Beiträge von Stathis im Thema „Spiegelqualität: Was lässt sich alles aus dem Messprotokoll von Wolfgang Rohr herauslesen?“

    Hallo Micha,


    ja, alles richtig so.

    Deine Zahlenwerte und die Formel dafür gilt jedoch nur für einen Foucaulttester, bei dem sich nur die Messerschneide auf dem Messschlitten bewegt, während die Lichtquelle fest stehen bleibt (feststehende Lichtquelle = fixed light source). Bei einem Tester, bei dem sich Lichtquelle und Messerschneide zusammen auf einem Schlitten befinden (mitbewegte Lichtquelle = moving light source) ist der Wert zu halbieren. Siehe meine Formel in Beitrag #32 und vergleiche mit der von Jürgen.


    Zu den Begriffen:

    Schnittweitendifferenz: Das was man am Foucaulttester direkt ab der Nullzone oder zwischen den Zonen misst. Bei einem Tester mit mitbewegter Klinge entspricht das genau der Krümmungsradiusdifferenz zwischen den Zonen. Man misst mit so einem Foucaultrester direkt den Krümmungsradius. Die Begriffe sind hier synonym. Korrigiert nach Erläuterung von rainer-I in Beitrag #36


    Das muss von außen gesehen ja alles wahnsinnig kompliziert klingen. Wenn man jedoch mal selbst einen Spiegel schleift und mit einer Zonenmaske die Schnittweiten vermisst, löst sich aller Voodoozauber auf und man vermisst die Nanometer mit einer Selbstverständlichkeit, wie ein Zimmermann mit Meterstab seine cm misst.

    Für die Kenngroßen eines Teleskopspiegels verwende ich folgende internationalen Bezeichnungen:

    Brennweite = Focal length = f

    Durchmesser = Diameter = D

    Krümmungsradius = Radius of Curvature = ROC

    Abstand auf der Spiegeloberfläche von der optischen Achse = r. r= 0 ist auf der optischen Achse (Spiegelmitte); r= D/2 ist am Spiegelrand

    Schnittweitendifferenz der Parabel mit beliebigen Abstand r von der optischen Achse = Delta_s (r)

    Gesamt Schnittweitendifferenz der Parabel von Mitte (r=0) bis Rand (r=D/2) = Delta_s (D/2)

    Für alle Kegelschnitte Konische Konstante = Conic Constant = CC


    Für die Sphäre gilt:

    ROC = Constant

    Schnittweitendifferenz Delta_s = 0

    CC = 0. Man sagt salopp "0% Korrektur"


    Für die Parabel gilt:

    Krümmungsradius auf der optischen Achse (Spiegelmitte) ROC = 2*f

    Delta_s (r) = r^2 / (2*ROC)

    Gesamt Schnittweitendifferenz Delta_s (D/2) = (D/2)^2 / (2*ROC)

    Schnittweite am Rand = ROC + Gesamt Schnittweitendifferenz der Parabel

    Parabel CC = -1. Man sagt salopp "100% Korrektur"

    Sind die Schnittweitendifferenzen im Mittel um 10% zu gering, spricht man von 10% Unterkorrektur. Dann ist CC= -0,9

    Bei 10% Überkorrektur ist CC= -1,1


    Der Krümmungsradius der Parabel entspricht dem eines sphärischen Abschnittes im Zentrum des Spiegels, nicht auf der 70% Zone.

    Auch eine Parabel hat eine Krümmung und damit auch einen Krümmungsradius, nur dass dieser sich mit dem Abstand von der optischen Achse ändert.


    Die obige Formel von Jürgen für die Schnittweitendifferenz r^2/ROC gilt nur für Foucaultmessungen bei feststehender Klinge! Bei mitbewegter Klinge ist es genau die Hälfte davon: r^2/(2*ROC).


    Wie viel Prozent Unterkorrektur bei fallender Temperatur optimal ist, hängt von der Spiegelgröße, Brennweite, Spiegeldicke, Spiegelmaterial, Verlauf der treibenden Temperaturdifferenz und Belüftungssituation (Wärmeübertragung zur Umgebung) ab. Da vor allem die letzten beiden Parameter komplex sind, kann kein Mensch vom Schreibtisch aus eine seriöse Zahl errechnen. Die in Beitrag #32 von Jürgen erwähnte Faustregel von 20% Unterkorrektur kommt wirklich aus der Zeit, als man üblicherweise 100 mm f/10 bis 150 mm f/8 Spiegel aus Normalglas fertigte. Ein ansonsten fehlerfreier 150 mm f/8 Spiegel mit 80% Korrektur hat einen RMS Fehler von winzigen 4,3 nm auf der Wellenfront, das ergibt einen Strehl von 0,99. Würde man hingegen einen 600 mm f/3 Spiegel nur zu 80% korrigieren, hätte man einen RMS Fehler von satten 660 nm, einen Strehl von 0,03 und hätte somit mit sehr sauren Zitronen gehandelt.


    p.s.

    Nachträglich Begriff "Schnittweitendifferenz" korrigiert nach Erläuterung von rainer-I in Beitrag #36 

    Dem bereits gesagten stimme ich zu und kann noch ergänzen:


    Die Berechnung des Strehlwertes aus dem geometrisch gemitteltem Fehler (Root Mean Square =RMS) erfolgt nach folgender Gleichung:

    Strehl = e^-(2*pi*RMS)² mit RMS in Lambda

    Dabei ist die Messung des RMS mittels Laser Interferometer abhängig von der Wellenlänge.


    Der Strehl ist im Roten (größere Wellenlänge) höher als im Grünen (kürzere Wellenlänge). Aus dem unteren Protokoll mit Strehl(rot)= 0,92 und RMS(rot) = 0,047 Lambda kann man den Strehl in grün umrechnen. Es ergibt sich für grün ein RMS = 650/532*0,047 = 0,057 Lambda und damit ein Strehl (grün) = 0,87. Das obere Protokoll mit dem grünem Laser zeigt jedoch einen höheren Strehl an als das untere mit dem roten Laser. Das passt nicht zusammen und muss an den unterschiedlichen Messmethoden und den damit verbundenen Messfehlern liegen.


    Das erste Protokoll mit dem grünen Interferogramm zeigt stark gebogene Linien und keine Zentralabschattung. Das ist somit aus dem Krümmungsmittelpunkt = Radius Of Curvature = ROC aufgenommen, so wie es unter Notes auch steht: "RoC-Setup bei 532 nm wave".

    Das untere Protokoll zeigt viel geradere Linien und eine Zentralbohrung. Das muss somit aus dem Brennpunkt gegen einen durchbohrten Planspiegel in Autokollimation aufgenommen sein, das "RoC-Setup bei 532 nm wave" in den Notes ist somit falsch.


    Isoliert betrachtet halte ich die beiden Protokolle für nicht besonders belastbar. Zumindest bräuchte es weitere Angaben des Prüfers, insbesondere, warum der Astigmatismus als "abzugsfähig" betrachtet wird. Den älteren von uns sind die kreativen Messauswertungen von W. Rohr noch in guter Erinnerung.