Beiträge von MartinB im Thema „Leichtbau-Dobson 18" 16" auf NEQ6 möglich?“

    Hallo Andreas,


    Wie viel handwerkliche und Teleskopbau-Erfahrung hast Du?
    Hast Du eine ungefähre Vorstellung davon, was da auf dich zukäme, falls Du so ein Projekt in Angriff nähmst?


    Wenn Du fotografieren möchtest, sind Timms Leichtbauten nicht in jeder Hinsicht das optimale Vorbild. Timms Teleskope funktionieren sehr gut beim Durchschschauen. Einige Konstruktionsdetails sind aber für parallaktische Montierung ungeeignet.


    Das fängt schon bei der Spiegelzelle an. Da muss immer dieselbe Seite nach unten zeigen. Ein parallaktisch montiertes Teleskop macht bei der Nachführung eine Rotationsbewegung, dafür muss man die seitliche Spiegellagerung vollkommen anders konstruieren.
    Die simple Dreipunkt-Radlagerung kannst Du bei den großen dünnen Spiegeln auf parallaktischer Montierung vergessen. Wenn Du wirklich einen Super-Leichtbau fotografisch nutzen möchtest, mach dir eventuell mal Gedanken über Spiegelzellen mit Zentrallagerung und Meniskusspiegel mit zentralem Loch.
    Gibt's nicht zu kaufen? Korrekt, da wäre einige Eigenleistung nötig, vielleicht sogar Pionierarbeit.


    Für die Montierung auf einer EQ6 musst Du alle Kräfte in eine Prismenschiene einleiten. Das ist eine völlig andere AUfgabe als beim Dobson, wo die Kräfte über 4 weit auseinander liegende Auflagepunkte von den Höhenrädern auf die Rockerbox übertragen werden. Einen wesentlichen Teil der Steifigkeit bekommt der Dobsonvon der Rockerbox. Wird die weggelassen, muss der Gittertubus steifer konstruiert werden.


    Kamera-Anbauten sind in der Regel schwerer als Okulare, besonders bei Deepsky-Fotografie. Dazu kommt ein größerer Abstand vom Tubus, dadurch wirkt die Kraft an einem längeren Hebel.
    Okulare reagieren meist gutmütig, wenn sie leicht verkippt sind und ihre optische Achse nicht genau mit der des Hauptspiegels zusammen fällt. Das trifft auf Komakorrektoren und Bildsensorebenen leider überhaupt nicht zu. Der Hut muss also erheblich steifer sein als für einen visuellen Newton.


    Für das Gitterwerk dürfte nur Kohlefaser in Frage kommen. Einen Alu-Gittertubus wirst Du sicher nicht wollen, bei 1°C Temperaturänderung bist Du vermutlich schon aus dem Fokus.


    Hast Du schon mal Astrofotos mit f/3,5 oder gar f/3,1 versucht?
    Da muss alles perfekt justiert sein und der Fokus auf 1/100 mm genau passen, um heutige Qualitätsansprüche an die Aufnahmen zu erfüllen.
    Ich würde unter anderem aus diesem Grund die Konstruktion auf keinen Fall zerlegbar machen, sondern alles "aus einem Guss" mit CFK zusammen laminieren.


    Übrigens, das Stativ müsstest Du mitnichten verlängern, eher verkürzen, um bequem an die Kamera zu kommen. Der Spiegel mit Zelle wird schon fast die Hälfte der ca. 20kg wiegen, die man maximal auf die EQ6 laden sollte. Daher wäre der Tubusschwerpunkt ziemlich weit hinten.


    Es gibt bestimmt noch mehr Punkte zu beachten, aber ich bin kein praktizierender Astrofotograf, deshalb habe ich vermutlich noch einige übersehen.


    Alle Punkte zusammen genommen wirst Du dein eigenes Teleskop konstruieren müssen. Auch die Gittertubus-Teleskope der Profis sind hier kein Vorbild, weil sie heute fast ausschließlich als Cassegrain-Derivate auf Alt/Az Montierung mit Nasmyth-Fokus realisiert werden. Wenn die Profis nur kleine Teleskope mit 40cm Öffnung auf parallaktischer Montierung benötigen, was durchaus vorkommt, werden einfach normale kommerzielle Amateurkomponenten zugekauft, weil es auf 50kg mehr oder weniger einfach nicht ankommt.


    Ich finde das Thema Leichtbau von fotografisch nutzbaren Amateurteleskopen grundsätzlich sehr interessant und bin mal gespannt, ob sich da in den nächsten Jahren noch was tut.


    Gruß,
    Martin