Hallo Forum,
wow, ich bin echt begeistert! Das das Thema so ein grosses und gutes Feedback erhält... einfach klasse[:)]
Dieser Thread (und z.B. der über die Farbe von NGC 6572 letzten Sommer) zeigt mal wieder, dass hier nicht nur jeder für sich seine Ergebnisse präsentiert, sondern auch echtes Teamplay funktioniert.
Es müssen halt nur Fragen gestellt werden!! (Wink mit dem Zaunpfahl)
Was mir aber aufgefallen ist, ist das es in einigen Punkten schon unterschiedliche Auffassungen gibt, darüber aber nicht diskutiert wird. Ist das jetzt Einsicht, Scheu oder falsche Höflichkeit??
Aber auch so finde ich den Thread absolut gelungen und lesenswert für wirklich jeden!
Ich hätte gerne noch eine Zusammenfassung geschrieben, ist aber leider nicht möglich, weil ich dann ja die noch "strittigen" Punkte hätte auslassen müssen um niemanden zu benachteiligen.
Ich würde supergerne auf einige Punkte, die ihr angesprochen habt eingehen und darüber "streiten". Lasse ich aber sein, da es einfach viel zu viel wäre[;)]
Eigentlich alles (was mir zu dem Thema einfällt) wurde ja nun schon von euch genannt, trotzdem noch ein paar Sätze aus meiner Perspektive:
Zuwachs an Beobachtungserfahrung habe ich durch das Zeichnen sehr stark am eigenen Leib erfahren. Dabei war die Sache für mich dadurch, dass ich etwa 12 Jahre mit dem selben Instrument unter immer recht gleichen Bedingungen beobachtet hatte und meine Ergebnisse häufig in Form einer Zeichnung festhielt, recht eindeutig nachzuvollziehen.
Das erste Mal fiel mir der Gewinn an Erfahrung vor ca. 7 Jahren auf, als ich wieder M 76 zeichnete.
M 76 1997:
M 76 drei Jahre (oder weit über 100 Nächte) später:
Ich bin ich der Meinung, dass meine Suchstrategie nach Details 1997 noch nicht so entwickelt war, wie bei der zweiten Zeichnung.
Und heute würde ich das Teil bestimmt noch anders zeichnen, als beim zweiten Versuch[}:)]
Oder z.B. M51 1999:
Und M 51 ca. 7 Jahre später, also Anfang 2006:
Die beiden Zeichnungen kann man nur bedingt vergleichen, da ich bei der zweiten mit deutlich wenoiger Vergrösserung beobachtet und mit zutauenden Okularen zu kämpfen hatte. Mir geht es nur um die Materiebrücke zwischen M 51 und NGC 5195: die war mir natürlich von den tollen Fotos bekannt und deswegen habe ich sie 1999 auch "gesehen". Komisch, 2006 war sie plötzlich nicht mehr da[:(!]! Dabei war ich doch damals wirklich überzeugt, das da "was" war...
Auch die am Kern ansetzenden Spiralarme fingen nun erst deutlich weiter aussen an mein Auge zu kitzeln. Sind meine Augen schlechter geworden? Ich denke, eher habe ich nun besser hingeschaut, kritischer und mit mehr Erfahrung beim Wahrnehmen von Spiralarmen und geringsten Helligkeitsunterschieden in diesen.
Mit der Zeit lernt man also besser (eine Trefferquote von 100% gibt es nicht!), real Gesehenes und Einbildung unterscheiden zu können.
Den wirklichen Kern des Begriffs "Beobachtungserfahrung" bildet für mich nicht die Technik, die ist nur das Handwerkszeug, einfach die Grundvoraussetzung, sondern "sehen lernen". Mich interessieren Details in Objekten, weniger die blosse Wahrnehmung eines superschwachen Objekts. Aber auch die Details in den (tw. sehr hellen) Objekten sind häufig durch geringe Kontraste sehr grenzwertig und erfordern Übung.
Dabei ist entscheidend um Details zu sehen, dass man aus Erfahrung weiss, wonach man eigentlich (rein vorsorglich, quasi als Standartprozedur) ausschau halten muss. Weniger geübte übersehen häufig die minimalen Intensitätsunterschiede, die den Unterschied zwischen einem diffusen Schimmer und einer Galaxie mit Spiralarmen oder einem PN mit Ringstruktur macht. Dabei gab es bei mir immer wieder AHA!-Erlebnisse, die mich weiter gebracht, also mein Suchmuster verfeinert haben:
10x M51 angeschaut und 10x enttäuscht gewesen, weil sich die auf Fotos doch so schönen Spiralarme nicht zeigen wollten. Beim 11. Mal dann das Aha!-Erlebnis, minimale Hell-Dunkel Unterschiede lassen die fast homogene Scheibe nun deutlich strukturiert erscheinen und bei NGC 5195 ist plötzlich ein Lichtbalken zu erkennen, eindeutig etwas heller als der Rest der Galaxie! Ein paar Beobachtungen später gelingt das widerholen der Übung schon "spielend" im Vergleich zum ersten Erfolgserlebnis und das Bild, welches ich von Spiralarmen in Galaxien im Kopf habe, verfeinert sich stetig weiter. Dieses Wissen kann ich jetzt auch auf Galaxien wie z.B. NGC 2403, NGC 6946, M 81 oder M 101 übertragen.
Gasnebel haben mal scharfe Grenzen (durch vorgelagerte Dunkelnebel), mal sehr diffuse und zeigen häufig grossflächige, meist subtile Aufhellungen mit sehr fliessenden Übergängen im Vergleich zu anderen Bereichen des Nebels. Jeder Kugelsternhaufen ist anders, mal stark, mal gering zur Mitte konzentriert. Mal mit einer starken Helligkeitsstufe zwischen Zentrum und Aussenbereichen, mal mit einer schwachen und häufig ist der Übergang auch einfach fliessend. Galaxien zeigen Kernbereiche, Spiralarme, Gasnebel, Sternklumpen, Dunkelwolken. Schwache Sternhaufen lassen sich nun mit Geduld und der richtigen Vergrösserung doch in Einzelsterne auflösen, Dunkelnebel verraten sich manchmal nur durch die verräterisch geringere Dichte an Feldsternen und Planetarische Nebel "glänzen" mit Schalen, Ringen oder Ringfragmenten, Verdichtungen, Dunkelbereichen, Zentralsternen und Halos (nein, das Okular ist nicht beschlagen[:I]).
Ich denke, die Entwicklung verläuft stetig und wächst immer etwas mit jeder Beobachtung. Aber es gibt auch klare Wegpunkte, die einen plötzlich ein ganzes Stück weiter bringen. Voraussetzung dafür ist aber die intensive Beschäftigung mit dem Objekt, ein flüchtiger Blick und dann weiter bringt nichts. Deswegen ist das Zeichnen des Gesehenen ganz bestimmt auch ein guter "Beschleuniger", man geniesst nicht nur den ersten Eindruck, sondern versucht ins Detail zu gehen.
Viele Grüsse,
Daniel
http://www.astro-visuell.de
P.S. Wäre es ok für euch, wenn ich diesen Thread, sobald er auf Seite 2 gerutscht ist, auf meiner HP in die Berichte Rubrik mit aufnehme? Wenn das einer von denen, die einen KONSTRUKTIVEN Beitrag geleistet haben nicht will, dann bitte kurze EMail an mich oder hier rein schreiben.