Beiträge von MartinB im Thema „Spiegelmaterial“

    Ups, da hat Kalle66 etwas früher gepostet und sehr schön geantwortet - ich lass meinen Beitrag trotzdem mal stehen...


    Hallo Michi,


    Erst mal zu den Begriffen:
    Das Spiegel<i>material</i> ist fast immer Aluminium, sehr selten Silber, und für Spezialanwendungen der Profis auch mal Gold oder andere Metalle.
    Was Du wissen möchtest, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Spiegel<i>substraten</i>.


    BK7 ist eine optische Glassorte aus alten Schott-Katalogen mit eher niedrigem Brechungsindex. Was als "BK7" Teleskopspiegel verkauft wird, dürfte meist aus einer moderneren Glassorte mit ähnlichen Eigenschaften bestehen. Die optischen Eigenschaften sind hier aber völlig egal, weil das Licht nicht durchs Glas hindurch muss.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Floatglas ist vom Prinzip nichts anders als Fensterglas, also das wirklich billigste Material. Wird auch ab und an als Kalt-Natron-Glas beworben.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Diese Aussage von stefan-h ist so nicht korrekt.
    Floatglas beschreibt ausschließlich den Herstellungsprozess, nicht das Material:
    Glasschmelze wird auf flüssiges Zinn gegossen und langsam weiter bewegt und dabei abgekühlt. Dadurch bekommt man eine ziemlich ebene und spiegelblanke Oberfläche.
    Der Prozess muss über längere Zeit kontinuierlich laufen, damit das Ganze wirtschaftlich ist. Daher ist er nur für Glassorten anwendbar die in größeren Mengen produziert werden. Außerdem vorzugsweise für Anwendungen, bei denen die Restwelligkeit der Oberfläche nicht stört.


    Optische Gläser und auch andere Gläser mit geringem Produktionsvolumen werden chargenweise erschmolzen und zum Abkühlen in Formen gegossen.


    "Normales" Fensterglas ist Kalknatronglas und sein Ausdehnungskoeffizient ist ähnlich dem von BK7 Linsenglas. Die typische leichte Grünfärbung billiger Glassorten wird von einem geringen Eisengehalt verursacht. Solche Gläser werden heute grundsätzlich in großen Mengen als Floatglas produziert. Bis vor ca. 50 Jahren hat man statt dessen Zylinder geblasen, das weiche Glas dann aufgeschnitten und zum Abkühlen auf einer ebenen Fläche ausgerollt. Die Oberfläche war sehr wellig im Vergleich zum Floatglas und die Dicke ungleichmäßiger.


    Wenn Fensterglas spannungsarm getempert ist, kann man es ohne Weiteres als Spiegelsubstrat verwenden. Bei kleinen dünnen Spiegeln ist die Wärmeausdehnung kein großes Problem.
    Sogar der 2,5m Spiegel auf dem Mount Wilson, der vor gut 100 Jahren in Betrieb ging und heute immer noch verwendet wird, ist aus einfachem Fensterglas, und mit ihm wurden die ersten Einzelsterne in der Andromeda-Galaxie fotometriert.


    Wir Amateur-Spiegelschleifer verwenden gern Borofloatglas von Schott. Es ist ein Borosilikatglas wie Pyrex und genau so gut wie dieses für die Spiegelherstellung geeignet.
    Die Wärme-Ausdehnung liegt zwischen Kalknatronglas/BK7 und Quarzglas, ebenso die Oberflächenhärte.


    Das Glas muss in der Produktionsstraße auf dem Zinn schwimmend abkühlen können. Wenn das langsam genug geschieht wie beim Borofloat, bekommt man spannungsarmes Glas quasi wie feingekühlt. Der Nachteil des Floatglas-Produktionsprozesses ist die begrenzte Glasdicke. Schott fertigt im Normalbetrieb bis 21mm und ausnahmsweise 25mm Dicke, wobei die Oberfläche nicht mehr so eben ist wie beim dünneren Glas. Wenn ich das richtig verstanden habe, läuft die Anlage nur sehr kurze Zeit pro Jahr auf 25mm.


    Für einen fertigen Spiegel wäre Quarzglas noch besser als Pyrex oder Borofloat. Allerdings ist die Herstellung aufwändiger, denn die Schmelztemperastur liegt noch mal deutlich höher als bei Borofloat/Pyrex, und die harte Oberfläche, die beim fertigen Spiegelsubstrat erwünscht ist, macht die Bearbeitung mühsamer. Das erhöht auch denPreis sehr deutlich.
    Der 5m Spiegel für das Hale-Teleskop auf dem Mount Palomar sollte ursprünglich aus Quarzglas hergestellt werden, aber Corning hat das nicht in den Griff gekriegt und nach mehreren Jahren teurer Fehlversuche wurde schließlich Pyrex genommen.


    Für die Profis gibt es mittlerweile mehrere Spezialgläser, deren Temperaturkoeffizient für die Wärmeausdehnung nahezu 0 ist. Die Kosten sind aber so hoch und die Vorteile für Amateure so gering, dass solche Spiegel-Substratmaterialien bei uns Amateuren praktisch keine Rolle spielen.


    Bis ca. 1850 wurden Teleskopspiegel immer aus Metall gegossen. Sie ließen sich schlecht bearbeiten, liefen schnell an und mussten dann wieder blank poliert werden, was jedes Mal die optische Korrektur veränderte. Erst nachdem Justus von Liebig das chemische Versilbern von Glas und Leon Focoult den Messerschneiden-Test erfunden hatte, konnte man Glas nicht nur für Linsen, sondern auch für Spiegel verwenden. Erst ab ca. 1935 wurden Spiegel mehr und mehr im Hochvakuum mit Aluminium bedampft.


    Heute werden für Spezialanwendungen wieder Metall-spiegelsubstrate verwendet. Zum einen kann man heute große Einkristalle aus hochreiner Schmelze produzieren, zum anderen kann man mit Spezialdrehbänken etwa 1µm Genauigkeit erreichen, was für Infrarot- und Spektroskopie-Anwendungen schon ausreicht.


    Gruß,
    Martin