nicht vergessen, sich Schutzhandschuhe überzuziehen - kommt etwas an die Haut, unbedingt sofort abspülen! Die Augen schützen! Vorsichtig hantieren! Auch an die entstehenden Dämpfe sollte man denken - immer gut lüften! Die Mischung roch stärker nach Chlor als ein Hochleistungsschwimmer. Don't try this at home!

  • Hi Thorsten,


    uff!!!! das war ja ganz schön zeitaufwändig. Somit ist stark zu vermuten, daß jener Spiegel, den ich abgelaugt hatte keine Quarzschutzschicht hatte(im Gegensatz zu deinem). Da hatte das ablaugen nur einige Minuten gedauert.


    Mit Geduld scheint dies aber dann doch zu gehen.


    Viele Grüße


    Achim

  • Super Verfahren. Die Folie kann man dann ja sicher noch für Frühstücksbrote verwenden [:D]

  • Den hab ich gerade da ...



    möglicherweise muss man einen von Stathis Spiegeln ablaugen für diesen Fisch.

  • Hi Thorsten,


    heißer Bericht! Verstehe ich das richtig, dass Armin den Spiegel überarbeiten wird? Klingt nicht so ganz einfach, denn schließlich sollte der Spiegel ja seine Brennweite behalten, sonst kannst du bei der Gelegenheit ein neues Teleskop drumherum bauen![;)]


    Viel Erfolg und lass weiteres hören!

  • Hi Joerg,


    deine Bedenken dürften hier nicht notwendig sein. Es wird ja "nur" poliert, evtl. sogar gleich parabolisiert. In Summe wird sich eine Brennweitenänderung maximal im niedrigen mm-Bereich abspielen, das wird sicher kein Problem darstellen.


    Viele Grüße

  • Gib ihm die alte Spiegelschicht als Lehre mit.

  • Hallo!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Torsten Krahn</i>
    <br />
    Ich hatte mit Armin verabredet, ihm den entspiegelten Spiegel dort zu übergeben und besorgte mir also - nach einem Tipp von Achim Strnad - eine Flasche Rohrfrei (Natriumhydroxid)
    ...
    Das Zeug wirkte nicht. Ich rührte hilflos herum und schließlich bekamen die Zuschauer Zweifel an unserer Kompetenz.
    ...
    Die Quarzschutzschicht der China-Spiegel scheint sehr haltbar zu sein, trotzte sie doch immerhin sechszehn Stunden lang der gesättigten Lauge. Auch an die entstehenden Dämpfe sollte man denken - immer gut lüften! Die Mischung roch stärker nach Chlor als ein Hochleistungsschwimmer.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich würde eher sagen, ihr habt da einen Reiniger auf
    Hypochloritbasis erwischt. Ihr hättet aber "Rohr Frei"
    mit reinem Natriumhydroxid (und Aluminium) gebraucht.
    Nur dies erklärt eine Chlorentwicklung anstelle einer
    Wasserstoffentwicklung und die Tatsache, dass das Aluminium
    kaum aufgelöst wurde.


    Ich lese hier gerade als angebliche Inhaltsstoffe von
    "Drano Power Gel": Unter 5% Bleichmittel auf Chlorbasis, unter 5% nichtionische Tenside, unter 5% Seife. Damit bekommt man
    Aluminium nicht so gut aufgelöst, wenngleich die Lösung
    alkalisch reagieren dürfte.


    Ich verstehe gar nicht, wie sowas als Mittel gegen verstopfte
    Rohre verkauft werden kann. Das eignet sich eher zum
    Reinigen, Desinfizieren und zur Beseitigung von Schimmel.

  • Hm...ich meinte, auf der Flasche stand "Natriumhydroxid", aber das wäre wohl die Erklärung. Ich saß vorm Regal und schaute mir diverse Produkte an. Da sie alle die gleichen Inhaltsstoffe zu haben schienen, habe ich mich fürs Gel entschieden. Vielleicht hätte ich doch das Granulat nehmen sollen, von dem Felix meinte, dass es bollert und Hitze erzeugt ;)

  • Ich vermute auch, dass ihr das falsche Zeugs erwischt habt. Sonst wäre die Al-Schicht sicher nicht als Ganzes geblieben. Ich hab es mal mit 10%-iger Natronlauge gemacht und davon hier berichtet. Dort steht auch, wie Kurt es gemacht hat.


    p.s.
    Die Brennweite wird sich durch das Neupolieren maximal um 2-4 mm ändern, wenn überhaupt.

  • Hi,
    hättest viellecht das neue Drano DuoPower benutzen sollen [:D]
    Will hier aber keine Werbung machen...
    Das mit der Hitzeentwicklung vom Granulat stimmt.
    Wenn man es für Rohre nimmt und nach ca. 20min einwirkzeit ans Rohr fasst, ist es leicht erhitzt. Ich würd's garnicht erst bei Plastikrohren benutzen, aus Sicherheitsgründen.

  • Hallo!
    Bisher hatte ich angenommen (und so ist es auch hier zu lesen:
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">http://www.optikpraxis.de/proz…schichten/beschichten.htm<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">), daß die Dicke der gesamten Beschichtung
    (inklusive Siliziumdioxid-Schicht) weit unter 0.001mm liegt!
    Wie man so etwas in Händen halten kann, ist mir ein Rätsel.


    M.f.G.,
    Robert

  • Hallo Robert,


    es ist einfach nur eine Frage des Gefühls. Zudem hatte ich ja schon gut gefrühstückt ;)


    Die Beschichtung liegt hier auf meinem Schreibtisch. Ich frage mich, ob ich sie nicht hinter Glas an der Wand lagern sollte.

  • Hallo Torsten!
    Niemals würde ich es wagen an Deinem Feingefühl zu zweifeln. [:D]
    Aber dem Foto nach würde es mich wundern, wenn diese Folie
    dünner als 0.005mm ist. Haushaltsalufolien haben etwa 0.01mm.
    Falls jemand in Deiner Umgebung ein Sphärometer mit 0.001mm
    Ablesung hat, könntest Du die Dicke messen.


    Grüße,
    Robert

  • Hey Robert,


    das ist ja unglaublich. Ich habe eben mal vorsichtig meine Schieblehre rangehalten - das Zeug ist tatsächlich 0,01mm stark! Das kann jawohl nicht angehen. Was machen die denn in China auf die Spiegel? Naja, irgendwo muss der Preis ja herkommen. Bin ich froh, das Armin mir diese Scherbe vernünftig korrigiert und sie anschließend korrekt belegt werden wird. Danke für Deinen Hinweis!

  • Hallo Thorsten,


    0,01mm - hast du ne Diggi-Schieblehre oder wars eine Mikrometerschraube / Bügelmessschraube oder ist die Folie gar 0,1mm stark?


    Kannst Du den Spiegel mal Foucault-Testen ...? Vielleicht war der Fehler ja nur eine Schichtdickenschwankung *g*


    Viele Grüße
    Raphael

  • Hallo Raphael,


    ich lese ja schon lange in den Foren und daher weiss ich, dass man immer mehrere Messpunkte in die Auswertung einbeziehen sollte. Ich habe hier eine 9-Punkt-Messung doppelter Rücksichtnahme in Vorgangtrieb angewandt, die in Ihrer Genauigkeit ausreichen sollte. Bei meiner Schiebblehre handelt es sich um eine in alter Tradition getunte Eigenentwicklung. Sie liegt auf jeden Fall außerhalb aller Toleranzen, das ist mit 90%iger Genauigkeit klar! Die Folie ist definitiv hochgenau gleichmäßig gewalzt, soviel ist sicher.


    Jetzt frage ich mich nur noch, welche Art von Parabolisiereisen und welchen Klebstoff sie verwenden. Letzterer muss auf jeden Fall chlorlöslich sein - was wohl dazu führte, dass ich die Folie heil abtrennen konnte. Der Kleber verlor seine Klebwirkung gleichmäßig in einer steilen Kurve, möglicherweise natürlich logarithmisch, doch auf keinen Fall spontan, so dass er der in der Abtrennung befindlichen Folie noch eine gewisse Grundklebfestigkeit bot.

  • Hallo nochmal!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Torsten Krahn</i>
    <br />
    das ist ja unglaublich. Ich habe eben mal vorsichtig meine Schieblehre rangehalten - das Zeug ist tatsächlich 0,01mm stark!
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Das ist ja kaum zu glauben. Das bestätigt dann tatsächlich den
    eigenartigen visuellen Eindruck nach Deinen Fotos.
    Hat der Hersteller vielleicht gar den Spiegel über die
    Aluminiumabscheidung "parabolisiert"? [?]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Bin ich froh, das Armin mir diese Scherbe vernünftig korrigiert und sie anschließend korrekt belegt werden wird. Danke für Deinen Hinweis!
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wie schon ein Vorredner schrieb, würde ich den Spiegel ohne
    diese massive Aluminiumschicht jetzt erstmal genau testen.
    Denn die war dann viel dicker als üblich und dies könnte
    Fehler verursacht haben.

  • Hi!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Torsten Krahn</i>
    <br />Die Folie ist definitiv hochgenau gleichmäßig gewalzt, soviel ist sicher.
    ...
    Jetzt frage ich mich nur noch, welche Art von Parabolisiereisen und welchen Klebstoff sie verwenden.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Gewalzt und geklebt wird sie hoffentlich nicht auch noch sein [:D]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Letzterer muss auf jeden Fall chlorlöslich sein - was wohl dazu führte, dass ich die Folie heil abtrennen konnte. Der Kleber verlor seine Klebwirkung gleichmäßig in einer steilen Kurve, möglicherweise natürlich logarithmisch, doch auf keinen Fall spontan, so dass er der in der Abtrennung befindlichen Folie noch eine gewisse Grundklebfestigkeit bot.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wenn so dick Aluminium abgeschieden wurde und durch Feuchtigkeit
    die Haftung zum Glas verloren geht, weil Feuchtigkeit zwischen
    Glas und Metall gelangt, dann bekommst Du so eine kuriose Folie.
    Mir ist das auch schon passiert. Nur waren da die Metallschichten
    viel dünner. Deshalb rate ich eher zur trockenen Reinigung von
    Spiegeln.

  • Moin Astrotreffler,


    ich glaube, nun ist die Zeit gekommen, um die wahren Umstände aufzuklären.


    Die Idee mit der Folie kam uns, als wir wegen akuter Bewölkung alle zusammen unter Arnos Vordach saßen. Ich bilde mir zwar viel auf meine feinfühligen Hände ein, aber eine 0,001mm dicke Aluschicht kann ich nicht abziehen [;)]


    Bis auf die Folie ist die Geschichte aber wahr. Tatsächlich sah der Spiegel am Morgen so aus:





    Da scheint die Schutzschicht doch für eine Verzögerung zu sorgen, allerdings waren die Reste der Aluschicht schon sehr durchsichtig, was auf dem Bild nicht richtig herauskommt. Die Einwände bezüglich des falschen Rohrreinigers mögen zutreffen. Armin sagte mir gestern, dass er den Spiegel noch "nachlaugen" wird, mal sehen, wie es sich mit echter Natronlauge verhält, ich bin gespannt...

    Vielen Dank für die Rege Beteiligung bis hierher [8)]

  • Hi Torsten und sonstige "Experimentalchemiker",
    einige der Fotos lassen bei mir den Verdacht aufkommen, dass Ihr erfolgreich ein Geheimrezept ausprobiert habt. Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die mal in einer Veröffentlichung eines bekannten Filmherstellers zu lesen war. Dort ging es um den Reifungsprozess von Filmemulsionen. Dieser Prozess wurde in großen, offenen Behältern natürlich bei völliger Dunkelheit praktiziert. Es fiel auf, dass diese Emulsionen immer dann von minderer Qualität waren wenn ein bestimmter Schichtmeister in Urlaub war. Später stellte sich heraus, der Mann war Diabetiker...


    Noch etwas ernsthafter: Ich hab ebenfalls öfters mit einem "Rohrfrei"-Produkt Spiegelschichten entfernt (gatantiert ohne weitere Zugaben)
    Dabei lag die bis zum Verschwinden der Spiegelschicht zwischen wenigen Minuten und ca 20 Stunden.


    Gruß Kurt

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