Ich bin tatsächlich wirklich erstaunt, wie viele Sternefreunde noch analog arbeiten, was aus meiner Sicht überhaupt gar keinen Sinn macht. Das teilen insbesondere, das Sammeln von Zeichnungen in Büchern ist für einen selbst schön, aber erschwert das publizieren/teilen ungemein. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich auch so, dass viele Sachen einfach nicht gezeigt werden, weil sie in Schränken gehortet werden. Finde das wirklich schade.
Servus Oliver,
hier möchte ich ebenfalls widersprechen. Mit analog meinst du ja, wie du später erklärt hast, nicht das Aufnehmen der Informationenm (z.B. Zeichnen), sondern das Speichern der Informationen z.B. in Beobachtungstagebüchern, die im Schrank stehen.
Ich würde dir Recht geben, wenn es darum gehen würde, dass die Daten für die Öffentlichkeit wichtig und publikationswürdig sind. Ich kenne das aus anderen Bereichen der Naturbeobachtung, wo (seriöse, belastbare) Daten über Naturbeobachtungen z.B. wichtig sind für die Bearbeitung von Roten Listen. Ich habe selber eine Rote Liste bearbeitet und wäre froh gewesen, wenn ich alle Datengrundlagen zugänglich gehabt hätte, also auch Beobachtungstagebücher aus früheren Jahrzehnten (da ist die Datenlage oft sehr lückig, dabei sind die wichtig, um Bestandesentwicklungen zu dokumentieren).
Im Hobby Astronomie sehe ich die Daten (bis auf Ausnahmen) als weniger wichtig an. Wen interessiert es wirklich, wie oft ich welchen Doppelstern mit welcher Optik habe trennen können? Oder wen interessiert wirklich (für Auswertungen) die x-te Zeichnung eines Messier-Sternhaufens, obwohl es haufenweise Fotos davon gibt? Wenn jemand Lichtkurven von variablen Sternen erstellt und die nur im Schrank lagert, dann wäre das in der Tat schade, denn diese Daten könnten fehlen und ausgewertet werden. Oder Daten von Sternbedeckungen von Asteroiden. Aber diese Beobachter melden ihre Daten meist in den einschlägigen Datenbanken.
Für einen reinen Hobbyastronomen steht doch das eigene Erleben und das Rückerinnern an die Erlebnisse im Vordergrund (denke ich mal, sage ich mal). Und da finde ich persönlich einfach nur angenehm, ein Tagebuch in die Hand zu nehmen, darin zu blättern und chronologisch durchzugehen, was man damals beobachtet hat. Vielleicht steckt da auch Information zur Lichtverschmutzung indirekt drinnen, aber die Daten sind auch ohne das Tagebuch ermittelbar. Dieser sagen wir mal nostalgische Wert ist es, der für mich primär wichtig ist. Und auch das sich Erinnern an die Objekte. Alles nochmal handschriftlich in ein Beobachtungsbuch zu übertragen finde ich da hilfreich. Und das Tagebuch ist auch nach 40 Jahren noch existent. Digitale Daten können auf lange Sicht verschwinden.
In meinerm früheren Forschungsgebiet habe ich auch mit alter Literatur gearbeitet (Bücher, ganz real, teils mehrere Hundert Jahre alt). Mittlerweile sind die oft digitalisiert und ich muss nicht mehr weit fahren, eine Genehmigung einholen, um sie einsehen zu dürfen. Das ist positiv. Aber gerade weil sie analog als Buch existieren, gibt es sie heute noch und konnten erst digitalisiert werden. Zum Glück werden diese Schätze weiterhin in den Bilbliotheken aufbewahrt und nicht nach der Digitalisierung weggeworfen und entsorgt.
Die Daten, die ich sammle, sammle ich für mich. Sie sind für mich wertvoll, aber objektiv eher weniger. Und wenn ich mal nicht mehr sein sollte und meine Beobachtungstabegüber wandern in den Müll, geht nichts wichtiges dadurch verloren. Ich finde das überhaupt nicht tragisch.
Ich finde es daher überhaupt nicht sinnlos, Daten analog und klassisch aufzubewahren und auch nicht, Beobachtungsbücher zu führen. Digitalisierung betreibe ich nur dafür, dass ich so schneller meine eigenen Daten für mich auswerten kann und auch suchen kann, sortieren kann. Das Teilen voin Daten ist für mich aber, anhand der Unwichtigkeit derselben, allerhöchstens sekundär wichtig. Ich teile dennoch viele meiner Beobachtungen, weil hier im Forum gleichgesinnte sind, die sich gegenseitig auch mit eigentlich unwichtigen Daten erfreuen. Das gilt auch für Fotos, nicht nur für Beobachtungen und Zeichnungen. Hier geht es um "geteilte Freude ist doppelte Freude" und sicherlich spielt ein gewisser Narzissmus auch eine Rolle, wenn es um das Öffentlichstellen vonm Bildern/Zeichunungen/Fotos geht (in normalem Ausmaß ist das ja auch nicht negativ). Das macht es aber nicht wichtiger, nur schöner. Ich teile gerne meine Daten mit anderen. Trotzdem betreibe ich mein Hobby ganz allein für mich und nicht, damit ich Daten öffentlich teilen kann.
Vielleicht lässt es sich ganz kurz so zusammenfassen:
Die digitale Welt ist eine Welt der Beschleunigung, voller Hektik. Das Hobby Astronomie entschleunigt und ist daher (für mich) ein Gegenpol. Das Führen von analogen Beobachtungsbüchern, die im Schrank stehen, ist das Höchste an Entschleunigung und daher in meinen Augen durchaus wichtig.
Oder ganz anders gesagt: Ich bin hoffnungslos altmodisch.
Liebe Grüße,
Christoph