Beiträge von Joe_Malik im Thema „Kollisionen! X-Ray-Bursts!…und eine Kaulquappe ;-)“

    Hallo!


    Hier mein vermutlich letzter Bericht vor der kommenden Mondphase:


    Datum, Uhrzeit: 07. Mai 2008, 22:30 – 02:30 Uhr
    fst: + 7 mag
    Seeing: 2 (auf Schulnotenskala)
    Wetter: gelegentlich kaum störende kleine Wolken, Temp.: ca. 6 °C
    Beobachtungsort: Hohe Wand, Postl-Wiese, 920 m
    Equipment: Sky-Watcher Skyliner 200, TS WA 30 mm, Speers-Waler 17 mm, Speers-Waler 9,4 mm, TS Planetary HR 6 mm, Baader UHC-S, Baader OIII


    Objekte: NGC 3044, Abell 1367, NGC 3718 und NGC 3729, Markarian 180, UGC 10214 (Tadpole Galaxie), NGC 6027 (Seyferts Sextett), Jupiter und ein paar Standardobjekte


    Gestern trafen sich Michael ("Lateralus"), Reinhard und ich auf der Hohen Wand zum gemeinsamen Beobachtungs- und Fotoabend. Während die beiden M 106 und M 104 ablichteten, nutzte ich diese außergewöhnliche Nacht, um mich ein weiteres Mal den schwachen Funzerln zu widmen. Der Himmel war wirklich sehr transparent. Bereits den ganzen Tag über war der Himmel tiefblau und die klare Luft bot hervorragende Weitsicht. Als ich dann abends die Grenzgröße bestimmte, konnte ich (vermeintlich) zwei 6,8er in UMa problemlos halten. Ein Kontrollblick auf die Grenzgrößenkarte heute zeigte allerdings, dass einer der beiden ein 7er war. Aufgrund der relativen Leichtigkeit, mit der ich auch den 7er halten konnte, lag die visuelle Grenzgröße wohl jenseits der 7 mag-Marke. Los geht’s…


    Die Mondsichel war noch nicht ganz hinter den Baumwipfeln verschwunden, als ich mir die Edge-on-Galaxie <b>NGC 3044</b> im Sextanten vornahm. Meine Suche startete bei einem rund 6 mag-Stern zwischen Sex und Hya. Etwas weiter östlich war die Position rasch lokalisiert und nach kurzer Zeit trat indirekt recht deutlich ein kurzer schmaler Kreidestrich hervor, der bei längerer Beobachtung immer deutlicher wurde. Ich weiß nicht genau, was mich derartig an diese 11,9 mag-Galaxie fesselte, aber ich konnte mich minutenlang nicht von ihr losreißen. Es war einfach ein hinreißender Anblick.


    Nun folgte der Leo-Cluster <b>Abell 1367</b>. Die 11,8 mag helle Zentralgalaxie NGC 3842 war bald leicht westlich eines 4,5er Sterns im Leo gefunden. Der Kern dieser war deutlich erhellt. Nach wenigen Augenblicken merkte ich sodann, wie viele andere nebulöse Objekte aus dem Himmelhintergrund hervortraten. Doch leider hatte ich mir keine Karte des Leo-Clusters ausgedruckt, da ich nicht erwartet hatte, so viele Galaxien jenseits der 13 und 14 mag derart leicht zu erkennen. Beim nächsten Mal mache ich mich inklusive Karte in Abell 1367 auf die Jagd.


    Schon längere Zeit stand das Duo NGC <b>3718 + NGC 3729</b> auf meiner Beobachtungsliste, aber aus irgendeinem Grund kam es nie zu einer Beobachtung. Schade eigentlich, denn die beiden etwa 3° westlich der Kante, die aus Beta und Gamma UMa gebildet wird, gelegenen Galaxien haben wirklich was zu bieten! NGC 3718 war deutlich oval und bald sah ich auch die zwei gegenüber liegenden Ausläufer ganz schwach angedeutet. Das Staubband, das sich quer über diese ovale Scheibe zieht, konnte ich nicht erkennen. Sie ist auch im Arp-Katalog unter der Nummer 214 gelistet. NGC 3729 war deutlich unspektakulärer: Ganz einfach eine kleinere, ebenfalls ovale Galaxie.


    Der Quasar <b>Markarian 180</b> emittiert gewaltige Röntgenstrahlen-Jets, was mich zu dieser Beobachtung angespornt hat. Nicht weit des Schwanzsterns des Drachen, Lambda Dra, befindet sich ein spitzwinkliges Dreieck aus einem 10er und zwei 12er Sternen. An der oberen Kante dieses scheinbaren Dreiecks sollte Mrk 180 liegen. Und tatsächlich, bereits bei 128x war eine schwache punktuelle Aufhellung erkennbar, die zunehmend deutlicher wurde. Es ist wirklich immer wieder aufs Neue faszinierend, welche exotischen Schätze der Weltraum bietet.


    Nun kam ich zu meinem primären Ziel der heutigen Nacht: Die <b>Tadpole</b>- oder Kaulquappen-Galaxie <b>UGC 10214</b>. Bereits am Tag zuvor hatte ich sie unter 6,5er Himmel versucht, aber sie wollte sich selbst nach ausgiebigen Versuchen einfach nicht zeigen. Mit 14,4 mag und einer errechneten Kontrastreserve von 0,2 ausgehend von einem 7 mag-Himmel liegt sie aber auch schon recht nahe am Limit des Leistungsvermögens des 8“ers, zumindest was flächige Objekte betrifft. Doch heute waren die Bedingungen entschieden besser. Alsdann startete meine Suche von einem 5er Stern im Draco aus. Weiter ging es über eine Konstellation aus 8er und 9er Sternen, die mich unweigerlich an einen Becher erinnerte. Noch etwas weiter nördlich war der 8,4 mag Stern gefunden, neben dem die Kaulquappe herumschwimmen soll. Ich setzte mich entspannt auf den Beobachtungsstuhl und atmete ruhig und tief ein und aus. Ich seh nix… Doch dann plötzlich, nach minutenlangem Starren auf den schwarzen Himmel war an der korrekten Position eine unregelmäßige Aufhellung zu erahnen. Das beflügelte meine Konzentration, und nach einer weiteren gefühlten Minute wurde aus der Unregelmäßigkeit eindeutig eine äußerst schwache längliche Form. Da war sie also, die berühmte Tadpole. Michael und Reinhard zweifelten zu Beginn daran, dass sie visuell mit 8“ machbar ist, aber ich hab ihnen das Gegenteil bewiesen. [:)] Hier noch eine kleine Photoshop-Zeichnung:



    Nach diesem Erfolg sollte noch ein letztes Funzerl her: <b>NGC 6027</b>, namentlich <b>Seyferts Sextett</b>. Mit 13,2 mag scheinbarer Helligkeit war sie ein wenig leichter als die Tadpole. Östlich des Kopfes der Schlange wanderte ich über ein markantes Sterntrapez an die richtige Stelle, wo bereits im Übersichtsokular eine sehr schwache Aufhellung erkennbar war. Im 9,4 Speers-Waler trat eine mittelgroße unregelmäßige Aufhellung hervor. Nach längerer Beobachtung wurden auch einzelne helle Galaxienkerne sichtbar. Seyferts Sextett ist ja eigentlich ein Quartett, denn eine Galaxie ist zu weit entfernt um zu den vier verschmelzenden Galaxien dazuzugehören, und eine weitere vermeintliche Welteninsel ist eine gewaltige Sternwolke, die sich bei der Kollision aus einer der Galaxien gelöst hat und jetzt quasi frei im Raum schwebt.


    Zum Abschluss dieser erfolgreichen Nacht zeigte ich Michael noch ein paar Highlights des Sommers, darunter Cirrus, Ringnebel und Herkuleshaufen. Auch Jupiter, der weit im Süden heraufleuchtete, zeigte wider erwarten deutlich zwei Wolkenbänder. Danach packte ich meine sieben Sachen ins Auto und gönnte meinen kalten Händen und Füßen daheim ein heißes Bad.


    Schönen Dank fürs Lesen,
    Chris