Beiträge von Astrominimalist im Thema „Was genau ist Beobachtungserfahrung?“

    Hallo Daniel, hallo Leute!
    Nachdem hier nun schon viele Theorien aufgestellt worden sind, versuche ich es mal rein empirisch anhand des mir relativ bekannten Hobbyastromanen K.H.:


    - welche Bedeutung hat sie? Kann man damit fehlende Öffnung ersetzen?
    Auf alle Fälle sehe ich heute mehr in kleinen Ferngläsern als früher in großen. Deshalb muss sie bedeutsam sein.


    - woraus genau setzt sie sich zusammen?
    1. trainierte Sehtechniken
    2. die Erinnerung, was ich früher alles so vor meinen Okus hatte, welche Probleme ich wie lösen konnte
    3. theoretische Kenntnisse zu den Objektarten und deren Besonderheiten, den absoluten Gesichtsfeldern meiner Okulare usw. usf.
    4.-#8734; …


    - welche "Tricks" gehören dazu?
    Da hat wohl jeder seine eigenen. Und wenn es der Kaffee ist oder das Hyperventilieren oder das Landen auf allen Vieren beim Sturz von der Dobsonleiter. Denn jeder Mensch ist anders und legt auf andere Dinge Wert.


    - ist da noch mehr als nur die reine Beherrschung der Techniken?
    Mir hat angelesenes Wissen auch geholfen, Besonderheiten zu sehen, z.B. bei den „Objekten der Saison“ im IS. Da habe ich vieles gesehen, was mir sonst wohl nicht aufgefallen wäre. Und dann konnte ich diese Erfahrungen auf ähnliche Objekte übertragen.
    Oder wenn ich z.B. schon einmal in den Virgo-, Perseus- oder Hundehaufen gesegelt bin: ich weiß, wo was sein könnte, kann vergleichen, die harten Nüsse besonders angehen… meist sehe ich in der zweiten Nacht im gleichen Areal wesentlich mehr. Das ist doch ganz konkret die BEOBACHTUNGS-ERFAHRUNG der letzten Nacht.

    - gehört zur Beobachtungserfahrung auch die Erfahrung beim Aufsuchen der Objekte?
    Anfangs schon, denn wenn ich ein Objekt gar nicht erst finde, sehe ich nichts. (Was habe ich mich mal mit NGC 2403 gequält, die im Karkoschka ganz am Kartenrand klebt. 6 Grad Starhopping und immer daneben…) Wenn ich dann soweit bin, sehe ich meist schon grau. Inzwischen bin ich mir fast immer ganz sicher, wo genau das Objekt sein muss. Und dann kommen die Techniken: indirektes Sehen, Field Sweeping, größeres Fernglas nehmen bzw. höhere Vergrößerung, Filter usw.


    - wie stark ist der Unterschied zwischen "erfahren" und "unerfahren". Konkrete Beispiele wären zur Veranschaulichung sehr hilfreich.
    Riesig. Ich habe an meinem ersten Abend mit dem Achtzoller irgendwie M1 nicht gefunden, inzwischen aber selbst im 8x30.


    - ist ein erfahrener Planetenbeobachter damit auch gleich ein guter Deepsky- Beobachter?
    Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls bin ich ein miserabler Planetenbeobachter, sehe aber inzwischen einige DS-Objekte ;) Als Sonnenbeobachter stehe ich gerade am Anfang und habe mit meinem wirklich guten PST zu tun, etwas zu erkennen. Und dann sehe ich die Zeichnungen vom Arno Hesse (gleich nebenan bei den Sonne-Heinis) und weiß: „Hempel, du siehst nüscht!!“. Oder auch die Bestimmung der A-Zahl: Andere sehen Flecken mit bloßem Auge, die ich kaum im Fernglas erkenne.
    Ich glaube, jedes Spezialgebiet verlangt auch spezielle Techniken. Außerdem muss sich da jeweils reinfuchsen… Erfahrung sammeln.


    - wird man ewig besser oder ist irgendwann auch mal eine Grenze erreicht?
    Man wird wohl eher immer schlechter, da älter… aber wahrscheinlich heben sich Beobachtungserfahrung und körperlicher Verfall eine Zeit lang auf.


    - wie kommt man am effektivsten dazu?
    Natürlich im Astrotreff surfen, diesen Thread lesen und so wenig wie möglich an die frische Luft gehen. Fernrohre meiden.


    Übrigens gibt es auch einen negativen Aspekt der Beobachtungserfahrung: man wird manchmal sehr verwöhnt vom Nachthimmel und denkt dann bei schlechteren Bedingungen, dass es sich kaum lohnt… anstatt sich über die schönen siebeneinhalb Sterne zu freuen, die da im Nebel zu erkennen sind.