Hallo Jörg,
da hast Du jetzt einen ganz heisen Kartoffel angeschnitten, der nicht mit "nimm doch..." zu beantworten ist.
Grundsätzlich wäre eine Software denkbar, die alle Funktionen beinhaltet, die man für "tolles" Bild braucht. Die Software müßte dann halt auch jemand schreiben. Und bedienerfreundlich und möglichst kostenfrei sollte sie auch noch sein.....
Aber dann geht es schon los:
A) was ist ein "tolles Bild"?
- Für Nicht-Planetenspezialisten soll ein Bild möglichst viele Details möglichst spektakulär und möglichst mit 3D Eindruck zeigen. Es soll natürlich farbig und ohne Ränder und sichtbare Artefacte sein. Ein klarer Fall für Photoshop und Aufbrezeln ohne Hemmungen
- viele Planetenfans wollen hohe Detailauflösung mit viel Kontrast sehen (=bei Mars ausgereizte Rotkanäle)
- die Kollegen der Vermessung mögen keine Verzerrung oder Deformation von Details oder des ganzen Planeten
- die Kollegen der Wetterbeobachtung wollen Wolken und Dunst sehen (UV, Blau und Grünkanäle bei Mars)
- die Kollegen, die täglich beobachten, wollen schnelle Ergebnisse, die Veränderungen zeigen und nicht schön sein müssen
Der Wunsch an das "optimale" Ergebnis ist also erstmal für die KI zu definieren.
Dann kommt die Eingangsseite:
B) Aufnahmeoptik & Brennweite
- je nach Teleskopgröße entstehen mehr oder weniger große Aufnahmen (in Anzahl Pixel)
- je nach Temperament und Glauben wird undergesampelt oder overgesampelt - beides benötigt unterschiedlichen Workflow
C) Farb oder s/w Aufnahme
- je nach Temperament und Glaube - beides benötigt unterschiedlichen Workflow
D) Farbfilter
- verschiedene Filterkurven
E) Kamera
- kleine oder große Pixel
- Rauschen in verschiedenen Farben
- Datenanzahl (Kurzbelichter oder Ultrakurzbelichter)
F) Seeing
- da gibt es viele Varianten, die sich unterschiedlich auf die Farbkanäle auswirken und andere Bearbeitung erfordern
F) Sideeffects
- Planet läuft aus Bild
- Wind
- Vibrationen
- Dobson
- optimale Schärfe
Da läßt sich Buch schreiben, und die software für alle induviduellen Sonderwünsche möchte ich nicht schreiben.
Für sehr ähnlich Bedingungen und ähnliche Aufnahmetechnik läßt sich ein Workflow aufstellen, der auch für andere funktioniert. Ich hab 2022/23 sowohl Fremdbilder mit C11, C14 als auch mit 10" und 16"-Newton mit Mars und Jupiter bearbeitet. Das war mit leichter Abänderung Workflow möglich.
Ich hab mich auf Ultrakurzzeitbelichtung, mittlere Brennweiten und sehr viele Bilder eingeschossen. Das machen andere ähnlich. Es gibt aber auch Kollegen, die gerne länger belichten. Da muss man deutlich anders rangehen. Bei gutem Seeing gibt es viele Möglichkeiten, zu guten Bildern zu kommen. Da gibt es verschiedenen Meinungen und manchmal auch Glaubenskrieg.
Dann geht es schon ins Detail. Ich verwende:
- Firecapture mit winjupos Namenskonvention für die Filme
- PIPP fürs Preprozessing und zur Verkleinerung Datenmenge (braucht man nicht, wenn Montierung gut läuft bzw. aufgestellt ist und man freiwillig kleine ROI setzt)
- AS3 für Stacking und Probeschärfung
- Giotto für Schärfung (historische Software, funktioniert einfach und gut (auch mit windows 10), Schärfung geht mit anderen Programmen auch)
- fitswork zum Anschauen der Ergebnisse und zum Feintuning (Fitswork kann unendlich viel, PS sicher noch viel mehr....)
- winjupos zum Anschauen, Vermessen und Addieren von Bildern
- PS2 in der freien Version bisher nur für Endbearbeitung, inzwischen aber auch für Zwischenschritte
Ich verwende tatsächlich primär langjährig bewährte Freeware, die ich über Jahre gut kennengelernt habe. Werde mir dann zur Rente eine PS Vollversion zulegen, in die man sich erst mal einarbeiten muss. Auch der Planetary Imaging Stacker hat sicher großes Potential, ist aber einfach in der Anwendung weniger menschenfreundlich als AS3!.
Die Kernwerkzeuge für Bearbeitung Filme sind wohl für alle Planetenfilmer eine Aufnahmesoftware, eine Stackingsoftware, winjupos und ein Bildverarbeitungsprogramm beliebiger Art . Nur winjupos ist in meinen Augen unvermeidlich und eine der wenigen Freewaren, die noch ständig weiterentwickelt werden.
Ich mache in Excel Listen meiner Filme und der Details (Belichtungszeit, gain, Qualität, Anzahl Bilder) dazu. Ich notiere da auch die Schärfung und Stackung, die ich jeweils ausprobiere.
Nähre mich dann iterativ an Ergebnisse an. Zwischendrin mache ich auch lange bis sehr lange Pausen. Es gibt ja noch andere Sachen, als auf Computern rumzuklappern.
Nur mal für Mars:
Worst case kommt für jeden Film eine andere Bearbeitung heraus, auch wenn man die Filme zum Schluß alle addiert. Unterschiedliche Stackung für Rot-, Grün- und Blaukanäle verstehen sich von selbst. Im Rotkanal hat man viele kleine Details, an denen sich AS3 festbeisen kann. Im Blaukanal hat man da nicht soviel Details. Dafür hat man bei gutem Seeing ein top detailierte Polkappe. Je nach Stackung muss man unterschiedlich schärfen. Je nach Schärfung Wachsen oder Schrumpfen die Bilder im Durchmesser und anders in den Details.
Beim La Palma Seeing ist primär die Stackingrate ein wichtiger Spielparameter. Die ist selten gleich, wenn man möglichst viele Bilder nutzen will. Auch auf La Palma ist Seeing nicht immer perfekt für 14" Öffnung. Zuhause ist das noch viel ärger....
Selbst im optimalsten Fall hat man 3 Farbkanäle, die durch die unterschiedliche Auflösung der unterschiedlichen Wellenlänge Details gröber und feiner darstellen. Ein klarer Fall für Farbränder im Bild und nicht nur am Rand. Man darf dann mit der Schärfung spielen, bis das genau übereinander paßt. Wenn man da noch auf den Rand aufpassen muss, wird das ziemliche Spielerei. Zum Einlesen in winjupos ist Mars eine Herausforderung. Ich versuche deshalb, bereits in einer frühen Fase ein vernünftiges Farbbilds zu erzeugen, dass nicht völlig ausgeschärft ist. Denn Flow dazu hab ich oben ja schon abgebildet. Dabei versuche ich von vorne herein, dass kein Rand aufläuft. Am kritischsten ist hier der Grünkanal, der bei Mars noch viele Details zeigt, aber schon beim Seeing schlechter aussteigt. Den sollte man gar nicht so scharf trimmen, sonst hat man grünen Rand. R und insbesonder IR machen die dicksten Ränder. Da muss man mit Stacking und dem Ralf Trick dagegen halten und sollte sich beim R für RGB mit Schärfung eher zurückhalten.
Große Frage ist immer, wieviele Filme und Bilder am Prozeß teilnehmen sollen. Wenn man sehr viele gute Filme hat, möglichst viele. Da gibt es verschiedenen Meinungen und manchmal auch Glaubenskrieg. Da geht es auch nicht um ein paar Bilder mehr oder weniger (meiner Meinung nach völlig egal, solange halbwegs gute Qualität), sondern um Zehnerpotenzen (10.000/100.000/1.000.000). Derotieren über wenige Minuten ist kein Problem, so ab 20 Minuten muss man dann aber Entscheidungen treffen, wie man dann Bild wieder beschneidet bzw. welchen Zeitpunkt man dann wie darstellen will.
Ideal wäre natürlich, wenn man alle Kanäle in kurzer Zeit gemeinsam aufnehmen könnte. Das schreit dann nach Farbkamera und guter Durchbelichtung. Mann erbt dafür anderen Ärger und bekommt niemals getrennte R,G,B Info, da die üblichen Farbcams im B auch IR durchlassen. Auch dazu gibt es verschiedenen Meinungen und manchmal auch Glaubenskrieg. Gerade bei Mars ist Aufnahme wie Ralf es macht, beliebt und hat schon zu eindrucksvollen Ergebnissen geführt.
Wenn Seeing paßt oder man mit kleineren Teleskopen und niedrigerer Auflösung an kleinen Planeten schafft, ist das alles kein Hexenwerk. Um so mehr Details und Flächen zu sehen sind, umso schwieriger wird es, dass alles homogen im Bild paßt. Da kann es dann auch lokale Probleme im Bild geben. Aus der Warte ist mein Bild oben noch weit weg von perfekt. In den einzelnen Kanälen ist viel mehr zu sehen. Aber Farbe schaut halt immer nett aus.
Mit Computerunterstützung geht da noch viel mehr als wir normalerweise machen, angefangen von aktiver Temperaturführung am Teleskop, automatischem Scharfstellen bzw. Abbruch Aufnahme bei schlechtem Seeing, aktiver Optik, Einsortieren Ergebnisse in Verzeichnisse bis automatischer Auswertung. Wie Bild dann zum Schluß aussehen soll, bestimmt der Mensch und hat dann was mit Kunst zu tun.
Nur zum Trost: das war beim Zeichnen damals auch nicht anders und gab bei manchen Beobachtern herrliche Marskanäle .....
Frohe Ostern!
Robert