Beiträge von Astrominimalist im Thema „Comeback mit 4 Zoll“

    Liebe Leute,
    man möchte die Zeit gar nicht mit Schreiberei verplempern, sondern dieses geniale Wetter zum Beobachten nutzen...
    aber wenn man eh im Home Office sitzt - und die lieben Kollegen einen nicht ablenken - kann man ja auch in den Forum surfen ;)


    Echt interessant, wie viele Rückmeldungen ich hier und auch per Mail ich v.a. zur Austrittspupille bekommen habe!
    Das ist mit einem Zoom-Okular wirklich sehr eindrücklich, quasi wirkt es wie eine "Kontrast-Schraube".


    Rene: Habe wieder viel im BAfK rumgeblättert. Wirklich ein tolles Projekt, das die Lücke zwischen Karkoschka/Reiseführer und "Night Sky Observers Guide" bzw. isDS-Guide auf der anderen Seite ausfüllt. Nehme auch gerne die neue Version, v.a. da ihr nun auch FG-Objekte als solche kennzeichnet.


    Norman: Habe deinen Artikel im is 99 nochmal gelesen, den mit dem Brockengespenst...und dann gleich den hier im Forum. Bissl verrückt biste schon, wa? ;) Bist du nicht vor -zig Jahren auch mal mit dem Rad zum HTT nach Uebigau gekommen, Stativ an der Stange festgezurrt?
    Jedenfalls erinnert mich das alles sehr an meine Kämpfe um guten Himmel, die zwar wesentlich unspektakulärer als deine sind, aber das gleiche Ziel heben.


    Andreas: Bei mir war die Familiengründung lustigerweise umgekehrt das Ende meiner damaligen Amateurmusikerkarriere (du kannst nicht jedes zweite Wochenende von Samstag- bis Sonntagmittag verschwinden und übermüdet und verkatert wiederkommen, wenn Frau und Baby zuhause alleine bleiben), aber der Wiedereinstieg in die Astronomie: Wir hatten uns ein altes Haus am Waldrand gekauft, dann wurde von den Nachbarn bei Blitzeis die Straßenlaterne gekillt... Resultat waren 5,7-5,9 mag als Durchschnittswerte, Rekord auch mal 6,3 mag. Heute dank LED-Flutlicht die ganze Straße hinab grade 5 mag.


    Marcus: Die kleineren Optiken bieten eben das große Gesichtsfeld am Himmel. Und so ein 100/500 auf BP 60 ist echt locker tragbar und wird auch als Zweitteleskop immer seine Daseinsberechtigung haben. Doch solange ich auch damit ganze Abende Beobachtungsspaß genießen kann, muss ich nicht unbedingt gleich aufstocken. Es gibt aber schon leichte Anflüge von Öffnungsfieber... Zumal mein bester (Astro-)Freund meinen 14er Spiegel hat und drumherum einen tollen Dobson gebaut hat. Da gucke ich dauernd durch und denke mir so einiges...


    Nu gudd, wie die Sachsen hier sagen (ich bin kein Eingeborender), jetzt vielleicht doch wieder etwas Erwerbsarbeit?!


    Viele Grüße und clear skies
    Kay

    Aus alten Zeiten habe ich ja viele Astrofreunde im ganzen deutschsprachigen Raum, außerdem kennen einige vielleicht noch meinen Namen von den Kolumnen, die ich viele Jahre für die Astrozeitschriften INTERSTELLARUM und ABENTEUER ASTRONOMIE geschrieben hatte. Und weil es damit vor etwa 2 Jahren vorbei war, verging mir zwischenzeitlich die Lust an diesem Hobby.
    Es ist damals manchmal schon richtig Arbeit gewesen, interessante Objekte und Themen zu finden, die auch den alten Hasen hinterm Ofen hervorlocken. Man hat ja auch einen Anspruch an sich selbst, dazu immer die Redaktionsdeadline. Man muss ein Jahr im Voraus planen, Objekte recherchieren und beobachten, gute Fotos finden oder in Auftrag geben... klar macht das auch Spaß, aber es ist eben nicht völlig zwanglos.


    Aber als das nach insgesamt über 10 Jahren wegbrach, war meine Motivation bei Null, zumal ich inzwischen mein anderes Lieblingshobby Musik ziemlich forciert hatte und in einigen tollen Bands spielte (und inzwischen eine Menge Instrumente, Verstärker, Boxen, Effektgeräte usw. angehäuft hatte, die auch Platz brauchen.) Ich liebäugelte damit, all die Atlanten, Bücher, Ferngläser usw. zu verscherbeln, um einen sauberen Strich zu ziehen.


    Doch das Leben hat manchmal andere Pläne... Nach ein paar klaren Nächten hatte ich mir im Winter spontan einen kleinen 72er ED zugelegt, eigentlich für ein bisschen Sonne, Mond und spaßeshalber auch Deep Sky. Passte auf meine geliebte Baader BP 60 und auch zu den vorhandenen Okularen. Nach einigen Nächten im Garten und auch auf einem ordentlichen Beobachtungsplatz (Grenzgröße meist 6-6,5 mag und Rundumsicht) musste ich feststellen, dass er nur unwesentlich mehr zeigte als mein tolles 10x50er Fernglas, das Dekarem von Carl Zeiss Jena. Wobei ich die Möglichkeit, höher zu vergrößern und Filter zu benutzen, schon gut fand. Der Rosettennebel im harten O-III von Baader war atemberaubend! Von wegen, an kleinen Optiken nur UHC! Gleiches passierte mir mit dem Californianebel und dem Hß-Filter, ebenfalls der harte von Baader. Den Nebel hatte ich vorher so noch nie komplett beobachten können.
    Aber das waren die Sternstunden, so ein bisschen mehr Öffnung hätte ich schon haben wollen.
    Nur zur Info: Ich hatte schon viele „richtige“ Teleskope: u.a. Dobsons zwischen 6 und 14 Zoll, etliche Refraktoren zwischen 50 und 120 mm Öffnung. Aber als „Astrominimalist“ und Autor für „Astronomie mit bloßem Auge“ und Fernglas-Kolumnen war mein Fokus immer bei kleinen Öffnungen und speziell Ferngläsern, zumal ich dazu einiges an Literatur und Beobachtungserfahrung angesammelt hatte.


    Und dann kam jetzt auch der Zweifel, ob das mit der plötzlichen Wiederentdeckung des alten Hobbys nicht nur ein Strohfeuer sein könnte...
    Jedenfalls erwarb ich über dieses Astroforum (oder war es das andere?) einen 100/500er Achromaten, der auch von der BP 60 noch gut getragen wird. Ob zuhause im Hof bei ca. 5 mag und Streulicht ohne Ende und Berg im Süden oder auf dem Beobachtungsplatz bei 6+ mag und öfter ordentlichem Wind in den letzten Wochen, das Feuer war wieder da! Gut, dazu kam natürlich, dass wegen Corona weder Bandproben noch Auftritte stattfinden konnten, Konzerte besuchen wegfiel usw.


    Ich kenne ja die meisten Objekte von Fotos, kleineren oder viel größeren Optiken, aber die Beobachtungen hatten was von Treffen mit lieben alten Freunden. Ganz bewusst hatte ich weder Diktiergerät noch Zeug zum Zeichnen eingepackt, auch das Zweit-, Dritt- oder Viertfernglas für die Kolumnen blieb zuhause. Einfach ein 10x50 und ein 100/500. Dazu lediglich Karkoschka und DSRA, also der Atlas zu Ronald Stoyans Reiseführer. Als der Mond auftauchte, wurde der Gelbfilter rausgekramt, damit kann man auch mit einem „Farbwerfer“ durchaus 120-fache Vergrößerung ertragen und einiges auf der „Säufersonne“ finden.
    Was soll ich sagen: In den letzten zwei Monaten war ich viel öfter draußen als in den zwei Jahren zuvor.


    Den Orion konnte ich so richtig nur mit dem 72er mitnehmen, wobei M 42 in den verschiedenen Filtern immer wieder schön ist. Aber auch der Flammennebel zeigte sich, genau wie M 78. Den Rosettennebel hatte ich ja schon erwähnt. Ob Krebs, Löwe, Jagdhunde, Große Bärin... die Messier-Objekte alle ohne Probleme und oft mit einigen Details. Coma und Jungfrau waren in den letzten Nächten dran...


    Die für mich schönsten Beobachtungen mit 4 Zoll waren:


    der „Intergalaktische Wanderer“ NGC 2419, der indirekt immer wieder hervorblitzte neben der schönen Sternenreihe
    das ungleiche Kugelsternhaufenpaar des hellen M 53 und daneben des unscheinbaren, wenn nicht sogar schwierigen NGC 5053. Den meine ich indirekt sicher gesehen zu haben, aber ich gucke nochmal nach. Jedenfalls war da früher selbst im 20x80 nichts. (Ja, im 8-Zoller schon, aber das ist eben nicht dasselbe.)
    der Virgohaufen vom Hof aus, selbst bei gerade 5 mag sieht man so viele Galaxien, dass ich immer wieder nachsehen musste, welche das gerade waren
    M 81/82 mit den schwächeren NGC-Galaxien drumherum, einfach ein schönes Feld. Und höher vergrößert zeigten sich die beiden Messiers völlig verschieden
    der Vergleich zwischen dem Triplett und und dem Quartett im Leo. Da wurde mir so richtig klar, warum ich mit dem Fernglas einige der Galaxien so locker sehen konnte, andere aber kaum oder gar nicht. Das kann man so mit einem großen Dobson gar nicht so nachvollziehen.


    Und auch was die technische Seite anging, fielen mir nach 2 Jahren Abstinenz einige Dinge auf, die mir vorher nicht so bewusst waren - und die natürlich nicht für alle Beobachter gelten, sondern erstmal nur für mich:


    Gesichtsfeld ist gar nicht so wichtig. Mein meistbenutztes Okular ist ein No-Name-Zoom 6,5-19,5mm mit 40-60° Gesichtsfeld, welches aber unheimlich praktisch ist, um ein Objekt nicht zu verlieren beim höher Vergrößern. Und wenn man gut nachführen kann, ist es viel wichtiger, das Objekt im Zentrum zu sehen als einen möglichst großen Himmelsausschnitt drumherum.
    Die Austrittspupille bzw. die Vergrößerung bestimmt die Sichtbarkeit eines Objekts ENTSCHEIDEND! Das merkte ich früher weder mit dem Fernglas noch am Dobson so intensiv, wenn man seine 3-5 Okus so gewechselt hat. Beim stufenlosen Verändern der Brennweite konnte ich richtig zusehen, wie der Kontrast zwischen Himmelshintergrund sich immer wieder deutlich veränderte. Auch dort, wo ich es so nicht vermutet habe. Jedenfalls war es meist so, dass höhere Vergrößerungen auch den lichtschwachen Objekten weniger schadeten, als ich vorher dachte.
    Wind, Müdigkeit (auch vom Vortag), Stress und das Wissen, wann der Wecker am nächsten Tag klingelt, sind Feinde des entspannten Beobachtens. Aber gute Freunde, die einen zum Rausfahren animieren oder einfach nur 5 Meter entfernt beobachten, ein gutes Abendbrot oder selbst ein entspanntes Bier zum Sonnenuntergang bringen den Genuss am Sternenhimmel sehr voran.
    Eine gute Montierung (also stabiles Stativ und wackelarme Nachführung) sind ebenso wichtig wie die Optik. Die BP 60 besitzt Nachführschrauben in Azimut und Höhe, was mir viel besser gefällt als das Dobson-Feeling von Giro oder Ayo (habe ich jeweils auch schon besessen). Ist Geschmackssache, aber in meinem Falle eindeutig. Sollte jeder für sich ermitteln, bevor er sich mit einem großen Dobson bzw. einer GOTO-Montierung usw. ausstattet.
    Kartenmaterial, Sucher und Primäroptik sollten zueinander passen, und natürlich Beleuchtung (Rotlichtlampe) und Sehhilfe (z.B. Lesebrille für die Sternkarten). Ob es Faulheit ist, dass ich viel lieber ein Amiciprisma als einen Zenitspiegel im Okularauszug habe? Jedenfalls muss ich da die Karte nicht drehen oder im Geiste spiegeln. Und ein Leuchtpunktsucher reicht bei kleinen Optiken allemal! Was mir hilft, ist ein Kennenlernen der Region mit dem Fernglas, meist entdeckt man das Zielobjekt schon direkt. Zumindest findet man die wichtigen Sterne für das Starhopping.


    Wie geht es nun weiter? Idealerweise genau so! Guter Himmel, relativ wenig Stress... aber das Leben macht einem ja öfter einen Strich durch die Rechnung. Hmmm, ein großer Dobson ist nun wieder mal so ein Traum...


    Aber noch viel unmittelbarer und greifbarer: Als ich (vor-)gestern gegen 2 Uhr vom Beobachtungsplatz rollte, griff der Skorpion schon mit seinen Scheren nach mir, tönte es zart aus der Lyra... und der Schwan wollte mich mit seinen weiten Schwingen einfangen. Ich war zu müde, um doch noch zu bleiben - aber diese irre Vorfreude auf die Sommersternbilder, auf den Schützen und die Sommermilchstraße, die war absolut da, so richtig mit Herzklopfen. Aber das hat doch noch Zeit...