Hallo Randolf, hallo Reiner,
ich hatte endlich Zeit den Artikel halbwegs durchzuackern.
Danke uebrigens, denn der Artikel ist die Wucht in Tüten und fügt schon einiges zusammen !!!
Kleine Nebenbemerkung trotzdem:
Die meisten Sachen im Artikel sind relativ einfach und wenn der Autor seine ebenso falsche wie
verwirrende Zeichnung auf Seite 9 WEGGELASSEN hätte, dann hätte ich keine halbe Stunde
und ein halbes Radiergummi gebraucht die Geschichte zu schnallen, sondern wäre in zehn
Minuten durch gewesen.
Ich kann - schon aus Zeitgruenden - nicht auf alle Fragen und Bemerkungen eingehen,
aber will mal versuchen ein paar aufzugreifen.
Dazu setzt es jetzt etwas Mathe, wen das abgesehen vom Randolf und dem Reiner ermuedet, der kann zu dem mit
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gekennzeichneten Teil springen, da wird es noch mal etwas interessanter.
Ok Leute,
ich helfe euch zuerst mal mit dem Artikel in die Steigbügel, schauen wir mal ob wir das
nicht nur glauben sondern auch erklaeren koennen.
Erst mal eine Sizze, um die Sache klar zu machen und die anschließende Diskussion zu
vereinfachen (Ich übernehme hier zur Vereinfachung die Nomenklatur aus dem Text):
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So los geht es, klären wir also den Zusammenhang zwischen Feldblende und Okularbrennweite
ohne Verzeichnung:
Geh zur hinteren Linse (dem Okular) und schau dir die Winkelbeziehung zwischen
Du siehst, daß folgende Winkelbeziehung gilt:
sin( PHI ) = (Ea/2) / Fe
da für das scheinbare Gesichtsfeld gilt:
THETA = 2 * PHI
Erhälst Du für das scheinbare Gesichtsfeld:
THETA = 2 * asin( (Ea/2) / Fe )
(Der Autor des Textes hat anstatt der 2 eine 6/PI = 1.90986 da stehen, warum habe
ich nicht begriffen, vielleicht habt ihr da eine Idee. Oder der Reiner schiebt mir mal
die e-mail von dem Mann rueber, dann frage ich ihn selber. Kann ich nicht nachvollziehen.)
Der tiefere Grund fuer den Sinus statt des Tangens wie bei mir scheint zu sein, dass
der Autor annimmt, das man auf den Rand des gekruemmten Bildfelds des Okulares fokussiert.
Das stimmt fuer Okulare, die ein positiv gekruemmtes Bildfeld haben.
Wenn man allerdings ein flatfield korregiertes Okular hat, dann solte man meiner Meinung nach den
Tangens verwenden. Noch eine Sache den ich den Mann gerne mal fragen wuerde. Darauf kommen wir gleich
noch mal zurueck.
Na ja, so weit so gut.
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Der Zusammenhang mit dem tatsächlichen Gesichtsfeld:
Schau dir das Dreieck der Strahlen zum Okular hin an,
Du findest folgende Beziehung:
tan( phi ) = (Ea/2) / F_Obj
mit dem tatsächlichen Gesichtsfeld THETA' = 2 * phi folgt:
THETA' = 2 * ATAN( (Ea/2) / F_Obj )
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Wenn man nun wissen will, wieviel tatsaechliches Gesichtsfeld man bei wieviel scheinbarem
Gesichtsfeld hat, ohne die Feldblende wissen zu muessen, dann wirft man beide Formeln zusammen
und eliminiert die Feldblende:
THETA' = 2 * ATAN( ( sin( THETA/2 ) * Fe ) / F_Obj )
dabei habe ich THETA = 2 * asin( (Ea/2) / Fe ) verwendet, was er /ja vorher angegeben hatte.
Im Text verwendet er allerdings nicht diese Beziehung, sondern
THETA = 2 * atan( (Ea/2) / Fe )
wie ich in meinen Berechnungen oben und kommt auf
THETA' = 2 * ATAN( ( tan( THETA/2 ) * Fe ) / F_Obj )
Man sieht hier ist er inkonsequent mit seinem Sinus.
Aber im Groben ist schon klar wo die Formeln herkommen und wie sie zusammenhaengen und sie passen
mit den von mir verwendeten zusammen.
Von seinem Ergebnis kommt man auf meine im letzten Posting verwendete Formel ganz einfach
in dem man aus seiner Formel:
THETA = 2 * atan( (Ea/2) / Fe )
Fe aus dem Tangens eliminiert und zwar mit Hilfe der Definition
der Angularvergroesserung m = THETA / THETA' , denn da gilt:
atan( (Ea/2) / Fe ) = atan( (Ea/2) / F_Oku ) * m
und somit erhalten wir:
THETA = 2 * atan((Ea/2) / F_Oku ) * m
wobei m ja auch m = F_Oku / Fe ist, und somit haben wir meine Formel vom letzten Posting aus den
Angaben des Artikels verfiziert:
THETA = 2 * atan((Ea/2) / F_Oku ) * F_Oku / Fe
Passt also alles bestens zusammen, der Lord'sche Ansatz und meiner (abgesehen von dem 6/PI
statt 2 - Faktor).
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So jetzt zu den restlichen Beziehungen die der Randolf so aufgetrieben hat:
TFOV = d/f * 360°/2pi
Das ist einfach, denn die wahre Formel ist (wie Lord oder Ich sie verwenden):
THETA' = 2 * ATAN( (Ea/2) / F_Obj )
Jetzt macht man eine Naeherung nach Taylor ( arctan(x) = x - (x^3)/3 + .... )
und laesst alle Terme bis auf den ersten fallen (die Welt ist hart und ungenau)
und vergisst nicht, das THETA' ein Winkel im Bogenmass ist und rechnet
mit dem Faktor 360°/2pi ins Gradmass um und dann hat man's schon.
Man erhaelt THETA' = 2 * (Ea/2) / F_Obj * 360°/2pi, was sauber gekuerzt obiger Formel entspricht.
Also nur eine grobe Naeherung fuer die Tangens Formel nix schlimmes also.
Schlimmer ist, dass diese Naeherung auch fuer die Riesenwinkel des scheinbaren Gesichtsfelds
benutzt wird:
AFOV = d/f * 360°/2pi
denn da wird's dann grob falsch.
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Randolf
Zu der Frage mit der orthoskopischen Vergröerung:
Ich hatte gehofft die Weltkarten machen das Problem klar, ohne mit Mathe zu kommen,
aber ich versuche es noch mal anders.
Man kann sich das Okular ja auch als Lupe vorstellen, die das reele Bild der Fokalebene
vergroessert. Schau dir mal die Abbildung da an:
Im oberen Bild muss das Auge ohne Okular die Fokalebene betrachten. Dabei sieht man die Spitze
des Gegenstands unter dem Winkel alpha.
Im mittleren Bild stellen wir jetzt das Okular dazwischen. Nun sieht das Auge die Spitze des
Gegenstands unter dem Winkel Beta.
Nun kann man folgende Vergroesserung definieren:
Angularvergroesserung des Okulars = beta / alpha
Jetzt gehen wir zum unteren Bild. Der Gegenstand hat real eine Laenge h, welche Laenge wuerde denn
jetzt ein Beobachter durch die Lupe messen?
Er sieht den Gegenstand nun wie den gestrichelten Pfeil, also wuerde er folgende Laenge messen:
H = 2 * F_oku * tan(beta)
ohne die Lupe misst er die Laenge:
h = 2 * F_oku * tan(alpha)
somit kann man auch eine Linearvergroesserung definieren:
Linearvergroesserung des Okulars = H / h = tan(beta) / tan(alpha)
Willst Du z.B. mit dem Okular Laengen messen, dann muss die Bedingung der Linearvergroesserung
erfuellt sein.
Eine perfekte Linearvergroesserung von einer ebenen Bildeben in einen ebene Bildebene ist z.B.
das Geschaeft von Fotoobjektiven und Projektiven, wo Verzeichnungen hochgradig unerwuenscht
sind.
So und nun wollen wir ein Okular bauen, wo beides erfuellt ist. Nun dazu stellen wir erst
mal fest, dass für kleine Winkel tan( alpha ) ~= alpha in erster Näherung ist, jedoch für
größere Winkel haut das nicht mehr hin.
Wie wirkt sich das aus?
Nun, der Einfallswinkel auf der Fernrohrseite des Teleskops ist im Allgemeinen ja immer
irgendwo kleiner als zwei Grad.
Im Bogenmass entsprechen 2deg == 0.0349066rad und jetzt nehmen wir den Tangens davon:
tan(0.0349066) = 0.0349208 und das ist noch auf drei signifikante Nachkommastellen gleich.
Von der Seite herrscht also keine Gefahr (Nebenbemerkung: Was aber nur fuer Fernrohre gilt,
denn nehmen wir z.B. Weitwinkel-Fotoobjektive, dann ist das gerade NICHT mehr so, weshalb
die Konstruktion astigmatismusfreier kurzer Fotoobjektive [<25mm] viel schwieriger ist als
die von Teleobjektive und man auch daher viel mehr Linsen zur Korrektur braucht).
Zurueck zum andern Ende des Teleskops, der Okularseite:
Dort mussen wir aufpassen, weil dort der Austrittswinkel in einem Plössel schon satte
50deg ist und in einem UWA mit ~80deg noch viel extremer.
Dort geht also die Schere zwischen Angularvergroesserung und Linearvergroesserung
zwangslaeufig auseinander, schauen wir es uns mal an:
Die Ideallinie für perfekte Angularvergrößerung des Teleskops ist die Gerade, die Linie der
perfekten Linearvergrößerung des Teleskops ist die gebogene Tangens Kurve.
Der auftretende Fehler ist der Unterschied zwischen beiden Kurven.
Wie Du siehst funktionieren gute orthoskopische Okulare irgendwo bis zu einem Halbwinkel von
~20-25deg also 40-50deg scheinbares Gesichtsfeld auch wirklich gut. Wenn Du mal bei
ZEISS nachschaust, glaube ich kaum, dass Du ein Ortho > 55deg scheinbares Gesichtsfeld
findest, weil das Ding sich dann eben nicht mehr orthoskopisch nennen darf.
Denn nur bis zu diesem scheinbaren Gesichtsfeld kann man ein Objekt dann ebenso winkeltreu
wie linientreu abbilden.
Nimmt man es aber nicht so genau und akzeptiert noch einiges mehr an Verzeichnung, dann geht
auch noch etwas mehr scheinbares Gesichtsfeld so bis 60-65deg.
Das ist der Winkelbereich wo der Wendepunkt für die meisten Okulare für die
terrestrische Beobachtung liegt, denn da ist eine scharfe linientreue Abbildung gefragt, in der
auch die Winkel und Linien einigermaßen erhalten bleiben.
Aber was ist los, wenn man mehr scheinbares Gesichtsfeld will?
Die UWAs mit mehr als 70deg scheinbarem Gesichtsfeld stehen dann vor der Frage, was es denn
nun werden soll: entweder man behält die Linearvergrößerung, oder man behält die Angularvergrößerung
bei, oder man macht einen faulen Kompromiß und geht beide Wege halb.
Die Strategien im Einzelnen:
1) lineare Vergrößerung wird beibehalten:
Behält man die Linearvergrößerung bei, dann kann man nicht mehr den Astigmatismus korregieren.
Der tiefere Grund dafuer ist das man zum Beheben von Astigmatismus die Brennpunkte der
orthogonalen Meridian und Sagitaleben zusammenlegen muss, allerdings eine Korrektur der
Linearvergroesserung ebenfalls in genau an diesen Ebenen herumschieben muesste, nur leider
in einer anderen Weise. Darum kann beides, die lineare Korrektur und der Astigmatismus nicht
behoben werden.
Das hätte für z.B. ein Nagler mit 82deg Feld und linearer Korrektur in der Peripherie sehr
sehr böse Folgen, denn das riesen Feld wäre zwar linientreu, am Rande aber von riesigen
Spotdurchmessern geplagt.
Oder in einem griffigeren Satz: Beobachtet man mit sowas einen geraden Strommast in der Peripherie
des Bildfelds, dann ist der Mast noch immer kerzengerade, aber das Bild an sich ist Matsch,
weil der Astigmatismus jeden Bildpunkt anschwellen läßt.
Das läßt man also tunlichst bleiben!
2) angulare Vergrößerung wird beibehalten:
Nun schauen sich Astronomen ja nun mal keine Strommasten an, sondern Sterne und Planeten und
gerade Linien können denen da Wurst sein, jedenfalls so lange man nicht vor hat ein Meßokular
zu bauen.
Darum macht man es da auch anders, nämlich man behält die Angularvergrößerung bei und läßt
sich die Linearvergrößerung egal sein und korregiert den Astigmatismus sauber raus.
Damit erkauft man sich auch in der Peripherie noch nadelfeine Sterne.
AAAllerdings: Setzt man diese Okulare zur Tagbeobachtung ein, dann zeigt sich der Verlust
der Linearvergrößerung als die klassische tonnenförmige Verzeichnung und das in der Peripherie
bei einem Nagler schon ziemlich heftig.
3) Man macht den beruehmten faulen Kompromiß:
Will man ein terrestrischen WW-Okular haben, daß noch nicht von bösen tonnenförmigen Verzeichnungen
geplagt ist, dann muß man in der Peripherie eben Kompromisse in der Schärfe eingehen. Das geht
natürlich auch nicht ewig gut und darum läßt man die Sache bei so ~70deg meistens gut sein, wenn
die Schärfe noch akzeptabel bleiben soll (kommt natürlich auch auf das Objektiv an).
Speziell die WW Optiken aus Panzern und Geschützen sind wohl mehr oder weniger in diese Kategorie
einzuordnen, weil geballert und Entfernungen gemessen wird ga in der Bildmitte und der Rand des
Gesichtsfelds ist eher für den Überblick über das Geschehen da und absolute Schärfe ist dort nicht
das Primat, aber die Bäume sollen schon noch einigermaßen gerade bleiben, sonst fährt man
bei einem schnellen Schwenk mit der Optik (Turmdrehen) nämlich Achterbahn.
Da man aber dort mit mehr Astigmatismus leben muß, kommen solche Okulare sehr schlecht mit z.B.
kurzen Newtons zurecht, weil da zum Okularastigmatismus noch das Koma des Spiegels dazu kommt.
Und wenn dann eines zum anderen kommt, dann wird so ein Militär-WW gegenüber einem Nagler
auch deutlich in der Schärfe dort abfallen. Bei der Tagbeobachtung faellt der Schaerfeverlust
oft gar nicht so auf, sondern man stoert sich eher an der tonnenfoermigen Verzeichnung.
Ein Beispiel fuer diese Kategorie sind die Okulare meines Zeiss Dekarems: Bei der Tagbeobachtung
gibt's gerade Linien bis zum Rand und eine leichte Unschaerfe geht fast als, unbemerkbar durch,
aber am Nachthimmel sieht man schon, dass die Schaerfe am Rand der behobenen Verzeichnung geopfert
wurde.
Diese Geschichten muss man vor allen Dingen dann im Auge behalten, wenn man Okulare "objektiv"
vergleichen will. Z.B. Wolfi's kleiner ITT Okulartest erscheint dann etwas undurchdacht:
http://forum.astronomie.de/php…collapsed&sb=5&o=&fpart=1
Absolute Randschärfe und absolute Verzeichnungsfreiheit am Rand bei Okularen > 60deg schließen
sich - zumindest an schnellen Optiken - gegenseitig aus.
Darum muß man sich eher Fragen: Was will ich denn eigentlich?
Ein hammerhart scharfes Nagler, dass auch bei f/5 mit 82deg Feld aufwarten kann, in dem sich
allerdings am Rand die Balken biegen, oder einen 68deg Kompromiß der bis f/6 hinunter
noch einigermassen funktioniert und moderat verzeichnet wie das Panoptik, oder ein
winkeltreues Pentax, dass, wie die meisten Erfle, nun mal nicht orthoskopisch ist und ueberall
leicht verzeichnet.
Alle nach den gleichen Kriterien vergleichen zu wollen und einordnen zu wollen ist schlichtweg
nicht sinnvoll, denn das haengt vom Einsatzzweck ab.
Na was soll's, die werden schon wissen was sie da treiben...
Schliesslich und endlich - der Artikel hat dann auch meinen Verdacht bestaetigt:
All die UWAs die ein leicht groesseres Gesichtsfeld als das theoretich moegliche haben,
halten NICHT mehr die exakte Angularvergroesserung (Seite 17 des Artikels), sondern verzerren
einfach.
Somit ist das ganze Werbegemache ("Neu, jetzt 5deg mehr bei gleicher 2" Feldblende und Brennweite")
tatsaechlich die volle Lachnummer, weil da ein Bildfehler angepriesen wird.
Uebrigens wenn wir hier uebrigens vom Umfang her so weiter machen, dann koennen wir auch gleich beim ITV
ein Seminar ueber WWs geben.
Mario