Hallo Zusammen,
gesundheitsbedingt komme ich erst heute zum sinnerfassenden Lesen dieser Ergebnisfundgrube hier!
Zunächst mal noch ein Detail. Ich habe vor einem Jahr einen Artikel fertiggestellt, der dieser Tage gedruckt wird und dafür habe ich schon vor Jahren die genormten Empfindlichkeitskurven ausgebuddelt. Sie sind schwer zu ergooglen und ich musste über mein Dateiarchiv nachsuchen - es gibt sie jedenfalls noch:
Hier finden sich genormte Kurven in 1nm nach CIE samit Quellenangabe. http://www.cvrl.org/cie.htm
Die Kurven wurde im Zuge der Verschmelzung dann unverändert ins IEEE übernommen. Einfach nur der Vollständigkeit halber, die Wikipedia-Seite hat ja z.B. nur tote Referenzen.
Zum 110er Megrez. Vorweg die Anmerkung, dass ich etwas länger als den Megrez auch den Vixen 80 L, also den hier als Referenz thematisierten 80/1200 habe. Ich halte es für sinnvoll, das verhalten beider Optiken aus meiner Beobachtersicht zu beschreiben.
Zum Megrez 110. Hier spielte in der Praxis lange Zeit eine Dezentrierung eine Rolle, die durch insgesamt drei Justageversuche immer wieder anders ausfiel (auch in Unkenntnis der mechanischen Funktion des...äh... "Justagesystems"). Kurt hat das dann mit einem, wie er meinte, glücklichen Händchen am Interferometer wieder hingebogen. Mit jenem Justagezustand hat er dann ja auch vermessen.
Die Optik zeigt an sehr hellen Sternen bereits ab ca. 30x einen Farbfehler. Allerdings kann man nicht von einem Farbsaum sprechen. Vielmehr nimmt das Auge den Stern eingefärbt wahr, letztendlich muss also etwas wie ein nicht auflösbarer Farbsaum vorliegen. Konkret spreche ich von Arkturus, der natürlich auch einiges überstrahlt. Je nach Fokus wirkt dieser grün oder rötlich/pink. Das grün ist auch so ein leichtes blaugrün, so in der Gegend eines OIII-Filters (wobei klar ist, dass dies hier eine Mischfarbe ist).
Betrachtet man hingegen H&Chi, dessen Sterne ja vergleichsweise zu anderen Objekten hell sind, fällt weder bei 2mm AP (also 55x) noch bei 5mm AP (also 22x) ein Farbfehler auf. Bei noch kleinerer AP wird die Abbildung mit Sicherheit zu dunkel, um einen Farbfehler anders als einen "grauen Kontrastverlust" wahrzunehmen.
Jupiter stellt natürlich andere Anforderungen. Hier ist es durch seine aktuelle Himmelsposition nicht leicht, genaue Angaben zu machen. Das Gerät ist meinen Beobachtungen nach bei einem grünen Farbsaum optimal fokussiert(nach Rücksprache fokussierte Karsten genauso). Dabei ein 5mm Okular, also 131x vergrößert. Der Farbsaum wird bereits durch atmosphärische Refraktion beeinflusst, ist also recht schmal. Übrigens visuell durchaus ein Nachteil, der schmale Farbsaum ist ja umso heller im Vergleich zu einem großflächigen Farbsaum. Feinfokussieren auf einen rötlichen Farbsaum ist möglich, lässt das Bild aber weniger kontrastreich wirken.
Fotografisch zeigt sich erheblich mehr Farbe, was natürlich zu erwarten ist. An Sternen überwiegt ein roter Farbsaum, was gut zur Tabelle passt.
Der 80/1200 zeig hingegen in etwa folgendes Verhalten: Ein sehr heller Stern, hier Vega, hat einen kleinen, sichtbar tief violetten Farbsaum. Es ist wohl nicht ganz zufällig, dass dieser so breit wie das Airy-Scheibchen ist, also den dreifachen Durchmesser hat. Der tiefstehende Jupiter steht meist derart im Dunst, das mangels Transparenz der Atmosphäre ein Farbfehler gar nicht sichtbar ist, abgesehen des atmosphärisch bedingten Farbversatzes. Der Mond zeigt dann allerdings genauer was Sache ist. Man erhält zunächst ein sehr farbneutrales Mondbild, findet aber einzeln beleuchtete Bergspitzen oder freistehende helle Details auf der Oberfläche gelblich verfärbt. Erst bei genauem Hinsehen zeigt sich dann im Falle der Bergspitzen, dass um diese herum wieder der schwache violette Saum zu sehen ist - da ist also das Licht geblieben, was dem Gelb zu weiß noch fehlt.
An diesem Verhalten ändert sich fotografisch praktisch nichts. Man kann es in diesem Bild bei genauem Hinsehen erkennen: http://www.svenwienstein.de/Pics/Mond_2008_06_09.jpg
Einzelne helle Details (grell beleuchtete Kraterränder) haben einen violetten Saum. Das Bild ist unskaliert und meiner Rechnung nach entspricht die Pixeldiagonale der D50 etwa dem Airy-Scheibchen bei f/15 - womit die Aufnahme natürlich undersampled ist, die Kamera bräuchte die vierfache Pixelzahl um nach den Abtasttheoremen alle Bildinformation aufzunehmen.
Die Bildästhetik bei Hochvergrößerung ist im 80/1200 FH klar besser als im 110/655 ED-Dublett. Der ED wirkt aber an feinen Details farbneutraler als der FH - er zeigt nicht den besagten "Gelbstich". Der deutliche Öffnungsunterschied bewirkt natürlich beim ED mehr sichtbares Detail im Bild, allerdings bei schwachen Kontrasten nicht in dem Maße wie vom Öffnungsunterschied her anzunehmen wäre. Bei z.B. Kugelsternhaufen spielt das jedoch eine eher geringe oder gar keine Rolle.
Damit möchte ich dazu kommen, dass ich den Thread aus verschiedenen Gesichtspunkten heraus hoch interessant finde. Zum einen aus optiktheoretischer Sicht, da hier ja einiges an Beispielrechnungen greifbar visualisiert wurde, weiterhin natürlich bezüglich der Weiterentwicklung der Vermessung und Leistungsbewertung moderner "Sonderglas-Refraktoren". Interessant ist für mich aber der Abgleich mit meinen Kaufkriterien für den 110/655 Megrez. Wunschgerät wäre tatsächlich auch ein 120/600 mit deutlich reduziertem Farbfehler gewesen. Dieses Wunschgerät sollte weder typische Billigheimer-Probleme wie Asti/Zentrierkoma haben, noch aus Zahnpastatubenblech gewickelt sein.
Optischer Leistungsanspruch war: 4° Feld bei großer AP, jedoch mit mehr Vergrößerung als der billig verfügbare 10x50 Feldstecher, da ein Widefield-Teleskop sich nicht mit beidäugigem Sehen anlegen muss. Der Megrez setzt beides um, Minimalvergrößerung ist 16x (7mm AP), 4,1° Feld sind nicht nur ein theoretischer Wert sondern mit einem 41mm Panoptic praktisch realisierbar. Ein gegenüber dem "Farbwerfer" verbesserter Farbbfehler war natürlich ein Wunsch, klar war aber, dass mit einem Zweilinser mit einem spürbaren Restfarbfehler bei hoher Vergrößerung gerechnet werden musste. Meine damalige Einschätzung nach "Bauchvergleichen" mit Laux' Spots war ich der Meinung, dass auch ein Triplett bei f/6 keine wirkliche Perfektion erreichen würde. Das haben die hiesigen Rechnungen und Aussagen relativiert. Jedoch ist für meine Anforderungen an das Gerät das Dublett eher von Vorteil, denn natürlich brauchte ich dafür weder ein Triplett zu zahlen noch zu justieren.
Aber zurück zum 120/600. Dieser ist ja wegen seiner Eigenschaften ähnlich der oben von mir geschilderten ziemlich interessant für eben den Einsatzzweck als Widefield-Gerät mit großer AP und Abstand zum "handgehaltenen" Feldstecher. Bei einem solchen Gerät kann man einen Restfarbfehler gut in Kauf nehmen, allerdings sollte man konsequenterweise den Polystrehl auch mal... naja... mesopisch rechnen angesichts des vornehmlichen Deepsky-Einsatzes.
Mir ist allerdings auch klar, dass meine Anforderungen wohl recht selten vorkommen. Die meisten Sternfreunde wollen ein Widefield-Gerät wohl auch hochtransportabel halten, während den langsameren Tripletts ja immer noch das Image "Planetengerät" anhaftet, so dass höhere Anforderungen für die Korrektur zu stellen sind und natürlich die dritte Linse effektiv ein großer Gewinn ist.
Noch ein Kommentar zur "Streelung": Die hier durchgeführte Diskussion zur Meßmethodik ist sehr Beispielhaft. Theorie und Praxis sind ganz offensichtlich zum Einklang gebracht, was Kurts Verfahren betrifft. Somit kann man dieses Meßverfahren im Ergebnis für "anerkannt" erklären. Wer sich solchen Fortschritten aus welchen Gründen auch immer sperrt, will entweder etwas anderes als Messen oder muss eben aus persönlichen Dingen heraus hinnehmen, dass er veraltet und vor allem anfechtbar misst. Aber das... ist ja nun wirklich nichts Neues.
Clear Skies
Sven