Beiträge von Guntram im Thema „Alois Ortner“

    Hallo miteinander.



    Als ich den 225mm Sekundärspiegel für meinen großen Tetra-Schiefspiegler gegen die Testplatte korrigierte, passierte es: Die beiden Spiegel waren plötzlich "angesprengt" - wie mit Superkleber verbunden. Es war nichts zu machen. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, und fürchtete um die viele Arbeit.
    So rief ich an diesem Sonntag verzweifelt Alois, den etwa 13 Kilometer entfernten Nachbarn an, und er machte sich sofort auf den Weg. Er erklärte geduldig, was passiert war, und hatte die Scheiben im Nu getrennt. Natürlich war es damit nicht getan. Er sah mir beim Polieren zu, gab einige Ratschläge, zeigte mir, was am Polierwerkzeug zu verändern war, und führte dieses Werkstück zum erfolgreichen Ende.


    Damals kannte ich Alois schon einige Jahre, und er war voller Neugier, wenn ich ihm eine meiner Teleskop-Kreationen vorstellte. Nach einer ausgiebigen visuellen Prüfung kam jedes Gerät auf die berüchtigte Folterbank.


    Wie so vielen anderen Sternfreunden erklärte er dann auch mir bis ins kleinste Detail, was er gerade maß, wie und warum es so zu machen sei. Stolz wies er auf jede Verbesserung hin, die er an seinen Messgeräten wieder eingebaut, geprüft, und für gut befunden hatte. Jeder Irrweg, den er beschritt, wurde ebenso genau auf die zu Grunde liegende Ursache abgeklopft. Jede für wichtig erkannte Verbesserung hat er umgesetzt. Es war egal, wie lange das dauerte- fünf Minuten, fünf Stunden, zwei Wochen. Zeit war nichts; das Ergebnis alles. Von Alois habe ich gelernt, was Geduld heißt.


    Und Beharrlichkeit. Er verfolgte beispielsweise genauestens mit, was in der Yahoo-Interferometrie-Gruppe lief. Keine Kleinigkeit, denn da es ihm, wie fast allen seines Jahrgangs, nicht vergönnt war, in der Schule Englisch zu lernen, brachte er sich einiges selbst bei, und fragte immer wieder telefonisch an, was gemeint sein könnte. Ich erinnere mich gern an diese Telefonate zurück. Eine halbe Stunde war nichts, bestenfalls eine Einführung. Nicht selten legte ich nach zwei bis drei Stunden den Hörer aus der schmerzenden Hand.


    Alois strahlte immer eine geradezu kindliche, körperlich spürbare Freude aus, wenn eine Optik eines Amateurs, die ihm zur Prüfung zugeschickt wurde- aus Österreich, aus Deutschland, aus irgend einer Ecke Europas, die Prüfung bestanden hatte.


    Von Alois habe ich auch gelernt, wie wichtig die mechanische Seite der astronomischen Optik ist. Leider wird dieser Aspekt bei vielen Herstellern nach wie vor stiefmütterlich behandelt, und Alois, der ja auch gelernter Mechaniker war, hat dann Fassungen verbessert, Verklebungen gelöst, Verspannungen gelockert, und oft sündteure Optiken wieder in Schuß gebracht. Er zählte die Stunden nicht. Was zählte, war, ob er etwas lernen konnte, ob er auf etwas unbekanntes stieß, oder schlicht jemandem helfen konnte.


    Interessantes bekam er jedenfalls oft zu sehen, denn Alois war häufig die letzte Rettung für optische Problemfälle jeder Art. Wer, wenn nicht er.


    Er war einer jener Menschen, die sich der Optik ganz verschrieben hatten.


    In den letzten Jahren seines Lebens musste er jedoch auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes öfters solche Aufträge ablehnen, da er ihnen einfach nicht mehr gewachsen war. Die Traurigkeit darüber war spürbar, aber er hatte sich damit abgefunden.


    Der astrotreff war seine digitale Heimat. Hier, im Teleskop-Selbstbau Optikforum, entwickelte sich das Spiegelschleifen zu einem früher für nicht möglich gehaltenen Stand weiter, und es ist sicher nicht übertrieben, wenn man Alois als eine der treibenden Kräfte dahinter bezeichnet. An der Weiterentwicklung der Poliertechniken, und der Meßtechnik, hatte er, zusammen mit etlichen anderen in diesem Forum, sehr großen Anteil.
    Wer hätte vor etwa 2003 gedacht, dass Amateure in der Lage sein würden, hoch lichtstarke, superdünne Optiken in phänomenal guter Qualität herzustellen?
    Leider hat es bisher keine gebündelte Zusammenfassung all dieser Fortschritte gegeben.


    Sein Vermächtnis, sein Wissen lebt in seinen zahlreichen "Lehrlingen" weiter, die in seinem legendären Keller oder via Skype gelernt haben.


    Und so wird noch in vielen Jahren in Gesprächen plötzlich die Frage auftauchen:"Hast du eigentlich den Alois gekannt?"


    Deshalb, zum Abschied:




    Yet meet we shall, and part, and meet again,
    Where dead men meet, on the lips of living men.



    - Samuel Butler





    Viele Grüße,


    Guntram