Beiträge von JSchmoll im Thema „Frage zu den Spiegeln“

    Hi Rene,


    wenn Du eine Fluessigkeit in Rotation versetzt, bildet sich eine Parabel. Also eigentlich die beste Spiegelform fuer viele Teleskopsysteme.


    Du brauchst dann aber keine Folie mehr und kein Vakuum, sondern nur ein zylindrisches Gefaess.


    Es gibt experimentelle Fluessigspiegelteleskope, die mit Quecksilber arbeiten. Irgendwo in Kanada steht so ein Teil, 6m Durchmesser. Der Fluessigspiegel ist sehr vibrationsempfindlich, sodass der Motor mit der rotierenden Form ueber ein sehr duennes Band (aehnlich dem Band aus einem Audio- oder Videorekorder vergangener Tage) verbunden werden muss. Abgesehen von der Giftigkeit des Quecksilbers ist das Kardinalproblem, dass sich das Fernrohr nicht schwenken laesst (okay, es liesse sich schwenken, aber dann wuerde der Spiegel "ausgeschuettet"). Es ist also ein reines Zenitteleskop, das sich nur im Transitmodus verwenden laesst.


    Und dann gibt es Roger Angel im Steward Mirror Lab in Arizona, der grosse Spiegel bis 8.4m Durchmesser aus Borsilikat giesst. Der Ofen rotiert, und die entstehenden Wabenspiegel sind im Prinzip parabolisch. Aber die Oberflaechenguete ist nicht optisch, und muss noch weiter geschliffen und poliert werden. Das ist hier auch gar nicht beabsichtigt, aber durch das Vorformen durch die Rotation wird vermieden, dass nach dem Erkalten eine grosse Menge Glas abgeschliffen werden muss. Das spart Zeit, Geld und Glas.


    Ach ja, noch ein Schwank aus vergangenen Zeiten: Mit einem Kumpel haben wir nach der Lektuere eines Artikels ueber Quecksilberspiegel ("Sterne und Weltraum", um 1986) auch mit Fluessigspiegeln experimentiert. Eine Haushalts-Tupperform auf einem Plattenspieler musste dafuer herhalten. Mit Wasser ergab sich ein Spiegel, der eine Gluehwendel einer Taschenlampe gut an der Zimmerdecke abbilden konnte. Aber nur 4% Reflexion. Wir machten dann Spiegel aus Gips und aus Gelatine, aber beide waren nach dem Erstarren zu rauh, um als optische Oberflaeche zu dienen. Wir hatten damals die Phantasie eines essbaren Teleskopspiegels ... natuerlich voellig ernsthaft, ist ja klar. [:o)]

    Hallo Mathias,


    das ist schwer zu sagen. Unter der Annahme, dass die neue Astro-Solarfolie von Baader eine hinreichend kleine Mikrorauhigkeit aufwiese, um in Reflexion bildgebend verwendet zu werden, waeren die Kosten wirklich klein. Ein halber Quadratmeter kostet ja irgendwas unter 100 Euro.


    Dazu kaemen dann die Kosten fuer eine geeignete Zelle, die eventuell angeschliffene bzw. polierte Schmiegflaechen haben muesste - so nannte ich die Kontaktflaechen, an denen der Spiegel von der Zelle in das freie Haengen uebergeht. Und die Vakuumpumpe. Und Sensorik, um entweder ueber die Ueberwachung von Temperatur und Luftdruck oder durch einen Bildsensor einen Regelkreis zu bilden, der den Spiegel konstant haelt.


    Dann ist der Spiegel ja weder sphaerisch noch parabolisch, sondern "irgendwas". Da bedarf es noch einen Korrektor, um zumindest in Achsnaehe ein passables (=beugungsbegrenztes) Bild hinzubekommen.


    Ich hatte damals auch davon getraeumt, mal ein wirklich grosses Teleskop zu bauen. "Gross" war fuer mich um 40cm Oeffnung, und damals um 1990 war sowas gross. Aber die Realitaet hat mich eingeholt.


    Ich fing dann spaeter an, klassische Teleskopspiegel zu schleifen und die machen nun wirklich eine brauchbare Abbildung. Und das ohne Pumpen und Sensoren.

    Hallo Rene,


    ich habe meine halbe Jugendzeit mit der Erforschung von Membranspiegeln verbracht. Bin gefoerdert worden, bekam bei "Jugend forscht" und bei "Jugend und Technik" ein paar Preise und ich habe viel gelernt. AAAber: Es funktioniert nicht! Wer schonmal versucht hat, einen Ball als Geschenk zu verpacken, kennt das Problem: Es geht nicht faltenfrei.


    Ich habe mit duennen Brillenkunststoffscheiben (d=100mm, Dicke 1mm) experimentiert, dann mit Hoechst Hostaflon (das war ein Ueberdruckspiegel, vordere Flaeche durchsichtig und die hintere Flaeche verspiegelt). Zuletzt dann (Dank an Leybold zur Spende einer richtigen Vakuumpumpe) Mylar.


    Die Probleme:


    - Geometrie: Die Flaeche laesst sich nicht faltenfrei transformieren. Diese Falten sieht man nicht unbedingt, aber im Foucaultbild (das ist ein Spiegeltest) sind sie genauso erkennbar wie ber der Verwendung von durchsichtigen Folien im polarisierten Licht.


    - Rauhigkeit: Auch die Baaderfolie hat noch eine schlechtere Mikrorauhigkeit als eine optisch polierte Oberflaeche. Der Unterschied ist nicht gross und faellt in Transmission nicht auf (deshalb sind die Baaderfoliensonnenfilter auch so gut), aber in Reflexion sind die Anforderungen hoeher.


    - Stabilitaet: Das Vakuum muss stabil genug sein, dass sich die Brennweite durch Druckschwankungen nicht verstellt.


    - Umwelteinfluesse:


    * Die Folie dehnt sich mit der Temperatur aus. Wird es also kaelter, wird sie strammer und die Brennweite nimmt bei gleichem Druck zu.


    * Aendert sich der Luftdruck, aendert sich die Brennweite. Der Membranspiegel ist ein schoenes Barometer.


    * Wind kann groessere Spiegel in Schwingungen versetzen. Das ist sogar schon bei klassischen Grossteleskopen ein Problem: Der Spiegel wird zum Segel.


    Mein Testteleskop mit 200mm Durchmesser und angeschliffener, voll justierbarer Zelle hat so gerade die Maria auf dem Mond zeigen koennen. Das Aufloesungsvermoegen war also nicht besser als das eines blossen Auges.


    Meine Konklusion damals war, dass sowas vielleicht fuer laengere Wellen geeignet ist, wo aus Beugungsgruenden die Ortsaufloesung sowieso niedriger ist. Beispielsweise als Radioteleskop, das vorzugsweise in einem vollklimatisierten Radom eingesetzt wird. Also einer geschlossenen Kuppel, in der Temperatur und Luftdruck konstant gehalten werden waherend das Kuppelmaterial fuer die Wellenlaengen, die beoachtet werden sollen, durchsichtig ist.


    Oder man geht in den Weltraum. Meine Vision war eine Art Ballon, eine Seite verspiegelt, als ultraleichter Fluss-Sammler.


    Ich bin nie 100% dahintergekommen, welche Form der Spiegel hatte. Die Abweichungen waren fuer einen Foucaulttest viel zu gross, es war also meilenweit von einer Sphaere entfernt. Ich vermutete den Cosinus Hyperbolicus ("Kettenlinie"), habe mir da auch per Heimcomputer einen zurechtgefittet, aber die Juroren konnte ich damit nicht ueberzeugen. [:D]


    Die Idee das Membranspiegels ist uebrigens schon sehr alt, und immer wieder gibt es neue "Erfinder". Ich lese gerade das Buch "The Aha-Moment" von David Jones (der englische Professor, der in den 1980ern in "Kopf um Kopf" im WDR-Fernsehen immer die skurrilen Experimente machte), und auch er forschte auf diesem Gebiet. Ich habe so mit einigen Experimentatoren gesprochen, wovon einer lustigerweise eine Zelle entwickelte, die meiner damaligen Version 4 verblueffend aehnelte.


    Aber unterm Strich funktioniert es halt nicht.