Hello again, ich möchte euch wieder einmal teilhaben lassen, und am Schluss gibt es einen Beobachtungsaufruf:
Ich telefoniere mit Ralph, was er denn heute machen möchte und wo er hinfahren möchte. Das alte Spiel: Werden die Quellwolken nach Sonnenuntergang verschwinden? Ralph ist optimistisch: Er wird mit dem Rad 10 km nach Süden fahren und dort beobachten. Und ich packe zusammen. Als ich fertig bin und auch die Kontaktlinsen, die ich nur fürs visuelle Beobachten nehme, eingesetzt habe, sehe ich im Südosten Wolken, die wie eine Wand aussehen. Anruf an Ralph über sein Handy: Diese Wolken sind gerade über ihm! Abbruch der Aktion. Um 23 Uhr ist es total bedeckt.
Nächster Tag: Wieder dasselbe Spiel. Diesmal lösen sich die paar Wolken aber wirklich auf! Also los!
Diesmal hat’s mit dem Wetter wirklich geklappt:
Ich habe meinen 15x60 Feldstecher neben dem Auto (Auto = wichtigstes Beobachtungsinstrument) auf einem befestigten Weg neben einer langen Halle aufgebaut. Begrüßt wurde ich durch ein Überraschungs-Feuerwerk unten im Dorf mit farbigen Feuerkugeln, die von unten nach oben schossen (von oben nach unten wäre natürlich schon wesentlich interessanter gewesen!).
Hier ist es wolkenlos klar mit warmen Wind. Ich bin gerade im Alpenvorland auf 640 m NN. Im Süden sehe ich die Berge, und der Horizont ist völlig frei. Ein guter Platz, um das Milchstraßenzentrum zu sehen! Und im Norden, da, wo es durch die Dämmerung noch hell ist, steht die Halle. Also optimal.
Es ist noch ziemlich hell. Die Dämmerung schreitet nur langsam voran. Ein paar Sterne kommen durch. Und mir ist ziemlich warm: Ich habe meine Wanderschuhe angezogen, ein langärmeliges Hemd und darüber meine gefütterte Jacke, auf die ich sonst einen Parka darüber ziehe. Glühwürmchen steigen von der Wiese auf – wann habe ich sie zum letzten Mal gesehen? Es muss schon lange her sein. Jetzt zeigt sich leicht die Milchstraße. Links davon, im Norden, ist immer noch Dämmerung! Capella strahlt am Horizont.
Zeit, mit dem Ringnebel anzufangen, und mit Epsilon Lyr. Jeder Satz Tageslinsen ist leicht unterschiedlich, ich muss den Feldstecher nachfokussieren. Ich wandere in Sternfeldern, um die optimale Schärfe zu suchen. Eine wirkliche Winzigkeit, und die Sterne sind noch schärfer. Ich bilde mir ein, im Ringnebel einen winzigen schwarzen Punkt zu sehen! Das ist doch nicht möglich, bei 15-facher Vergrößerung? Auf dem stabilen Stativ wird die Schärfe erst richtig ausgenutzt. Wenn ich die Hände auf die Stativbeine lege, bleibt das Bild trotzdem absolut ruhig.
Jetzt ist es spürbar dunkel geworden, und die Konturen der Milchstraße treten deutlich hervor.
Ich fange im Schwan an: Die Sternwolke beim Nordamerikanebel ist fulminant. Sie tritt durch die umgebenden Dunkelnebel (u.a. nördlicher Kohlensack) deutlich hervor! Viele, viele Sterne, der Rest ein glühender Haufen Sterne. Vow! Der Pelikannebel ist auch zu sehen! Aber der Dunkelschlauch von M39 zum Coconnebel (den ich natürlich nicht sehe, ich habe schon eine dort stehende Sterngruppe im nicht ganz so scharfen 24x100 dafür gehalten) ist nicht so knackig wie gewohnt. Dämmerung? NGC 7789 steht tatsächlich im Licht, ist als Knödel zu sehen.
Im Skorpion sind Antares mit M4 und M80 ein grandioser Anblick. Jetzt kulminiert auch der Schütze, nichts wie hinein! Wie habe ich diesen Anblick vermisst! Die Wolken südlich von Trifid und Lagunennebel, Dunkel-, als auch Sternwolken, weiße Flächen. Die Überraschung bietet M24: in Sterne aufgelöst mit glühendem Sternhintergrund. Vielleicht das eindrucksvollste Objekt der Nacht. Es ist auch deutlich zu sehen, welche Sternwolken näher und welche weiter weg sind, aufgelöst mit vielen Sternen mit Sternteppichhintergrund oder gänzlich weiße Flächen. Die Sternwolken im Schwan zeigen Sterne, die Wolken in Scutum und Sgr sind weiße Flächen, aber mit so vielen Strukturen! Ich kann mich gar nicht sattsehen. Na ja, sonst würde ja auch eine Beobachtung reichen. Ich glaube, der 15x60 wird mein Milchstraßenuniversalinstrument (langes deutsches Wort). Jetzt ist es noch dunkler geworden, und ich sehe auch den Milchstraßenhintergrund und die Dunkelwolke bei M8, und auch den Außennebel. Erstaunlich, in den „weißen“ Nächten!
Ich suche „Erholung“ bei M22, aber es haut mich fast vom Stuhl: so hell hätte ich ihn nicht erwartet! Ein toller Anblick mit Lambda Sgr und M28 im gleichen Gesichtsfeld. Und auch der Bogen des Cirrusnebels ist später schön zu sehen. Ebenso der südliche, flächigere Teil des Sturmvogels. Ich bin aber da besseren Kontrast gewohnt. Jammern auf höchstem Niveau.
Zwischendurch hole ich auch den 7x50 heraus. Das bringt eine Kontraststeigerung zwischen den Dunkelnebeln und den Sternwolken, aber nicht wegen der 7mm AP, die ich sowieso nicht mehr erreiche, sondern wegen dem größeren wahren Gesichtsfeld.
Das Läuten von Kuhglocken von einer entfernteren Weide bringt zusätzliche Stimmung. Wie habe ich nach so einer Nacht gedürstet!
Als ich einen zweiten Durchgang machen möchte und wieder beim Milchstraßenzentrum beginne, sehe ich, dass es nicht mehr so „knackt“. Es ist schon etwas heller geworden. Ich gehe um die Halle und sehe, dass es im Nordosten hell geworden ist. Im Süden, durch das Milchstraßenzentrum zieht sich jetzt auch eine dünne Altostratuswolke.
Jetzt bin ich müde geworden und baue ab. Die Glühwürmchen fliegen immer noch. Im Auto sehe ich: 1:20 Uhr. Oh, ich hätte doch bis 2 Uhr beobachten können! OK, ich fahre heim. Daheim, um 2:30 Uhr, ist der Himmel zur Hälfte bedeckt.
Zu den emotionalen Beobachtungserlebnissen die technischen Anmerkungen:
Superscharfe Sternabbildungen bei niedrigerer Vergrößerung bringen mehr Sternwolkeneindruck, als höhere Vergrößerung mit nicht ganz punktförmigen Abbildungen. Der Sternwolkeneindruck liegt nicht nur am kleineren wahren Gesichtsfeld. Im Vergleich zum 15x60 hat mein 24x100 nur effektive 90 mm Öffnung (nach dem Test mit der Taschenlampe in 40 cm Abstand durch die Okulare leuchten und den Durchmesser der Lichtbündel messen). Der 15x60 liefert punktscharfe Abbildungen bei entspanntem Einblick. Der 24x100 ist oft nicht ganz scharf, oft muss ich beim Einblick die Achse suchen, wo er optimal scharf abbildet.
Die Aussage, dass man mit höherer AP lichtschwächere Nebel und insbesondere Dunkelnebel besser sieht, möchte ich dahingehend korrigieren, dass bei hoher AP die Vergrößerungen niedriger sind. Dadurch hat man größere wahre Gesichtsfelder. In den größeren Gesichtsfeldern sind immer helle und dunkle Nebel zu sehen, dadurch empfindet man höheren Kontrast. Kontrast liegt nach meinen Beobachtungen nicht an der AP, sondern am größeren wahren Gesichtsfeld. Die Transparenz des Himmels muss natürlich sehr gut sein.
Vielleicht kann jemand mit einem punktscharfen Großfeldstecher mit 25 bis 30-facher Vergrößerung die Sternwolke nordöstlich vom Nordamerikanebel anschauen? Dies wäre das Testobjekt zum Vergleich. Wann beginnt zugunsten der Sternanzahl der Wolkencharakter zu verschwinden? Das ist natürlich vom erzielbaren wahren und dem scheinbaren Gesichtsfeld der Okulare abhängig. Würde mich interessieren.
Mit astronomischen Grüßen von Helmut Spaude