Beiträge von Stathis im Thema „Binoptic APO 130/780 Erfahrungsbericht“

    ...oder ein Spiegelfan auf Abwegen:


    Vor ein paar Tagen war ich mitgefahren, als Frank Richardsen sein neues Binoptic "Fernglasl" von Markus Schumann abgeholt hat. Es ist ein Doppelrefraktor mit zwei 130/780 mm (f/6) TMB APO- Objektiven auf Binoptic Azimutal- Gabel und Berlebach Holzstativ.



    <font size="1"><i>Bilder von Frank Richardsen, mit freundlicher Genehmigung</i></font id="size1">


    Die Tuben aus Verbundwerkstoff sind mittels einer zentralen Alu- Schiene auf der gesamten Länge im minimalem Abstand fest miteinander verbunden – enorm verwindungssteif bei maximaler Kompaktheit. Von vorn grinsen einem die 130 mm TMB APO Objektive entgegen:



    Kernstück eines jeden Binos ist der okularseitige Einblick. Um einen genickschonenden 90° Einblick und variablen Interpupillenabstand zu ermöglichen, arbeiten hier 3 hochreflektierende Umlenkspiegel je Strahlengang in drehbaren Gehäusen. Das drehen an den Gehäusen zum einstellen des Augenabstandes erfolgt saugend schmatzend und bleibt dank einstellbarem Widersand in jeder Position stehen. Je ein 1-<font size="1">1/4</font id="size1"> Zoll Schraubfokusierer dient zur Aufnahme von normalen Astrookularen. Der Fokusierbereich ist zugunsten eines maximalen ausgeleuchteten Bildfeldes recht gering gehalten. Meinen sehr geringen Interpupillenabstand von 56 mm konnte ich problemlos einstellen und hatte sogar noch ein klein wenig Reserve. Nach oben hin sind wohl keine Grenzen gesetzt, das würde auch für einen Kuhkopf passen.


    Die Strahlengänge werden per Justierschrauben an den großen Umlenkspiegeln zur Deckung gebacht. Eine Schraube für horizontal am linken Spiegel, eine für vertikal am rechten. Das Spielchen hatte ich in 20 Sekunden raus, es ist wirklich idiotensicher. Ich machte mir sogar ein Spielchen daraus, mit den Strahlengängen hin und her zu spielen. "Dreh": Doppelbilder; "zurückdreh": 100% Überlappung; "weiterdreh": Wieder doppelt. Herrlich! Da könnte sich sogar ein notorischer Monogucker wie ich mit Binos anfreunden.


    An den Gerätedetails und im Gespräch mit dem Erbauer erkennt man, dass hier jemand von vielen Seiten mitgedacht und das Ganze schlau umgesetzt hat:
    - Stockdunkle Innenauskleidung in den Tuben und Taukappen, sehr effektive Streulichtunterdrückung in den Umlenkspiegelgehäusen
    - Taukappen lassen sich seidenweich überstülpen,
    - alles präzise verarbeitet, Edelstahlschrauben, widerstandsfähige Lackierung
    - gedrehtes Messinglaufgewicht zum Gewichtsausgleich verschiedener Okulare
    - individuell an die eigenen Okulare angepasste Fokuslage
    - Handgriff für sicheren Transport


    Leichte Abstriche sehe ich in der Azimutalgabel. Während sie im Azimut schön feinfühlig funktioniert, läuft die Höhe etwas hakelig, federt leicht zurück. Dies stört aber nur bei höherer Vergrößerung und kann durch genügendes lockern an den Höhenachsen Klemmungen minimiert werden. Durch das Laufgewicht kann das Gerät genau austariert werden, um auch bei nur sehr leichter Klemmung im Gleichgewicht zu bleiben. Als Hardcore Dobsonbauer würde ich persönlich hier eine Dobsonmontierung mit genügend großen Höhenrädern bauen, auch wenn dies ästhetisch gesehen nicht mit dem Bino harmonieren mag und Markus Schuhmann bestimmt bei dem Anblick Herz Rhythmusstörungen bekommt[:D]. Die Gesamtstabilität halte ich für ausreichend, wenn auch nicht überragend.


    Am Wochenende hatten wir Gelegenheit, das schnuckelige Fernglas für ein paar Stunden am Himmel einzuweihen.
    Bedingungen: Mitteldunkler Landhimmel 40 km vor München ca. fst. ~ 6,3 mag, Bortle 3-4, Milchstraße recht gut strukturiert bis in den Schützen verfolgbar, gute Horizontsicht. Seeing 3+ (Schulnotenskala).
    Okulare: 24 mm Panoptic (32x, 2° Gesichtsfeld), 13 mm Nagler (60x), 7 mm Nagler (111x)


    Der kaum 20° hochstehende Jupiter mit den 7 mm Naglern (110x) zeigte schon etliche Strukturen in zarten Pastelltönen in den Wolkenbändern umrahmt von 3 Monden in schönem Sternfeld. Die subjektiv empfundene Vergrößerung erschien mir höher als Monokular. Macht man ein Auge zu, verschwinden die feinsten Details, die Farbnuancen werden blasser.


    Schwenk durch die Sommermilchstraße mit den Gasnebeln im Schützen: Die 24 mm Panoptic harmonieren exzellent mit der f/6 Optik. Nadelpunktfeine Sterne über das gesamte Gesichtsfeld. Die Sternwolke M24 und die Schildwolke mit M11 ein Gefunkel wie unzählige Diamanten auf Samt; das macht Spaß! Mit dem Peilsucher gelingt es sofort, die Objekte in das 2° große Feld zu bringen. Der Lagunennebel hebt sich schön kontrastreich auch ohne Filter vom Hintergrund ab. Der Omeganebel M17 zeigt den Balken sehr hell und strukturiert, der umgebende Bogen (das Omega) ist bereits ohne Filter deutlich auszumachen. Überhaupt bin ich erstaunt, wie deutlich die Flächenhelligkeit der flächigen Objekte mit beiden Augen ansteigt: Am Hantelnebel sehe ich sofort auch ohne Filter die Ohren; die Hantel selbst sehr kräftig durchgezeichnet, man merkt das 2 Austrittspupillen gleichzeitig am Werk sind. Kneift man ein Auge zu, fällt die Sterngrenzgröße nur etwas ab, der Nebel wird aber deutlich blasser, das Bild "kriseliger", die zarten Ausläufer deutlich schwieriger zu erfasssen.


    Hoch im Norden zu M51 halb in der Münchener Stadtglocke: Trotzdem sehen wir bereits mit den 24 mm Panoptics Spiralarmansätze, die mit den 7 mm Naglern deutlicher aufzulösen sind. Auch M101 zeigt indirekt die Hauptarme. Mit den 13 mm Naglern ein schöner Anblick im Sternfeld und weiteren NGC Begleitgalaxien. Boah! 82° scheinbares Gesichtsfeld gepaart mit so einer scharfen Sternabbildung über dieses riesen Feld, das gibt’s bei keinem Bino aus Massenproduktion.


    Kaum warmgeguckt, schon steigt der Mond zunächst blutrot und später immer weißer werdend über dem Horizont. Im Bino mit den 7 mm Okularen keinerlei Farbe am Mondrand sichtbar. Ich bin ein Mondhasser, daran kann auch so eine High End Optik nichts ändern. Daher erspare ich mir weitere Beschreibungen dazu. (Anmerkung des als Hardcore-Deepsky-Beobachter bekannten Mitbeobachters: "Da haben durchaus auch Mondnächte mal ihre Berechtigung!")


    Schlussbemerkungen:
    - Den Verzicht von 2 Zoll Okularen halte ich persönlich für keine nennenswerte Einschränkung. Die 24 mm Panoptic geben 2 x 4 mm Austrittspupillen, ideal für die meisten Großfeldbeobachtungen. Mit z.B. den 32 mm Plössl könnte man AP= 5,3 mm realisieren, vielleicht eine Option für ultraschwache großflächige Objekte unter Alpenhimmel. Der obere Vergrößerungsbereich wird nur durch die Physik selbst beschränkt.
    - Mit dem aufrechten aber spiegelverkehrten Bild hätte ich meine Anfangsschwierigkeiten beim Aufsuchen von schwierigen Objekten per Karte. Andere haben damit weniger Probleme, ist ja auch nicht anders als z.B. beim Refraktor oder Cassegrain mit Zenitspiegel.
    - Das Preis- Leistungsverhältnis und die Folgekosten für Okular und Filter- Pärchen muss jeder mit seinem Portemonnaie ausmachen


    Als Zielgruppe / Einsatzbereich sehe ich:


    1. Für Genießer mit Schwerpunkt auf ästhetische Bilder im gesamten Vergrößerungsspektrum und Anspruch auf höchste optische und mechanische Qualität. Ich kenne kein Großfernglas von der Stange, das in dieser Hinsicht auch nur annähernd an das Binoptic Apo heranreicht, egal welcher Größe und Preislage. Wer den Einsatz auf fernglasübliche Übersichtsvergrößerungen beschränkt, könnte vielleicht auch mit der weitaus günstigeren FH-Version glücklich werden.


    2. Für Extremspechtler zum beobachten großflächiger Objekte mit extrem geringer Flächenhelligkeit unter top Himmelsbedingungen: Riesen Planetaries wie PuWe 1 oder Sh2-216, Barnards Loop, die IC Gasnebel in der Cassiopeia, aber auch ausgedehnte Dunkelwolken oder Milchstraßenstudien. Hier dürfte die doppelte Austrittspupille und dem dahintersitzenden "Großrechner", der die zwei Bilder verarbeitet, jedem Monokular Teleskop, egal welcher Große, überlegen sein.