Beiträge von JSchmoll im Thema „I werd narrisch - Goto, Nachführung, Autoguiding...“

    Zitat

    dazu braucht es eine deutsche Montierung, bei der eine Achse parallel zur Rotationsachse der Erde ausgerichtet wird.

    Hi Christoph,

    um nicht noch mehr Konfusion aufkommen zu lassen: Arndt meint natuerlich "parallaktische Montierung", ein anderer Name ist "aequatoriale Montierung". Die "Deutsche Montierung" ist nur eine Bauform, die aber unter Amateuren weit verbreitet und beliebt ist. Warum "Deutsch"? Weil sie in dieser Form erstmal von Joseph von Fraunhofer im 19. Jahrhundert erbaut wurde. Es handelt sich um ein gedrungenes Achsenkreuz, an dem das Fernrohr exzentrisch aufgehaengt ist. Um die Unwucht auszugleichen, muss sich an der gegenueberliegenden Seite ein Gegengewicht befinden. Andere parallaktische (oder aequatoriale) Montierungen sind z. B. die Englische Rahmenmontierung oder die Gabelmontierung. Waehrend die Rahmenmontierung nur bei stationaeren Selbstbauten vorgefunden wird (eigentlich nur bei aelteren Geraeten in professionellen Sternwarten), ist die Gabel weit verbreitet - speziell im Zusammenhang mit Schmidt-Cassegrain-Teleskopen. Vorteile sind die kompakte Bauweise und der Umstand, dass kein Gegengewicht gebraucht wird. Nachteilig ist das Schwingungsverhalten ("Stimmgabel"), und die Festlegung auf einen Tubusdurchmesser. So muss man beim Teleskopwechsel, z.B. von einem 200mm auf ein 250mm-Teleskop, auch die Montierung wechseln. Bei der Deutschen Montierung muss man das nicht - man braucht allenfalls mehr Gegengewichte. Naturlich gilt das im Rahmen der Tragkraft. Hat man ein 200mm-Teleskop auf einer EQ6, kann man es durch ein 250er ersetzen. Aber nicht durch ein 350er, da die Montierung fuer dieses Trumm zu schwach ist.

    Zur Ausgangsfrage mit Nachfuehrung vs. GOTO: Das ist historisch bedingt.


    Die einfachste parallaktische Montierung hat eine Achse parallel zur Erdachse. Um dem Objekt zu folgen, kann man einfach an einer Welle drehen. Das ist komfortabler, als ueber zwei Achsen nachfuehren zu muessen. Der Daene Ole Roemer hatte diese Idee zuerst. Er stellte seine azimutale Montierung schraeg, sodass eine Achse parallel zur Erdachse war. Fraunhofer hatte dann die Idee, ein Uhrwerk anzuschliessen, um dieses Drehen zu automatisieren. Dies fand spaeter Eingang in die Amateurwelt: Nachfuehrmotoren waren zwar teuer, aber fuer Montierungen nachzukaufen. Wenn man fotografieren wollte, konnte man den Synchronmotor (haeufigste Bauform bis in die 1980er Jahre) mit einem Frequenzwandler (damals teuer!) aufruesten. So konnte man beispielsweise fotografieren, wenn man einen Leitstern im Fadenkreuz eines Leitfernrohres hielt, waehrend man den Film belichtete.

    Professionelle Observatorien bekamen dann die Moeglichkeit, ueber Winkelencoder die Teleskope dergestalt zu steuern, dass Objekte angewaehlt werden konnten. Dies wurde in der Amateurwelt aufgegriffen, und heisst heute GOTO. Es kam also nach der Nachfuehrung, war anfangs noch sehr teuer (und langsam!), aber gestattete den Komfort, Objekte ohne Probleme zu finden. Eines der ersten Systeme dieser Art war der Skysensor der japanischen Firma Vixen. Da brauchte es durchaus schon mal 5 Minuten, um von einem Objekt zum Anderen zu schwenken. Heute geht das natuerlich schneller: Die Motoren sind schneller, sind weniger stark untersetzt und koennen dann im Mikroschrittbetrieb nachfuehren. Oder man nimmt Servomotoren mit Encodern.

    Um das abschliessend nochmal von der Anwenderseite zu beleuchten:

    Parallaktische Montierung mit Nachfuehrmotor: Gestattet ein Folgen des Objektes fuer visuelle Beobachtung. Fotografie per Langzeitbelichtung ist bei guter Einnordung bereits begrenzt moeglich.

    Parallaktische Montierung mit GOTO: Beinhaltet auch die Nachfuehrung, findet aber nach der Kalibration (wo der Beobachter erst ein paar Objekte selber zentrieren muss) alle Objekte einer integrierten Datenbank automatisch.

    Parallaktische Montierung mit Autoguider: Wichtig fuer Fotografie, wenn man laenger belichten will. Als Einsteiger wuerde ich erstmal davon Abstand nehmen, da das Kennenlernen des Teleskops fuers Visuelle oder relativ kurze Langzeitbelichtungen schon genug Zeit einnimmt.

    In der Regel geht die Sequenz so:


    Montierung ohne Nachfuehrmotor

    Montierung mit Nachfuehrmotor (eine oder beide Achsen - Deklinationsachse zur Korrektur)

    Montierung mit GOTO

    Montierung mit Autoguider


    Es gibt aber auch Ausnahmen, wie Zweiachssteuerungen mit Autoguiderport, aber ohne GOTO. Beispielsweise fuer aeltere Montierungen, die aufgrund begrenzter mechanischer Gegebenheiten (z.B. Tangentialspindeltrieb in Deklination) keine vollstaendig motorische Erreichbarkeit aller Objekte am Himmel zulassen.