Beiträge von NONSENS im Thema „Was genau ist Beobachtungserfahrung?“

    Hallo noch mal,


    ich bin auch davon überzeugt, daß zum sehen-lern-Prozess das im Gehirn gespeicherte Bildmaterial gehört. Allerdings nicht in der Form, daß gespeicherte Bilder vom Gehirn an die Netzhaut geschickt werden und das Eingangssignal darübergelegt wird, sondern andersherum wird das Signal der Netzhaut im Gehirn mit dort gespeicherten Bildern verglichen. Die Speicherkapazität und -fähigkeit des Gehirns ist enorm. Allerdings kommt das Bewußtsein nur an einen winzigen Teil des Gespeicherten heran - wenn ständig alle gespeicherten Bilder, Töne... offenliegen würden, dann wären keine geordneten Denkvorgänge möglich. (Es gibt wenige Menschen, denen ein pathologischer Zugang zu ihren Speichern möglich ist. Bekannt und immer mal wieder in der Presse ist die Geschichte eines Mannes, der z.B. nach einem Flug über eine Stadt jedes Detail aus allen erlebten Perspektiven fotografisch genau zeichnen kann.) Daß es den Speicher gibt, erleben wir jeden Tag - alles, was wir wiedererkennen, ist irgendwo gespeichert, und das ist nicht wenig. Und daß das trainierbar ist, ist aus dem Alltag allen bekannt. Bei visuellen Überwachungstätigkeiten, wo immer auf den gleichen Bildschirm, Schaltpult o.ä. geguckt wird, erkennt der Routinier mehr als der Anfänger, obwohl er nicht mehr sieht.
    Beobachten lernen ist also auch Füllen und Abrufen von visuellen Speichern, aber noch viel mehr - siehe oben!


    Grüße von Michael (der wohl heute abend endlich wieder mal was für seine astrovisuellen Speicher tun kann - der Himmel ist strahlend blau und die Wolkenvorhersage vielversprechend!)

    Hallo Daniel!


    Ein gutes Beispiel für Beobachtungserfahrung ist die visuelle Jupiterbeobachtung. Auch erfahrenste Beobachter wissen, daß man eine Saison braucht, um sich "einzusehen". Am Ende der Saison weiß man dann, was man der Optik zutrauen kann, wie der Einfluß des Seeings ist und was man auf dem Planeten erwarten kann. Wenn´s dann am schönsten ist, ist die Saison zu Ende... und zu Beginn der nächsten Saison fängt man wieder an, allerdings auf einem ganz anderen Level. Habe ich mehrfach erlebt.
    "Beobachtungserfahrung" bezieht sich hauptsächlich auf die visuelle Beobachtung. Auch als Planetenfotograf macht man natürlich seine Erfahrungen, die beziehen sich dann aber mehr auf die Technik. Ich selbst finde das Beobachten und das Erfahren mit den eigenen Sinnen reizvoller. Deshalb gibt es auch kaum Fotos von mir, sondern hauptsächlich Zeichnungen. Zeichnen erfordert Beobachten und ist eine sehr gute Möglichkeit, Beobachtungserfahrung zu bekommen.
    Mit dem oben Geschriebenen will ich auf keinen Fall behaupten, daß gute Astrofotografen schlechte Beobachter sind. Da gibt es sicher jede mögliche Zwischenstufe...(ich bin anders, weil ich wie alle bin und weil alle anders sind...)


    Grüße von Michael!