Beiträge von Jochen Borgert im Thema „Zeiss Astrokamera 60/270“

    Hallo,


    aufgrund der Nachfragen habe ich meinen Bericht mal hier unten eingestellt.


    (==>)Andreas (Avier50): Interesse meinerseits an Zeiss Astrokameras liegt immer vor. Ich kann Dir aber leider keinen realistischen Preis nennen. Könnest Du mal den Artikel von H. Huth raussuchen?


    Astrofotografie mit der Zeiss Amateur Astrokamera 56/250
    Vorwort: Alle paar Jahre mal taucht eine der oben genannten Kameras bei ebay oder auf Astromessen auf. In der Regel sind die Kameras recht begehrt und, zumindest auf den Messen, oft schnell weg. Meine Absicht mit dieser kurzen Informationsschrift ist es, die von mir in den letzten 10 Jahren in einigen Nächten erworbenen Erfahrungen mit dieser Kamera denen zukommen zu lassen, die eine solche Kamera besitzen oder besitzen möchten. Vielleicht kann ich denen helfen, schnell mit dieser Kamera zu befriedigenden Aufnahmen zu gelangen.
    Mein Erfahrungshorizont:
    Ich selber erwarb eine solche Kamera im Jahr 2001 bei ebay. Meine Kamera hat kein Schildchen, auf dem Zeiss steht, ebenso fehlt der Markenname auf dem Objektiv. Den Grund für diese Produktpolitik kenn ich nicht, jedenfalls ist es offensichtlich eine der oben benannten Kameras. Ich habe mir nach dem Kauf geschworen, dass meine Kamera nicht im Regal verstauben soll sondern unter dem Sternenhimmel verwendet wird. Dafür ist sie gebaut, dafür benutze ich sie. Der Kauf und die Absicht damit zu arbeiten wurden von befreundeten und bekannten Sternfreunden stellenweise mit großem Interesse, stellenweise mit Unverständnis aufgenommen. Warum sollte es auch sinnvoll sein, in Zeiten anbrechender Digitalisierung eine 180°-Wendung zu machen und auf ein Relikt aus der Astro-Steinzeit zu setzen? Später mehr dazu.
    Die Beobachtungsnächte mit der Kamera gingen ins Land und ich konnte im Laufe der Jahre, in denen ich neben einigen Testaufnahmen insgesamt 16 Astrofotos mit der Kamera machte, meine Technik immer weiter verfeinern und mir ein Bild der Kamera machen. Dieses Bild möchte ich hier teilen.
    Die technischen Daten
    Fangen wir hinten an. Hinten an der Kamera finden wir die Planfilmkassette für Planfilme des Formats 9x12cm. Es handelt sich um Millionenfalz-Kassetten, die ab und an auf ebay zu finden sind. Eine Zeit lang habe ich alles was möglicherweise an die Kamera passte für kleines Geld gekauft, so dass ich jetzt ausreichend mit Kassetten dieser Art versorgt bin. Zu den Kassetten gibt es zu sagen, dass sie aus drei Teilen bestehen: die Kassette, der Schieber und eine kleine, an drei Seiten umgefalzte, Blechplatte, die in die Kassette eingelegt wird. In diese kleine Blechplatte wird der Film eingeschoben. Alternativ kann man hinten an der Kamera eine Mattscheibe, die bei der Kamera dabei sein sollte, einschieben. Dann wird es langweilig, denn jetzt kommt erstmal nur der Tubus. Am vorderen Ende, sozusagen am "business end", finden wir bei dieser Kamera ein stinknormales Tessar. Dies ist ein vierlinsiges Objektiv, welches Anfang des 20. Jahrhunderts gerechnet wurde. Der Name "Tessar" rührt vom griechischen "tessares" = "vier" her, bezieht sich also auf die Anzahl der Linsen. Dies ist, soweit ich weiß, kein speziell für astrofotografische Zwecke gerechnetes Objektiv. Zeiss hat einfach das genommen, was verfügbar war. Die Öffnung oder besser "Eintrittspupille" beträgt 56mm, die Brennweite, jaja, steht ja drauf, 250mm. Es gab noch einen großen Bruder dieser Kamera. Diese Astrokamera hatte eine Brennweite von 270mm und eine Eintrittspupille von 71mm. Diese Kamera findet man so gut wie nie. Hat jemand eine solche Kamera im Angebot? Ich bin dringend interessiert.
    Unten an der Kamera finden wir ein Innengewinde. Dies war dazu gedacht, mittels eines Adapters an das Ende der Gegengewichtsstange einer Zeiss-Montierung geschraubt zu werden. Da ich Zeiss-Montierungen im praktischen Einsatz fast noch seltener finde als Zeiss-Astrokameras, habe ich mir einen Adapter herstellen lassen, der das Gewinde auf ein M10 Innengewinde reduziert. Damit bin ich flexibel.
    In der Praxis
    Die Astrokamera hat in der Praxis drei gewichtige Probleme.
    1) Koma
    2) Filmplanlage
    3) Anfälligkeit gegen falsche Poljustage


    Zu 1) Das Objektiv hat Koma, und zwar nicht zu knapp. Die Koma reduziert das Bildfeld, in dem die Sterne bei voll geöffnetem Objektiv noch ansehnlich sind enorm. Kurz gesagt: Es muss erheblich abgeblendet werden. Ich selber habe nach einigen Versuchen Blende 8 als für mich besten Kompromiss aus Abbildungsgüte und Belichtungszeit herausgefunden. Blendet man weniger stark ab, kann man zwar mit weniger Belichtungszeit auskommen, das auf dem Film nutzbare Bildfeld sinkt aber immer weiter ab. Ich persönlich würde mir dann die Frage stellen, wieso ich mit einer Großformatkamera fotografiere, wenn ich zu Gunsten der Belichtungszeit eine Mittelformat- oder Kleinbildkamera daraus mache.


    Zu 2) Die Filmplanlage hat mich viel Zeit gekostet. Das Problem ist, dass sich der Film während der Belichtung, etwa durch Aufnahme von Feuchtigkeit oder so, teilweise von der Filmrückwand abheben kann. Ich hatte gehofft, dass dieses Problem bei so dickem Trägermaterial, wie es bei Großbildfilmen verwendet wird, nicht auftritt. Diese Hoffnung war vergebens. Der Film bewegt sich, teilweise Unschärfen mitten im Bildfeld sind das Ergebnis. Die Lösung ist ein spezielles Klebeband, welches auf der Rückseite die Klebekraft von Tesafilm hat, während es auf der Vorderseite etwa die Klebekraft von Post-it-Notizzetteln hat. Dieses Klebeband bekam ich im Fotoversand. Ich habe es mit der stark klebenden Seite vollflächig auf die Filmrückwand geklebt. Den Film klebe ich dann, wenn ich mir der Beobachtungsnacht sicher bin, in einem Dunkelsack auf die Filmrückwand. Dieses Verfahren hat bisher in den meisten Fällen, auch in feuchten Nächten, ganz ohne Probleme funktioniert. Falls das Klebeband nicht mehr zu bekommen ist, könnte man es etwa mit dem ablösbaren Herma transfer Klebeband versuchen. Wahrscheinlich funktioniert das auch.


    Zu 3) Die notwendige Genauigkeit in der Poljustage hängt vom verwendeten Filmformat ab. Kurz gesagt: Wenn man bei der Fotografie mit Großformatfilmen die Poljustage nicht äußerst genau vornimmt, bekommt man ein Problem mit Bildfeldwölbung. Die Justage mit einem Polsucher reicht meines Erachtens nach, auch bei richtig guten Polsuchern, nicht aus. Ich persönlich verwende ein modifiziertes Scheinerverfahren, bei dem ich mithilfe eines Messokulars die Abwanderung von Sternen messe und die Messung rechnerisch in einen Korrekturwert für Höhe und Azimut umsetze. Erst mache ich die Justage mit dem Polsucher, danach mit diesem modifizierten Scheinerverfahren mit 1000mm Brennweite meines Refraktors und danach noch mit einer 5fach Barlowlinse, also 5000mm Brennweite. Man sollte hierbei sehr penibel und überlegt vorgehen, deshalb bin ich dabei extrem langsam. Eine richtig gute Poljustage, die meines Erachtens nach für die Großformatfotografie auf 9x12-Platten ausreicht, dauert bei mir gerne 2 oder 3 Stunden. Die Zeit lohnt sich aber.
    Habe ich die Koma durch Abblenden im Griff, eine sehr exakte Poljustage durchgeführt und den Film durch Abkleben "gebändigt", habe ich ein gut bis sehr gut korrigiertes Bildfeld von etwa 7x8cm, also 64 Quadratzentimeter. Sind die Ansprüche geringer, kann das Feld auch größer gewählt werden. Zum Vergleich: ein gut korrigiertes Mittelformatbild hat eine Seitenlänge von etwa 6x6cm, also 36 Quadratzentimeter.
    Das Einstellen des zu fotografierenden Bildfeldes ist nicht ganz problemlos. Das Bild auf der Mattscheibe ist selbst bei ganz geöffneter Blende ziemlich dunkel und nur in ganz bestimmten Positionen zu sehen. Man sollte also auch hierbei viel Zeit mitbringen.
    Sind die angesprochenen Probleme gelöst, steht das Thema Fokussierung auf dem Plan. Wir Astrofotografen sind, dank digitaler Kameras, die sofortige Bildkontrolle gewöhnt, die ein sicheres und schnelles Fokussieren erlaubt. Bei der Astrokamera muss man Zeit mitbringen. Das Fokussieren anhand der Mattscheibe ist, meiner Erfahrung nach, schwierig bis unmöglich. Mir ist es nicht gelungen. Ich musste dann auf die guten alten Strichspuraufnahmen zurückgreifen. Konkret bedeutet das, dass die Kamera bei ausgeschalteter Nachführung auf ein Sternenfeld gerichtet wird. Die Belichtung wird bei einer bestimmten Fokusstellung gestartet. Dies ist ja dank der präzisen Skala am Scharfstellring problemlos möglich. Ich habe dann zwei Minuten belichtet, den Deckel auf das Objektiv gesetzt, eine Minuten gewartet und währenddessen den Scharfstellring einen Skalenteil weiter gedreht. Nach der Minute habe ich wieder 2 Minuten belichtet. Dies habe ich 7 oder 8-mal gemacht. Am Ende habe ich dann nochmal 5 bis Minuten bei unveränderter Fokussierung belichtet. Das Ergebnis war, nach der Entwicklung, eine Strichspuraufnahme, bei der die einzelnen Strichspuren zunehmend schärfer wurden, bis sie ab einer gewissen Einstellung wieder unschärfer wurden. Durch die lange Belichtung am Ende, konnte ich die jeweilige Einstellung am Scharfstellring der jeweiligen Strichspur zuordnen und so die Einstellung mit der besten Fokussierung herausfinden. Bei mir war dies etwa bei Stellung 7 am Einstellring der Fall. Ich verwende immer nur eine bestimmte meiner Planfilmkassetten, um so mögliche Fokusschwankungen durch mechanische Toleranzen auszuschließen. Der Dank dafür ist, dass ich mit dieser einmal gefundenen Fokuseinstellung in jeder Nacht arbeiten kann. Unabhängig von der Außentemperatur habe ich immer ein scharfes Bild.
    Sind alle Vorbereitungen abgeschlossen, geht es tatsächlich ans Belichten. Ich verwende Diafilme mit einer Empfindlichkeit von 100 ASA. Diese Filme lasse ich empfindlichkeitssteigernd entwickeln (Push-Entwicklung). Hierbei wird, durch längeren Verbleib im Entwickler, die Empfindlichkeit des Materials, natürlich unter Zunahme des Filmkorns, gesteigert. Ich lasse um eine Blende pushen (also Push +1) und lande dann, bei Blende 8, bei Belichtungszeiten von etwa 100 bis 120 Minuten. Dann kommt deutlich der Himmelshintergrund durch.
    Und dann?
    Ist das Bild belichtet, ist der Spaß noch nicht zu Ende. Ich bin gezwungen meine belichteten Dias per Post zu einem Großlabor meines Vertrauens zu schicken, die dann die Entwicklung vornehmen und den Film zurückschicken. Dies dauert also immer so etwa 3 -4 Tage, die ich auf das Ergebnis meiner Bemühungen warte. Eine ganz ungewohnte Erfahrung in Zeiten sofortiger Bildkontrolle. Nicht zu vergessen die Kosten. Inklusive Kosten für den Film, ist man pro Bild ganz schnell bei 10 - 15 Euro. Glücklicherweise habe ich über meinen Astroverein Zugang zu einem hochwertigen Filmscanner, der auch Großformatdias hochauflösend scannen kann. Falls ich das will, kann ich die Bilder also digital nachbearbeiten. Dies stellt aber zugegebenermaßen irgendwie einen Bruch im bisherigen Arbeitsablauf dar. Ich mache dies auch nur, falls die Bilder, natürlich möglichst groß, ausgestellt werden sollen. Sonst gucke ich mir meine Dias mit einer Lupe auf dem Leuchtpult an und freue mich.
    Warum das Ganze?
    Nun wieder zum Anfang. Wieso wieder ein Rücktritt in die Astro-Steinzeit?
    Vielleicht liegt der Beschäftigung mit einer solchen Kamera eine ähnliche Motivation zugrunde, die Menschen dazu bewegt in Oldtimer herumzufahren.
    Mit modernen Mitteln, seien es Autos oder Kamera, kommt man auf jeden Fall bequemer zum Ziel. Im Falle der Astrokamera sogar zu einem wesentlich besseren Ziel. Mit modernen Kameras sollte es, mit Mosaikaufnahmen, möglich sein, große Himmelsfelder hochaufgelöst in toller Qualität abzubilden. Da kann die Astrokamera nicht mithalten. Aber ich schätze dass das Abwenden von der Ergebnisorientierung, eben dadurch dass man sich mit antiquierten Mitteln auf den Weg macht, Entspannung und Freude bedeuten. Das Ergebnis spielt nur eine untergeordnete Rolle, der Weg wird zum Ziel. In meinem Fall wäre es fast egal, ob ich ein Sternenfeld mit tollen Objekten, etwa im Sternbild Schwan, fotografiere oder einfach ein Sternenfeld, im dem nichts los ist. Wäre das Ergebnis ein Dia mit lauter scharfen Sternenpunkten auf wunderbar dunklem Hintergrund, hätte sich der Aufwand gelohnt, egal ob noch Gasnebel oder Galaxien drauf sind. Vor einigen Jahren noch war ich der Meinung, dass die Benutzung einer solchen Kamera nicht sinnvoll ist. Besser wäre die Verwendung einer guten Mittelformatkamera. Jetzt, da ich mich manchmal ganz bewusst von der Ergebnisorientierung abwende, sehe ich das entspannter.


    Clear skies


    Jochen

    Hallo Andreas,


    die 56/250 gab es in der Vergangenheit alle paar Jahre mal auf Ebay. Ich habe, das ist aber schon einige Jahre her, auch schon ein oder zwei auf dem ATT gesehen. Preislich würde ich die 56/250 zwischen 700 und 1000 Euro ansiedeln.


    Die 60/270 habe ich in den letzten 20 Jahren weder bei Ebay, noch auf Astromessen gesehen. Preislich kann ich sie deshalb nicht einordnen.


    Meine 56/250 habe ich vor etwa 20 Jahren auf Ebay "geschossen" und einige Jahre damit auf 9x12 Planfilm fotografiert. Ich habe darüber mal einen Bericht in einem anderen Forum geschrieben. Solltest Die interessiert sein, gucke ich mal nach, ob ich den Bericht noch wiederfinde.


    Clear skies


    Jochen