Beiträge von Jürgen im Thema „Merz und Mahler 1840-Umbau Montierung“

    Nachdem es nach meinem ersten Post schon wilde Spekulationen zur Geschichte bzw. den Besitz des „Tübinger Merz-Refraktors“ gab möchte ich hier zusammenfassen was sich bislang belegen lässt. Die weitere Geschichte des Instruments nach 1954 ist bislang nur lückenhaft erforscht und daher spekulativ. Ich arbeite im Moment an einem Buch zur Tübinger Astronomiegeschichte. Ich hoffe dort den Verbleib sämtlicher historischer Instrumente der Universitätssternwarte Tübingen eindeutig klären zu können.


    Bis dahin hier eine kleine Zusammenfassung:
    Der 6-Zoll Refraktor der Tübinger Universitätssternwarte
    Hersteller: Merz & Mahler in München, Bestellt/Ausgeliefert: ?/1845, Objektiv: 6 par. Zoll Öffnung (162 mm), 8 Fuß (ca. 2,4m) Brennweite, Äquatoriale Montierung mit Uhrwerkantrieb auf Steinsäule, Preis: 4.800 Gulden (Laut Geschäftsbuch Merz)
    Der Refraktor wurde am 8. März 1845 an den Direktor der Tübinger Universitätssternwarte Johann Gottlieb Nörrenberg (1787-1862) ausgeliefert. Nörrenberg hatte bereits im Juli 1840 von Merz einen Heliostaten bezogen. In Klüpfels Beschreibung der Universität Tübingen lesen wir über die Aufstellung dieses 6-Zöllers: „1845 fand eine namhafte Vermehrung der Instrumente statt, durch den Ankauf eines großen Münchener Refractors, zu dessen Aufstellung die Sternwarte neu aufgebaut werden mußte. Die Mitte des Raumes mit einem verschiebbaren Dache nach dem Muster der Münchener Sternwarte versehen, nimmt der Refractor ein, der 6 Zoll Oeffnung, 8 Fuss Brennweite und ein Uhrwerk hat.“ Das Instrument war auf dem Nordost-Turm des Schlosses Hohentübingen unter einer Rolldachhütte untergebracht. Ungewöhnlich für den kleinen 6-Zöller war seine Aufstellung. Gegenüber dem für kleine Refraktoren üblichen Holzstativ wurde für den Tübinger Refraktor eine schwere Sandsteinsäule gemauert. Zur Ausstattung des Instruments gehörten 5 Merz-Okulare mit Vergrößerungen von 84- bis 417-fach. Zusätzlich wurden 5 weitere orthoskopische Okulare aus der Werkstatt von Carl Kellner (1826-1855) in Wetzlar bezogen. Zu den weiteren Nebenapparaten zählten ein Kreismikrometer, ein Fadenmikrometer, und ein 3-Prismen-Spektroskop. In einer Beschreibung der Sternwarte von G. A. Jahn aus dem Jahre 1853 heißt es zur Qualität des Refraktors: „Der Refraktor hat einen über Erwarten festen Stand, obgleich der Thurm, auf welchem die Sternwarte erbaut werden musste, eine beträchtliche Höhe besitzt. Zur Beurtheilung seiner optischen Kraft kann angeführt werde, daß er unter günstigen Umständen den fünften Stern im Trapez des Orion zeigt, und daß im vergangenen Winter der innere dunkle Ring des Saturn, das Durchscheinen der Saturnkugel durch denselben und die nach aussen concave Wölbung des Schatten des Planeten auf dem Ringe sehr deutlich gesehen wurde.“ Seit 1912 leitete Hans Oswald Rosenberg (1879-1940) die mittlerweile völlig veraltete Universitätssternwarte auf dem Schloss. Er hatte sich auf dem Tübinger Österberg eine kleine moderne Privatsternwarte errichten lassen. Der Merz-Refraktor war seit etwa 1914 abgebaut und im Magazin des astronomischen Instituts eingelagert. 1928 gab es Bemühungen, den alten Refraktor für eine geplante neue Universitätssternwarte auf dem Österberg wieder instand zu setzen. Nachdem das Bauvorhaben nie realisiert wurde, gelangte der alte Refraktor in Vergessenheit. 1954 wurde schließlich die alte Sternwarte auf dem Schlossturm abgebaut.


    Gruß in die Runde,
    Jürgen
    http://www.meridiankreis.de