Also, weiter geht's.
Wo war ich, ach ja, gerade nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle (in Chile sind die da irgendwie fanatisch, an jeder Strassenecke steht ein Polizist, in jedem Gang im Kaufhaus ein Securitymensch) aus dem Bus ausgestiegen. Ich bemerke sofort, dass ich einen Fehler gemacht habe: Man sollte meinen, Ende Mai auf der Suedhalbkugel, da wird es langsam Winter. Hat sich was, hier ist T-Shirt-Wetter, und ich habe einen ganzen Packen dicke Winterklamotten umsonst mitgeschleppt. Die Sonne strahlt vom makellos wolkenfreien Himmel, und ich bin froh, dass die Sonnenbrille nicht zuhause geblieben ist.
Erstmal einchecken, dankenswerterweise hab ich ein Einzelzimmer abgekriegt. Die Belegschaft wird hier auch durchaus mal in Doppelzimmer (oder sogar in die alten Container aus der VLT-Bauphase) einquartiert, was natuerlich unschoen ist, wenn der Kollege einen anderen Arbeitsrythmus hat wie man selber. Der Blick aus meinen Fenster, das bitteschoen zum Sonnenuntergang unter Strafandrohung sofort lichtdicht abzudunkeln ist, zeigt nichts als Wueste. Am Horizont haengen die tieferliegenden wolkenschichten ueber der Pazifikkueste.
Schnell noch die Klamotten in eine Ecke geschmissen, schliesslich sind wir noch rechtzeitig zum Mittagessen eingetroffen, was man nach 1 1/2 Stunden Flug, 2 Stunden Busfahrt und das bei um 6 Uhr in Santiago morgens los auch noetig hat. In der Kantine trifft man all jene Leute wieder, die man entweder schon im Guesthouse, auf der Taxifahrt zum Flughafen, oder dann auf der Busfahrt kennengelernt hat. Schnell stellt sich heraus, dass ich von Franzosen, nein stimmt gar nicht, franzoesisch sprechenden Leuten umzingelt bin, was mir angesichts drei Jahren Schulfranzoesisch vor gut 10 Jahren die Schweissperlen auf die Stirn treibt. Auch arbeitsgebiettechnisch bin ich mit meinen aktiven Sternen auf mich allein gestellt: Der Grossteil der Anwesenden, inklusive der ebenfalls als gerade als "Besucherin" angekommenen Ana, ist auf der Jagd nach extrasolaren Planeten. Im ESO Guesthouse dominierte noch die italienische Kometenmafia, die allerdings geschlossen nach La Silla aufgebrochen ist um doch 73P aufs Korn zu nehmen.
Das Essen in der Kantine ist, naja. Da scheinen sich hier alle einig zu sein , aber vielleicht bin ich auch nur vom doch recht guten Hamburger Mensaessen verwoehnt. Mein Tischnachbar Claudio, ein sympatischer Brasilianer, der 5 Jahre in der Schweiz verbracht hat, entpuppt sich als der fur mich zustaendige Support Astronomer. Jeder "Astronom auf Besuch" bekommt einen Tag- und einen Nachtastronomen zugeweisen, der Tagastronom ist der, den man mit allen Fagen und Problemen belaestigen soll, waehrend der Nachtastronom die Instrumente waehrend der Beobachtung bedient. Das macht man um Himmels Willen nicht selber, und das Teleskop als solches bedient der Telecope Operator, nochmal jemand anders.
Claudio zeigt mir wo die Computer sind und wie sie funktionieren, und wir verabreden uns fuer die obligatorische Fuehrung zu den Teleskopen auf den spaeten Nachmittag. Am interessantesten sind die Teleskope naemlich, wenn die Kuppeln nach Sonnenuntergang zur Beobachtungsvorbereitung geoeffnet werden. Um 17 Uhr fahre ich dann mit dem neuen belgischen ESO Fellow Hueges den Berg rauf. (Autodiebe haetten ihre helle Freude: Auf den Parkplaetzen stehen die Autos unabgeschlossen und mit steckendem Schluessen rum. Nur dass man halt nicht weit kommt...) Oben weren wir von Emmanuel erwartet, der uns unsere UT2 (=Kueyen) Besichtigungstour gibt. So richtig mit allem dum und dran, mit Luke aufmachen und in den "Keller" steigen, erzinteressant!
Puenktlich zum Sonnenuntergang kommen die werten Profiastronomen aus dem Kontrollgebaeude knapp unterhalb der Teleskope gekrochen um den Green Flash zu erwischen. Aber das klappt selten, auch heute nicht. Zurueck im Kontrollzentrum lerne ich dann auch meinen Nachtastronomen Dominique kennen. (Nein, selbst mit Schichtleiter Alain ist die French Connection noch nicht vollzaehlig...)
Da meine erste Beobachtungsnacht erst fuer den naechsten Tag vorgesehen ist, fahre ich mit der Tagschicht wieder runter zum Guesthouse. das allererste Mal in meinem Leben faellt mein Blick auf den Suedsternhimmel (letzte Nacht in Santiago war's bewoelkt), extrem beeindruckend. Milchstrasse, Magellansche Wolken , Kreuz des Suedens, so hatte ich mir das vorgestellt. Mehr Sterne als ich am Nordhimmel des Nachts je gesehen habe, und dabei habe ich frueher eigentlich in einer astronomisch ganz vernuenftigen Gegend gewohnt. Ich haette doch den kleinen Mak des ASL mitnehmen sollen...
Naechster Tag. Genug Zeit um die geplanten Beobachtungen in Ruhe zuende vorzubereiten und schonmal die Wassertemperatur des Pools zu ueberpruefen. (Ich war ja artig und habe mich an die halbstuendige Sicherheitsbelehrung gehalten, also in den ersten 24 Stunden auf dem Berg nicht laufen, auch Sauna und Pool sind tabu.)
Gen Abend verfluechtigen sich die letzten Wolkenfetzen am Horizont, und ich fahre mit Dominique zum Kontrollzentrum, fuer die naechste halbe Nacht soll mir UT2 ganz allein gehoeren, es sein denn, irgend so ein bloeder Gamma-Ray Burst oder sowas (ein sogenanntes Target of Opportunity) kommt mir dazwischen. Murphy versucht sich an mir, und zunaechst schein er erfolg zu haben. Die Hydraulik des Teleskps muckt rum, ich verliere die erste halbe Stunde Beobachtungszeit ind er Daemmerung. Dominique aergert sich irgendwie mehr als ich, denn er war schon dabei als unsere Beoachtungen im Dezember ketzten Jahres im Service Mode (zu denen also keiner von meinen Kollegen extra hingeflogen ist) aus genau demselben Grund verzoegert wurden.
was beobachte ich denn da jetzt eigentlich? Meine ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf ein auf den ersten Blick unscheinbares Sternchen 13. Groessenklasse, CN Leo, ein M5.5 Zwerg. Wie viele kollegen seiner spektralklasse ist CN Leo chromosphaerisch aktiv, das heisst er zeigt viele Spektallinien in Emission, hauptsaechlich von Wasserstoff, aber auch von Eisen ud anderen Metallen. Diesen Emissionslinien und ihren Verandereungen im Laufe der Zeit sind wir auf der Spur, waehrend sich CN Leo im Ausbruch befindet, was er gern mal tut. Solche Flares sind bei vielen Sternen viel staerker als auf der Sonne und machen sich auch im Roentgenlicht stark bemerkbar, weshalb wir parallel zur geplanten hochaufloesenden Spektroskopie mit UVES den Roentgensatelliten XMM auf unseren Freund angesetzt haben.
Tatsaechlich tut CN Leo mir den Gefallen, ziemlich bald einen ganz schoen heftigen Ausbruch zu zeigen, mit einem Faktor 600 Aufhellung im blauen Spektralbereich. Nach wenigen Minuten war bereits alles vorbei und unsere Sternchen duempelt wieder friedlcih vor sich hin. Trotzdem hat sich der Flare in unseren Spektren gut bemerkbar gemacht, und wohl auch in den dazugehoerigen Roentgendaten, die ich aber wohl erst in ein, zwei Monaten zu Gesicht bekomen werde.
So, ich mach mal Pause von der bloeden Ami-Tastatur, dann geht's weiter...
Caro