Beiträge von Ralf_Hofner im Thema „Was genau ist Beobachtungserfahrung?“

    Hallo Daniel & all,



    ein hoch interessantes Thema.
    Ich möchte eure Aufmerksamkeit noch einen weiteren Aspekt richten.
    In den Foren ist immer wieder mal zu lesen, dass einige Beobachter Schwierigkeiten haben, die Farben auf Jupiter zu erkennen. Manche sehen kaum den GRF rötlich - und das sind nicht immer nur die Einsteiger.


    Vor jahren machte ich folgende Erfahrung:


    in einer milden Spätsommernacht hatte ich es mir an Scope bequem gemacht und schaute einfach ohne besondere Zielsetzung den Jupiter bei ca. 220x Vergrößerung an. Das seeing war prima, es war visuell einfach ein Genuss den Göttervater so im Okular zu betrachten.
    Nach 10 Minuten machte ich die erstaunliche Feststellung, dass Jupilein plötzlich wesentlich mehr Farbkontrast zeigte: viele Nuancen in den den Bändern und Zonen; kl. Wolken schimmerten deutlich bläulich, andere etwas orange-oker, der GRF war richtig satt rosa... hatte ich so noch nie zuvor gesehen (und zu dem Zeitpunkt war ich schon viele Jahre Hobbyastronom).


    Des Rätsels Lösung:
    Der Mensch ist nicht als "nachtaktives Tier" geschaffen, für Auge + Sehzentrum ist das, was sie nachts im Okular angeboten bekommen, zunächst völlig ungewohnte, ja abnorme Objekte.
    Aber das Gehirn ist lernfähig, nicht nur beim Gedicht auswendig lernen, sondern auch bei der visuellen Erfassung 'sonderbarer' Objekte.
    Und das Unterbewusstsein gibt zudem das Signal an das Sehzentrum aus, dass ein länger betrachtetes Objekt für den Menschen eine besondere Bedeutung haben müsse, evtl. eine Gefahr darstellen könnte(!) und deshalb intensiver zu analysieren ist.


    In der darauffolgenden Nacht wurde übrigens mein Jupiter schon nach wenigen Minuten farbig... und später beim M42 waren im 7"Maksutov-Cassegrain ebenfalls rötliche und grünliche Nuancen, da ich ich zuvor nie gesehen hatte.


    Ein reichliches Jahr später noch ein Aha-Erlebnis:
    In der Zwischenzeit hatte ich den Mak.-Cassegrain verkauft und das 6" Maksutov-Newton-Optikset erworben. Nachdem ich den Tubus fertig hatte kam Ende Nov. 2001 das Firstlight. Den Anblick des Jupiter werde ich so schnell nicht vergessen. Der Mak.-Cass. hatte 34% Obstruktion, der M.-Newton dagegen nur 19% und damit eine wesentlich höhere (Farb)kontrastleistung.
    Mein Auge - inzwischen darauf geeicht, aus dem flauen, kontrastarmen Cassgrain-Jupi das Letzte herauszuholen - war nun höchst erstaunt über den farbreichen Newton-Jupiter und präsentierte mir von der ersten Sekunde an viele verschiedenfarbige Details in der Planetenoberfläche.
    OK - einige werden sich erinnern: damals war der GRF sehr hell und die Wolkenbänder, insbes. das SEB recht farbkräftig - inzwischen haben wir sogar 2 Rote Flecken und dafür wesentlich flauere Äquatorbänder, aber trotzdem: probiert es aus, schaut den Jupiter mal 10 - 15 min ununterbrochen an, ihr werdet staunen...



    Gruß und cs
    Ralf


    http://www.herzberger-teleskoptreffen.de