Hallo zusammen,
bevor es in Vergessenheit gerät, möchte ich vom Messier-Marathon am 4./5. März berichten.
Als Platz hatten wir uns einen Berg am Nordostrand der Fränkischen Schweiz ausgesucht - ein idealer Ort, wie sich herausstellen sollte. Mit dabei waren Kathrin Paulus-Erndt (16" Newton Selbstbau), Armin Erndt (8" Newton Galaxy), die im Januar den Platz entdeckt hatten, Hans-Georg Purucker (10" Newton Meade Lightbridge, 15×45 IS (Canon), 85/502- Zeiss-Diascope 85 T*FL (20× bis 60×-Zoom)) und Ronald Stoyan (14" Newton, 10x50 Zeiss Jena Dekarem). Außerdem waren zwei Besucher dabei, die sich jedoch schon kurz nach der Dämmerung wieder verabschiedeten.
Kurz vor Sonnenuntergang waren Kathrin und Armin bereits vor Ort und fingen an aufzubauen. Jupiter bot einen beeindruckenden Auftakt - knackscharf auf hellblauem Himmelshintergrund. Die Dämmerung war spektakulär, Nebel bildete sich in den Tälern, so dass zwischenzeitlich etwas Sorge aufkam, es würde zunebeln. Tatsächlich liegt der Tafelberg jedoch wie ein Balkon über dem Umland, so dass keinerlei Gefahr bestand und es auch nicht sehr feucht war. Die Qualität des Standorts zeigte sich in der folgenden Nacht, die SQM-Werte stiegen von 21m,21 auf sagenhafte 21m,65 gegen Morgen. Die Temperatur sank auf unter -6°C.
Ganz anders als 1993, als erst am 19./20. März beobachtet wurde, gab es am Abendhimmel überhaupt keinen Stress, so dass Hans-Georg, der eine Stunde später kam, kein Problem hatte M 74 zu erwischen. Insgesamt blieb etwa eine Stunde Zeit, die Galaxie zu sehen. Auch M 77 war kein Problem. M 74 konnte ich jedoch als eines der wenigen Objekte nicht eindeutig im 10x50 sehen.
Spektakulär war das Zodiakallicht im Osten, das bis über die Plejaden hinausreichte. In Gruppen à 10 Stück wurden die nun folgenden Objekte "abgehakt". Dabei wurde M 39 vorgezogen, eigentlich war der Sternhaufen erst für den Morgenhimmel eingeplant. Nach den Galaxien im Löwen gab es die erste Zwangspause mit Tee bzw. Kaffee.
Erste Aufregung gab es beim Virgohaufen: Kathrin und Armin, die die Gegend nicht auswendig kannten und mit Telrad-Suchern operierten, fiel das Identifizieren der Galaxien schwer. Mit dem optischen Sucher und Kenntnis der Lage zueinander tat man sich wesentlich leichter. Wir hatten wie vor 18 Jahren eine Nacht mit sehr gutem Seeing erwischt, die Siamesischen Zwillinge zeigten sich beeindruckend. Auch sonst blieb viel Zeit für andere Objekte, beeindruckend war v.a. Saturn mit seinem Sturm, so dass ich eine Zeichnung machte (ebenfalls wie vor 18 Jahren, als Jupiter aufs Korn genommen wurde).
In der Folge wurden die über den Horizont gestiegenen Objekte nach einer einstündigen Pause schnell "abgeschossen": M 83 war sehr deutlich und einfach, auch im Fernglas. Die Kugelsternhaufen im Schlangenträger gelangen schnell, ebenso M 57 und M 56. Um M 27 und M 71 gab es regelrecht einen Wettbewerb, wer am schnellsten zuschlagen würde, ebenso bei M 80 und M 4. Dazwischen gab es längere Pausen.
Spätestens zu dieser Zeit war klar, dass der Standort auf dem Bergplateau ungünstig gewählt war, um den Westhorizont tief abzugrasen, weil einzelne kleine Büsche im Weg standen. In einer Hauruck-Aktion wurden deshalb alle Teleskope etwa 100m an den Ostrand des Plateaus getragen. Hier herrschte eine bemerkenswert gute Horizontsicht.
Mit dem Aufgang der Schildwolke wurde der Endspurt eingeleitet: von M 11, M 26, M 16 bis zu M 8 und M 20 konnte man die Milchstraße abfahren und in kurzer Zeit über ein Dutzend Objekte abstreichen. Hier war der optische Sucher wieder klar im Vorteil, da für den Telrad kaum Suchsterne zu finden waren. Gleichzeitig kam M 7 über den Horizont. Nach einer kurzen Verschnaufpause waren M 22 und M 28 dran, dann schon mit sehr viel Mühe M 15, der vom Füllen her aufgesucht werden musste - ohne optischen Sucher nicht zu schaffen. In einem ganz schmalen Streifen über dem Horizont setzte nun die Dämmerung ein, und die hektische Schlussphase begann genau dort. M 6 gelang nur mit Starhopping von M 7 aus. Für M 2 waren die Umgebungssterne bereits zu schwach.
Nach zwei Anläufen stellte ich per Zufall genau die richtige Stelle ein, ein kleiner matschiger Fleck war gerade so noch auszumachen. Bei M 72 und M 73 konnte das ungefähre Sternfeld noch gefunden werden, jedoch waren schon zu wenig Sterne im Hauptteleskop zu sehen, um die Position genau zu orten. M 54 und Co. im südlichen Schützen wären kurz darauf dran gewesen, es war aber schon zu hell.
Stattdessen zeigte sich Venus, und über einer scharf begrenzten Nebelschicht in den Tälern ringsum erhob sich der neue Tag. Wir sanken in die Beobachtungsstühle, tranken das fast gefrorene Abschlussbier und genossen trotz schneidender Kälte den folgenden Sonnenaufgang.
Insgesamt konnten 102 Messier-Objekte gesehen werden (1993: 103), verpasst wurden M 72, M 73, M 54, M 69, M 70, M 75, M 55, M 30. Durch den frühen Zeitpunkt im März wäre auch rechnerisch kaum mehr möglich gewesen. Der 14-Zöller mit 8x50-Sucher stellte sich als ideales Instrument heraus: beweglich, große Öffnung, ideale Hebel, akzeptable Einblickposition auch am Horizont.
In sternarmen Regionenn und zunehmender Morgendämmerung waren die Teleskope ohne optischen Sucher und mit tieferem Einblick im Nachteil. Hans-Georg schaffte 101 Objekte (M 2 nicht gesehen), Kathrin 94 Objekte und Armin 91 - eine hervorragende Leistung wenn man bedenkt, dass beide etwa ein Drittel der Objekte vorher noch nie beobachtet hatten.
Im 10x50-Fernglas gelangen bis auf M 2 und M 74 alle Objekte, also insgesamt 100. Hans-Georg beobachtete mit dem Zeiss-Spektiv insgesamt 87 Objekte bis zu M 26 - danach war für Doppelbeobachtung (Spektiv + 10") einfach keine Zeit mehr.
Die Nacht war insgesamt eine fantastische Erfahrung - es würde schon reizen, zum April-Neumond einen vergleichenden Versuch zu machen. Dabei dürften M 74 und M 77 am Abendhimmel nicht gelingen, jedoch könnte dies durch einige Objekte am Morgenhimmel kompensiert werden.
clear skies
Ronald
PS: Hat noch jemand anders letzten Neumond den Marathon versucht?