Hallo Mario,
jede Frage ist erlaubt, solange nicht untergriffig[B)]. Zudem klar, dass nicht jeder alles lesen kann (und will). Dieser Beitrag hat den Sinn, über offenen Diskussion auch bei mir Nachdenken anzuregen. Da kamen 2018 ganz tolle Sachen raus, die mir alleine ohne diese Forum nicht möglich gewesen wären. Ich sage da nur Danke, das es astrotreff und seine Teilnehmer gibt!
Ich denke momentan wirklich darüber nach, ob es nicht sinnvoller wäre, mal selbst anhand einer großen Karte das zu bezeichnen, was ich zu sehen glaube (dabei haben wir ja La Palma 2018 den Phobos Durchgang bemerkt). Wenn ich hier ein in meinen Augen gutes Bild nach dem anderen runterklopfe, macht das eigentlich weniger Sinn, da es definitiv an manchen Tagen bessere Bilder anderer Beobachter gibt.
Grundsatzfrage: Welcher Sinn steckt in unserem Tun bzw. warum mache ich das überhaupt? Meine Sicht: mir macht sowohl das Nachts vor Ort sein in der Natur (La Palma besonders) als auch das Aufnehmen selbst Spaß, wenn Seeing gut und sonstige Wetterbedingungen nicht zu extrem (Wind, Feuchtigkeit, Kälte,...). Die erste Bildsichtung ("Auswertung des gehobenen Schatzes") ist dann mal ein Übel, das wohl jeder scheut, der große Mengen aufgenommen hat.
Hat man mal die besten Filme gefunden, wird es wieder spannend, was man rauskitzeln kann. Aus dem ganzen dann perfekte Präsentationen zu machen, bedarf Zeit und künstlerisches Talent. Aus dem ganzen einen Vortrag zu machen, bei dem die Leute nicht einschlafen, ist dann nochmal richtig viel Arbeit - ich zeig meine Sachen lieber in ungezwungenen Workshops oder hier.
Wenn was besonders interessantes auf den Bildern drauf ist, dann zählt Schnelligkeit und das ganze gehört breiter verbreitet. Da ist unser La Palma Vorgehen nicht so richtig effizient bzw. Themaverfehlung, wenn das Thema wissenschaftlich wertvolle Planetenbeobachtung sein soll. Vorteil zu den Profis ist ja, das Amateure viele Augen haben und sofort was sehen, während die Profis ja ständig Bildmaterial erzeugen (z.B. durch die Marssatelliten oder Hubble), das aber kapazitätsmäßig gar nicht auswerten können.
Zur Sache selbst:
Mein Workflow (ein workflow ist notwendig, wenn man jeden Tag 150 Planetenfilme wie auf La Palma aufnimmt):
- ich lass mal alles durch Pipp laufen und sehe damit mit wenigen Blicken, ob es grundsätzliche Probleme gab (Planet nicht im Bild, zu dunkel, etc. ), dabei ensteht auch eine Filmliste aus Pipp, die ich derzeit einfach mit print Screen speichere
- Firecapture erzeugt auf Wunsch .txt files und sogar eine Beobachtungsübersicht; ich kopiere die .txt files in eine Excel Tabelle (wäre schön, wenn man das direkt aus Firecapture erhalten könnte)
- ich lasse alle Filme einzeln durch AS3! laufen als Batch z.B. Summe 25, 50, 75%; ich erhalte dann lauter Ordner mit fortlaufenden Bildern
COMPUTER BENÖTIGT DAFÜR EVENTUELL MEHRERE STUNDEN
- ich erzeuge dabei gleich geschärfte Versionen mit den Möglichkeiten von AS3! (wenn man die Filter kennt, schärfen die gar nicht so schlecht), eventuell auch Varianten in der Schärfung, wenn erster Versuch schlecht; Ziel ist die Erzeugung aussagekräftiger Bilder
- ich schau mir die geschärften Bilder an und bewerte sie
- ich bewerte die beste Stackgröße für jedes Bild
- diese Daten trage ich in Excelliste ein (früher hab ich das in Papier gemacht, geht schneller)
- ich treffe Entscheidung, was die besten oder interessantesten Filme sind
- für die besten Filme versuche ich, die beste Stackung heraus zu finden (man kann hier viel durch Stackgröße, Glättung und Kästchengröße erreichen)
- diese besten Stacks landen dann in einem Ortner mit "best"
- nächster Schritt ist die Herausfindung der besten Schärfungsmethode (die in meinen Augen beste Schärfungsmethode zeigt am meisten Detail, aber noch kein Rauschen oder Artefacte)- bin dabei nicht gebunden an eine Methode oder ein Programm (alles im Einsatz: Decon, iterativer Gauss, wavlet, Mex hat,.. was halt jeweils am besten geht)
Meist ergibt sich hier ein unterschiedlicher Flow für R, G, B!
Weiter mit winjupos:
- "beste Bilder" sind optimal geschärft. Bei mir ist derzeit noch alles s/w.
- ich lade die besten Bilder in winjupos hoch und schaue sie mir da nochmal genau an - winjupos hat hier gute Möglichkeiten z.B. Karten und Raster - und richte sie manuell aus
- zu den besten Bildern erzeuge ich winjupos Bildausmessungsdateien .ims
- erste Überlagerungsversuche separat für R, G, B, IR mit der Entscheidung, ob es Sinn macht, viele Filme zu addieren (bei unterschiedlich guten Bildern vermatscht man das Ergebnis, ab einer betimten Menge gleichguter Bildern bring weitere Addition außer Beseitigung des Randartefcts nichts mehr, auch ein Nachschärfen zeigt nicht mehr Detail)
- Optimierung der Ausrichtung bis Ergebnisse der Addition besser als die Einzelergebnisse (manchmal Kompromisse nötig)
- erste Bekämpfung von Drehartefacten
- Rekursionsschleife mit weniger, aber besten Bildern aus den besten Filmen, wenn keine Optimierung durch Addition erfolgt
- Farbbilderzeugung mit winjupos: erster Versuch, RGB zusammenzurotieren (manchmal sitzt der erste Versuch, das ist aber sehr selten)
- Optimierung Farbbild durch geschickte Auswahl Parameter und der teilnehmenden Filme
Ergebnis : erstes RGB Quick and dirty Bild (mit einem Gefühl für das, was möglich ist) - das ist der Grund, warum ich manchmal vorab Einzelkanäle zeige - spart einfach Zeit (bei Farbkamera kämpft man dafür mit anderen Problemen, wenn man tatsächlich von Anfang an in Farbe arbeitet - das hab ich in Praxis nie so gemacht, sondern immer ein s/w erzeugt und dieses optimal geschärft - Farbe hab ich immer aus mild geschärften Varianten genommen).
Wenn man jetzt wie 2018 tatsächlich 30 min perfektes Seeing hat, ergibt das bei Mars schnell mal 1 Million Bilder, die man verschieden zusammenstecken kann (mit jeweils verschiedene optischen Ergebnissen siehe Beitrag La Palma 2018). Wenn man wie 2020 dann mehrere Stunden Mars aufnimmt, ergab das an manchen Tagen über 100 Mars Filme. Wir haben meist 30 sec aufgenommen. Das hat 2018 bessere Ergebnisse gebracht, ist aber sicher nur für 12" aufwärts sinnvoll. Das sind dann echte 50 Minuten Material jeden Tag alleine für Mars und in Summe viele Bilder, da wir mit 500...700 fps aufgenommen haben.
Nach meiner Erfahrung kann man problemlos 20 min zusammenrotieren ohne zuviel Ärger, wenn man konsequent die Kanäle abgewechselt hat und durchgängig oder abwechselnd gutes seeing hatte.
Nach der ersten Runde folgt das genaue Aufarbeiten - anstelle schnell und schmutzig das ganze nun langsam, detailverliebt und möglichst perfekt - da gewinnt man nochmal ein paar Prozent.
Man kann mit winjupos auch Karten erzeugen und diese wieder in Bilder zurückspiegeln - dann ist ein Randartefact sicher weg, meist aber auch Teil der Bewölkung. Das ist bei mir dann immer die letzte Aufgabe.
Auf jeden Fall kann man sich mit der Ausarbeitung von 2 Wochen La Palma monatelang beschäftigen und den ganzen Winter in der warmen Stube verbringen[;)], ohne das es einem fad wird...
LG
Robert