Beiträge von Rieger im Thema „Selbstbauprojekt 150/2250mm Refraktor“

    Hallo Hannes,


    ich hatte dir zwar vorgeschlagen, mal telefonisch klön-zu-schnacken, weil schriftlich alles zu verfassen mir zu zeitaufwändig schien, aber da in Corona-Zeiten an den Schulen nun alle Kinder aus Bullerbü in ihren „Ferien auf Sagrotan“ (extra3) sind, nun doch mal mein Sermon zum Thema. Damit ich keinen Punkt vergesse, vorab die Stichpunkte:


    - langer Tubus ohne Durchbiegung
    - Blenden setzen
    - OAZ mit Fokusierweg mit 20cm+
    - Faltbauweise „Fagott“ vs. „Nemec“
    - Montierungswahl
    - Sinnhaftigkeit von Korrektoren gegen atmospärische Dispersion (hast du ja vielleicht sogar schon längst)


    Zuerst die Skizzen, auf die ich unten verweisen werde:



    Thema Durchbiegung: Ein langer Tubus kann ja nur dann durchbiegen, wenn er in der Mitte seiner Länge unwillkürlich einen waagerecht leicht elliptischen Querschnitt einnehmen kann (sh. Abb 1a) Wählst du für die Blenden statt dünnen Blechen, die nur Streulicht abhalten können, ein stabiles, 5mm oder dickeres Material (am Blendenrand sinnvollerweise angeschrägt (Abb 1b)), dann zwingst du das Rohr, einen kreisrunden Querschnitt beizubehalten, so dass es nicht durchbiegen kann (Abb 1c). Obwohl zum Streulichtschutz in langen Röhren sicher drei Blenden reichen dürften, befinden sich zur Stabilisierung in meinem in Medebach z. Zt. noch im Einsatz befindlichen „Lulatsch“ 5 Blenden in seinem für 150mm Öffnung nur 160mm Außendurchmesser schlanken Tubus (Er ist nicht dicker, als der 125er LK, den ich dir vor fast 20 Jahren abgekauft hatte und wirkt wie Marks 125mm/f:20er)


    Thema Blenden setzen: Der Vorbesitzer hatte den 150er mir mit zwei Tuben verkauft: Mit einem transportablen Fagott (dazu weiter unten noch) und mit einem langen Tubus, mit dem der Vor-Vorbesitzer ihn stationär aufgestellt hatte. Darin saßen diese Blenden allerdings falsch, denn sie blendeten/vignettierten das Objektiv auf 140mm ab. Ich klopfte die vorsichtig heraus und setzte die Blenden nur auf neu berechnete Positionen, die dem Objektiv im Fokus erlaubt, eine Fläche von 43mm Durchmesser voll auszuleuchten. Dazu habe ich mir ein Abflussrohr für 125mm Innendurchmesser besorgt, mit Folienstift die Positionen der Blenden 1-5 markiert. Dann schwärzte ich den Teleskoptubus neu bis etwa zur Position der ersten Blende, setzte die erste Blende in den Tubus und klopfte sie mittels des Abflussrohres mit einem Brett und einem Hammer so weit in den Tubus, dass die Folienstift-Markierung mit dem Tubusende übereinstimmte (Abb. 2). Die Blende wurde mit der trocknenden Farbe festgeklebt. Dann schwärzte ich weiter und setzte sukzessive die übrigen Blenden ein.


    Thema OAZ mit Fokussierweg 20cm+: Davon rate ich dir ganz unbedingt ab! Am Medebacher „Lulatsch“ habe ich einen 2,7“-OAZ mit nur 14cm Fokussierweg, doch ich musste ursprünglich bei Nutzung von einzig einem Okular zwei 80mm und ein 50mm Verlängerung einsetzen, die irgendwann am Ende durchhängen. Dann ließ ich mir zumindest zwei verschraubbare 2,7“ Verlängerungen mit 130mm und 80mm drehen, stabil, doch schwerer als die 2“-„Extensions“. Sicherlich wünscht man sich für all sein okularseitiges Zubehör-Spielzeug aber auch ausreichend infrafokalen Weg. Für meinen künftigen Medebacher „Über-Lulatsch“ werde ich mit Gerd Weber (dir aus Bochumer Zeiten ja auch noch bekannt) einen anderen Weg gehen: Auf Gerds optischer Bank haben wir den optischen Weg gemessen, den ich infrafokal bräuchte, wenn ich a) Korrektor + b) Filterrad + c) 2“-Zenitspiegel oder Amiciprisma (für Mond mit Rükl-Atlas auf dem Schoß) + d) Binoansatz gleichzeitig verwenden wollte. Das ergaben 230mm infrafokalen Weg. Das entspricht tatsächlich dem Weg, den du dir für deinen OAZ auch vorstellst. Das ergibt aber eine wackelige Geschichte, wenn du mal ganz puristisch nur mit einem Okular geradsichtig beobachten möchtest (und du sagtest mir mal, das du gerne auch puristisch beobachtest, so wie ich selbst auch gern geradesichtig im Liegestuhl unterm Lulatsch ruhe.) Mein Neuer für Medebach wird ein rasch abnehmbares Verlängerungsrohr zwischen dem um 230mm verkürzten Tubus und dem OAZ erhalten, den man bei Einsatz allen OAZ-seitigen „Spielzeugs“ abnimmt und den OAZ direkt am Tubus anflanscht (sh Abb. 3a und b). Die alten LK´s hatten das auch alle (zumindest die größeren) und auch das Fagott, das der Michael („Nonsens“) oben eingestellt hat (und das ich ihm abgekauft hatte), besitzt ein solch abnehmbares Zwischenrohr.


    Thema Faltrefraktor als Fagott oder nach Nemec: Fagotts (sh. Abb 4a) hatte ich bisher zwei.
    Das erste war das ehemalige vom Michael mit FH-Objektiv (das m. E. aber leider nicht sehr justierstabil war).
    Das zweite war das unverwüstliche, von Wolf Wellnitz aus dem Emsland gebaute, mit einem dem FH vom Michael deutlich überlegenen HA-Objektiv. Nach der stationären Aufstellung im langen Tubus bedauerte ich es nachträglich, dass ich das Fagott ohne Objektiv für ´nen Appel und ´nen Ei dem Martin Trittelwitz abgab (Der wollte sich einen Schaer bauen, war aber flugs aus Berlin nach Medebach gesaust, als er ohne langes Basteln sein China-Objektiv nur oben auf mein Fagott drauf setzen brauchte und los gings. Das wäre auch noch eines für dich gewesen.)
    Mein künftiger Über-Lulatsch hingegen sitzt z. Zt bis zu seiner stationären Aufstellung in einem „Nemec“-Tubus (Abb 4b) aus Gerd Webers Hand gefertigt. (Sollte ich als Greis meine Sternwarte mal aufgeben müssen, könnte ich auf einem vorhandenen schweren rollbaren Dreibein auf der kleineren Montierung, die den 16“ Newton in Medebach trägt den 8“ Halbapo mit Nemec-Tubus noch vom Südbalkon meines künftigen Altersheimes betreiben.)
    Da das Fagott nur einen einzigen justierbaren Planspiegel besitzt, ist der ggf. erforderliche Justieraufwand geringer. Sitzt der in der „Tiefe“ einmal richtig, sollte man eine der Justierschraube nie mehr anrühren und später immer nur an den zwei anderen Schrauben justieren (schraubt man an allen dreien herum, gerät der Planspiegel schnell auch aus der optischen Achse, während beim lotrecht eingebauten Newton-Spiegel lediglich der Fokuspunkt etwas auf und ab wandert.) Der zweite Spiegel, der wieder ein astronomisch richtiges Bild gewährleistet, ist nur ein Zenitprisma, dass man sich im sitzen in die bequemste Position drehen kann. Ein Fagott ist mit jeglichem Zubehör auf halbhoher Säule auf Rollstühlen sogar leichter erreichbarer und damit „geriatrietauglicher“ als ein Nemec-Tubus mit fixem Newton-Fokus. Beim Nemec mit Newton-Fokus auf halbhoher Säule müsste die Sitzhöhe im Laufe der Nacht mal angepasst werden. Außerdem benötigt diese Bauweise zwei zu justierende Planspiegel. (Mich versöhnte der Nemec-Tubus nur, weil Gerd ja nach der Devise fertigt: „Wer an seinen Teleskopen Justierschrauben verbaut, nimmt Fertigungsfehler in Kauf!“, und er mir den um oben genannte 230mm optischen Weg verkürzten Tubus mit optimal fest verbauten Planspiegeln fertigte und das Justieren entfällt.)


    Thema Montierungswahl: Wenn Michael sein früheres Fagott auf seiner WAM der 4er-Serie präsentiert, so ist das sicher eine bomben-steife Kombination. Ich betrieb ihn seinerzeit auf einer alten Vixen-Saturn ebenfalls höchst zufriedenstellend. Ein Interessent an dem Fagott will ihn auch schon auf einer EQ 6 im Probebetrieb zufriedenstellend betrieben haben. Mein Abnehmer aus der Schweiz wollte ihn mir zuletzt unbedingt in der Kombi mit der Saturn-Monti abkaufen. Aber der „Luna-Man“ (so sein Forenname) aus der Schweiz teilte mir mal mit, dass er seinen langen ungefalteten 150er Lulatsch zuerst auf einer WAM der 4er-Serie betrieb, sich aber dann doch endlich noch was größeres zulegte. Dabei muss einem klar sein, dass Refraktoren in Faltbauweise zwar einen kürzeren Hebel haben, dafür aber Dank Planspiegel deutlich schwerer werden.


    Thema Korrektoren gegen atmosphärische Dispersion oder Atmospheric Dispersion Corrector, kurz: ADC (Vielleicht hast du einen solchen ja längst, dann schreibe ich das trotzdem für die interessiert Mitlesenden): Ich habe mir schon vor gefühlten Jahrzehnten einen solchen über den „Boxdörfer“-Koch zugelegt, der die als einer der ersten vertrieb. Hintergrund war, dass ich einst TAL-Okulare an anderen Teleskopen nutzen wollte, die aber nicht in 1¼“-Adapter passen wollten. Jener Rainer Ludwig, dessen Name meine Sternwarte aus Bierlaune erhielt, drehte mir den Adapter um 0,3mm auf. Die ersten TAL´s im Westen hatten metrische 32mm-Okulare. Als ich mal ein Zenitprisma zur Beobachtung in Horizontnähe aus dem Adapter nehmen wollte, zugleich aber durch das Okular schaute, ließ das Prisma sich verkippeln: Verkippte ich das Prisma in ca. 89/88° nahm die Farbdispersion noch zu/Richtung 91/92° verkippt, wurde die Dispersion weg korrigiert. Völlig ange-„flasht“ war mir trotzdem klar, was das erklärte. Später las ich in Riekers „Teleskope und ihre Meister“, dass Shupman für den Apo-gefrusteten Fauth in die neu entwickelten Mediale solche Einrichtungen fest verbaut hatte. Im Kreise einiger Herner Amateure wusste jemand, dass er solche Korrektoren seinerzeit schon als okularseitiges Zubehör gab. Damals empfahlen die Hersteller noch ein optimales Öffnungsverhältnis zwischen f:20 und f:30 (ggf. herzustellen mit Barlows). Ich erprobte das allererste Modell und sein erstes Nachfolgemodell: Letzteres zeigte mir auch mit f:15,3 Skorpionschwanz-Stern Shaula wohl korrigiert (Teleskopeigenen Restchromatismus ausgenommen.) Der Einsatz des Korrektors zeigt sogar bis 60° über Horizont noch eine erkennbare Bildverbesserung (nur 30° um den Zenit herum kann man drauf verzichten). Mittlerweile gibt es die Dinger auch schon für Öffnungsverhältnisse um f:10, was sie auch für SC- und MC-User attraktiv macht.


    So, genug für´s Erste!


    CS. und bleibt gesund (wie die gebräuchlich gewordene Grußformel seit kurzem lautet.)


    Hubertus


    P.S.: Ist dein Objektiv wirklich komplett unvergütet oder ist nur die Wind und Wetter ausgesetzte äußere Glasfläche unvergütet, aber die drei anderen vergütet? Da die Vergütungen früher nicht so haltbar waren, stellte z. B. D. Lichtenknecker bis Ende der 60er Jahre seine Objektive auch nur mit drei vergüteten Linsenflächen her.