Beiträge von JSchmoll im Thema „Spiegelqualität: Was lässt sich alles aus dem Messprotokoll von Wolfgang Rohr herauslesen?“

    Hallo Micha,


    Zitat

    Was ich nicht verstanden habe, ist, welche Länge das Verhältnis r^2/R = 13,83 mm in der Praxis eigentlich ausdrückt?
    Und, um zu meiner Anfangsfrage zurückzukommen, was ist R genau? Ich kann mir streng mathematisch keinen Radius bei einer Parabel vorstellen, nur bei Kreisen.


    sorry fuer das Missverstaendnis. Bei Deinem Spiegel gilt das Ganze analog fuer R=4050mm. Am Rand hast Du dann (210mm)^2/4050mm = 10.89mm.


    Dieses Verhaeltnis drueckt die Lage des Kruemmungsmittelpunktes im Vergleich zur paraxialen Lage aus. "Paraxial" heisst "auf der optischen Achse", r=0. Misst Du einen kleinen Durchmesser um das Zentrum Deines Spiegels, bekommst Du die Lage, in der der Foucaulttester das reflektierte Abbild gleichmaessig verdunkelt, 10.89mm weiter vorne als wenn Du das mit dem auessersten Rand machst.

    Und Du hast Recht, strenggenommen hat ein Parabolspiegel keinen festen Kruemmungsradius. Stattdessen variiert dieser mit dem Zonenradius. Er vergroessert sich, wenn Du weiter nach aussen gehst. Effektiv hast Du aber einen Krummungsradius, bei dem bei Strahlen aus dem Unendlichen alles Licht in einem Punkt gebuendelt wird. Dieser Punkt kann als Mittelwert aus dem Kruemmungsradius aller Zonen verstanden werden, und dieser liegt unter Beruecksichtigung der Flaeche (weiter aussen wird mehr Licht gebuendelt, weil der Zonenring ja groesser ist) bei 70%. Spiegelschleifer koennen sich dafuer eine Schablone basteln: Verschiebst du die Testkinge des Foucaulttesters, bis die groesste Ergebung des Donuts bei 70% Zonenradius zu liegen kommst, befindest Du Dich im nominellen Kruemmungsradius.

    Es mag verwirrend sein, dass man fuer die "Nullung" der verschiedenen Zonen die Klinge verschieben muss. Aber es darf nicht vergessen werden, dass der Foucaulttest ein Nulltest fuer die Sphaere ist, nicht fuer die Parabel. Ein spharischer Spiegel hat einen eindeutigen Radius, der Parabolspiegel einen Parabolschatten. Es gibt auch einen "Null-Test", bei dem eine Linse eingesetzt wird, die die sphaerische Aberration kompensiert und dann muss der Spiegel im Foucaultbild "flach" poliert werden, um in der Realitaet eine Parabel zu erhalten. Coulter zum Beispiel hat einst seine Dobsons so parabolisiert.

    Hallo Micha,



    Zitat

    Über/Unterkorrektur bezieht sich auf das Verhältnis r^2/R. Welchen Wert würde r^2/R bei perfekter Parabel/ Sphäre annehmen?


    Und wie ist der Krümmungsradius R definiert? Der müsste doch nur Sinn machen, wenn eine Sphäre vorliegt. Wenn Abweichungen von der Sphäre vorliegen, oder auch die perfekte Parabel, dann kann man an einem Punkt der Spiegeloberfläche doch keinen Krümmungsradius definieren? Geht doch nur bei sphärischer Oberfläche.

    Zur ersten Frage: Das haengt vom Spiegel ab. Dein 450mm-Spiegel hat laut Protokoll einen Radius von 3660mm (also 1830mm Brennweite, f/4.07). Dann ist die Zonendifferenz in der Mitte Null, da der Zonenradius r Null ist und damit ist r^2/R Null. Am Rand ergibt sich (225mm)^2/3660mm = 13.83mm. In der Praxis, beim Spiegelschleifen, werden jedoch verschiedene Zonen gemessn. Zum Beispiel bei r=210mm (um den mitunter glaenzenden Rand auszublenden), r=150mm, r=100mm und der Mitte. Dann wird im Foucaulttest erst die Mitte genullt und der Abstand gemessen, bevor diese Uebung mit den gegenueberliegenden Zonenmaskenloechern gemacht wird. Jede Zone muss r^2/R folgen, im Beispiel:


    Zonenradius [mm]r^2/R [mm]
    0
    0
    1002.77
    1506.15
    21012.05


    (toll, es gibt im Editor eine Tabellenfunktion!)


    Misst Du beispielsweise 0 / 1.4 / 3.1 / 6.1 , dann ist der Spiegel zu etwa 50% parabolisiert. Durch die Messung mehrerer Zonen wird sichergestellt, dass alle Zonen dem r^2/R-Gesetz folgen. Im Zusammenspiel mit der visuellen Inspektion des gesamten Parabelschattens ohne Maske, der im Foucaulttest wie ein glatter Donut aussehen muss, laesst sich auf eine einwandfreie Parabel zuarbeiten.


    Zur zweiten Frage: Beim Spiegelschleifen ist der Ausgangsradius meist der der Sphaere, da zunaechst ein sphaerischer Spiegel poliert wird, der dann zur Parabel retuschiert wird. Bei einem fertigen asphaerischen Spiegel hingegen wird meist der 70%-Radius als Referenz genommen. Rechnerisch ist der Unterschied nicht sehr gross. da eine Abweichung vom absoluten Kruemmungsradius des Spiegels klein bleibt:

    In Deinem Beispiel: R=3660mm, am Rand r^2/R = 13.83mm.


    Referenziere ich zum 70%-Radius, kommt zu den 3660mm noch (147mm)^2/3660=5.9mm hinzu. Damit wird R zu etwa 3666mm und das r^2/R am Rand zu 13.81mm. Also nimmt die Schnittweitendifferenz nur um 2/100mm zu, was in der Praxis kaum messbar ist.


    Caveat: Obige Betrachtung ist "alte Schule", Zonenmessungen per Foucaulttest. Viele Spiegelschleifer haben heute Interferometer, mit denen das alles viel leichter geht. Aber zur Betrachtung des Unterschiedes zwischen Sphaere und Parabel ist die Zonenmessung sehr anschaulich.

    Hi Micha,


    ein Parabolspiegel unterscheidet sich vom Kugelspiegel dadurch, dass er graduell vom Rand zur Mitte hin tiefer liegt als die Sphaere. Im Foucault-Zonentest ist dieser Schnittweitenunterschied durch r^2/R quantifiziert, wobei r der Zonenradius (Abstand zur Spiegelmitte) und R der Kruemmungsradius der optischen Oberflaeche ist. Wird der Wert unterschritten, ist der Spiegel eine unterkorrigierte Parabel bzw. eine Ellipse. Wird der Wert ueberschritten, wird der Spiegel zur ueberkorrigierten Parabel bzw. einer Hyperbel.

    Frueher, als die Spiegelrohlinge recht dick waren und aus herkoemmlichem Glas bestanden, wurde oft angeraten, den Spiegel nur zu 80% zu parabolisieren. Beim Auskuehlen wuerde sich dann in den Abendstunden automatisch eine Parabel erreichen lassen, da der Rand sich anfangs staerker zusammenzieht und sich damit die Brennweite der Randzone erhoeht. Dabei ist eine leichte Unterkorrektur visuell besser vertraeglich als eine leichte Ueberkorrektur, da letztere zur Hyperbel fuehrt, die visuell schneller erkennbar wird.

    Dieser Tip ist bei Verwendung von duenneren Rohlingen geringerer Expansion hinfaellig - es sei denn, es treten Extrema auf, wie ein sehr warmer Spiegel in einer sehr kalten Nacht. Dieser Spiegel wuerde aber thermisch ganz andere Probleme machen (Luftschlieren).

    Eine Unterkorrektur heisst, dass es auf der Achse noch einen kleinen Halo um einen Stern gibt, der durch die sphaerische Aberration erreicht wird. Die Frage ist, ob die 9% bei einem 18"-Spiegel bei herkoemmlichem Seeing auffallen.