Beiträge von JSchmoll im Thema „Erster Blick durchs Teleskop - Sehe das Haltekreuz?“

    Diese Anfaengerfehler gehoeren zur Lernkurve dazu, und es gibt keinen Grund, sich ihrer zu schaemen. Erinnert mich an meine ehemalige Partnerin, die als Astro-Einsteigerin dachte, beim Unscharfstellen von Sternen in ihrem Refraktor wuerde sie die Vergroesserung hoch drehen, und die farbigen Ringe im unscharfen Pupillenscheibchen waeren real. Wir haben alle solche Aha-Erlebnisse hinter uns.

    Mit 14 hatte ich einen 60/700er Refraktor und eine Kamera. Ich wollte damit Capella fotografieren - warum auch immer. Dazu am tiefsten Punkt im Norden und mitten im Sommer, weil das Dachkammerfenster dort hinzeigte - also schonmal maximal schlechte Bedingungen. Kamera kam nicht in den Fokus - egal, so ein bisschen Defokus wird schon nicht so schlimm sein. Dann kam ich auf die innovative Idee, auf der Mattscheibe anhand der Koernung den Stern haendisch zu verfolgen, waehrend ich belichtete. Warum hatte ich davon noch nie in Buechern gelesen? Leitrohr - papperlapapp! Also Drahtausloeser gedrueckt, klack! Nanu, alles schwarz? Klar doch, daswegen heisst das Ding auch Spiegelreflexkamera. Im zweiten Anlauf dann den 5x24-Sucher als Leitrohr benutzt. Capella loeste ich damit in viele viele Komponenten auf, was aber eher an der Nachfuehrung lag. "Finderguiding", wie das auf Neudeutsch heisst, gab es damals noch nicht.

    Andere Patzer:

    Bei der ersten Filmentwicklung die Flaschen nicht beschriftet, und das Fixierbad vor dem Entwickler benutzt. Der Film blieb glasklar und war hoechstens noch fuer Fenster in einer Modelleisenbahn verwendbar.

    Nach der Wolkenpause endlich aufs Objekt gehen, aber den Deckel (den man fuer die Dunkelstromaufnahmen/Darkframes draufmachte) draufgelassen. Das gibt viele gut nachgefuehrte Darks, aber leider kein Bild vom Objekt.

    Bei Eiseskaelte alles auf ein Foto setzen - 20min bei Superhimmel durch den neuen Sechszoeller. Leider war durch das steife Schmierfett der Klappspiegel der Kamera festgefroren. Der schmale Streifen auf dem Bildrand zeigte einigermassen saubere Nachfuehrung, aber der Nebel blieb hinterm Spiegel.

    Ein Klassiker, den ich nicht selbst erlebte, aber haeufig davon lese: Die Bahtinovmaske nach dem Fokussieren drauflassen. Das ist eine Fokussierhilfe, die ueber 90% allen Lichtes schluckt und die Aufnahmen sind voller Beugungsartefakte, die eigentlich nur zum Scharfstellen am hellen Stern dienen sollten.


    Auf der Expedition mit der Nachfuehrung der transportablen Montierung nicht zurecht kommen. Man hat sie auf "S" statt "N" stehen, also Suedhalbkugel, und die Ergebnisse sind exakt 2x schlechter als ohne Nachfuehrung.




    Also "auslachen" ist nicht. Wer noch nie draussen am Teleskop einen Fehler gemacht hat, war noch nie draussen! Oder wie es mal in Sky & Telescope hiess: Wer sich noch nie an seinem Teleskop den Kopf gestossen hat, hat noch nie beobachtet.

    Genau das macht den Reiz aus. Es selber zu machen, mit vorgegebenen Faehigkeiten, vorgegebenem Himmel und vorgegebenem Budget. Und einer Prise Glueck.

    Wenn ich ein wahnsinnig tolles Foto bewundere, das jemand mit einem High-End-Teleskop ferngesteuert von einem der besten Standorte der Erde aus gemacht hat - klar, dass das gut aussieht. Aber wenn ich ein Bild sehe, das jemand irgendwo aus einer Wohnsiedlung im Vorort einer Grossstadt aufnahm, mit einem kleinen Einsteigerteleskop und billiger Kamera - und dann zeigt es genausoviel oder mehr als meine besten BIlder - dann denke ich -wow! Und ich weiss, dass diese Lernkurve niemals endet.


    Damit nun: Willkommen im Astrotreff, willkommen in der Astronomie und viel Freude mit Deinem Teleskop. Als ich den oben erwaehnten 60mm-Refraktor hatte, war ein 150mm-Newton ein Traumteleskop. Laut Bresser-Katalog zum Beispiel ein "professionelles Teleskop fuer Sternwarten und den ambitionierten Amateur". Das kostete dann 4650 DM (*). Und Dein Teleskop ist besser, da es einen echten Parabolspiegel hat. Von daher war der Einstieg in unser Hobby noch nie so einfach wie heute.



    (*) Mein Taschengeld war 10DM im Monat. Angenommen, ich hatte in Askese gelebt und es hatte keine Verzinsung gegeben, haette ich 465 Monate sparen muessen. Das sind 38 Jahre und drei Monate. Ich war damals 14. Also naechstes Jahr haette ich das Geld zusammen. So ein Mist, das Teleskop gibt es nicht mehr. Aber egal, ein japanischer Mizar/Hino 153/1300er waere heute nicht mehr meine erste Wahl.