Hallo Freunde der natürlichen Lichtverschmutzung!
Ich habe schon gelegentlich gelesen, dass Venus einen sichtbaren Schatten werfen soll. Im Wikipedia-Artikel "Schatten" wird z.B. darüber spekuliert. Ich selbst habe das nie praktisch überprüft, habe das aber immer ins Reich der Legenden eingeordnet.
Ich habe diese Diskussion hier mal zum Anlass genommen und bisschen nachgerechnet:
In unseren Breiten steht die Venus nach Ende der astronomischen Dämmerung schon ziemlich tief. Da wird das Ganze sowieso schwer. Ich gehe mal von 20° Höhenwinkel aus, wozu man sicherlich weiter nach Süden fahren muss.
Extinktionskoeffizient: 0,2
max. Helligkeit ohne Extinktion: -4,6 mag
Helligkeit inkl. Extinktion: -4,0 mag entsprechend 0,085 mlx (Millilux)
Fällt dieses Licht senkrecht auf eine Schneelandschaft (Albedo = 0,9), ergibt sich als rückstrahlende Leuchtdichte: 0,9 x 0,085/Pi = 0,024 mcd/m²
Auf einen horizontalen Boden trifft das Licht aber schräg (hier im Winkel von 20°) auf. Die Leuchtdichte verringert sich entsprechend Cosinusgesetz: 0,024 mcd/m² x cos(70°) = <b>0,0083 mcd/m²</b>
Die Sehschwelle liegt bei ca. 0,003 mcd/m².
Das heißt: Der Schneeboden strahlt infolge der Venus tatsächlich gerade so am Rand der Sehschwelle zurück. Bei Grasboden (Albedo 0,2) hätte man schon keine Chance mehr.
Aber kann man auch einen Schattenwurf der Venus sehen?
Hierzu muss man die Beleuchtung durch den unverschmutzen Nachthimmel betrachten. Wie bereits erwähnt, liegt die Leuchtdichte im Zenit idealerweise bei ca. 0,15 md/m². Auch bei bestem Himmel wird es durch den Airglow in Richtung Horizont aber heller. Gehen wir trotzdem als Mittelwert über den Himmel von sehr optimistischen 0,15 mcd/m² aus. Bei kompletter Horizontsicht wird der Boden von der gesamten Himmelhalbkugel beleuchtet.
Damit ergibt sich für die rückstrahlende Leuchtdichte des Bodens (Albedo 0,9) sehr einfach: 0,9 x 0,15 mcd/m² = 0,135 md/m². D.h. der Himmel beleuchtet die Landschaft deutlich stärker als dies die Venus tut.
Rundum den Schatten liegt die Helligkeit bei 0,0083 + 0,135 = 0,1433 mcd/m².
Der Kontrast beträgt 0,1433/0,135 - 1 = 0,06 = <b>6 %</b>.
Das lässt sich auf diesem niedrigen Helligkeitsniveau beim besten Willen nicht wahrnehmen. So ist also ein Schatten ganz sicher nicht sichtbar!
Jetzt kann man sich überlegen, wie man die Anordnung ändern kann, um doch noch irgendwie einen Schattenwurf hinzukriegen.
- Schatten auf Wand werfen statt auf Boden
- Teile des Himmels abschirmen, indem man sich auf eine Lichtung stellt
- Warten bis die Venus durch ein Wolkenloch scheint
Ich will jetzt nicht 100%ig ausschließen, dass man das alles irgendwie doch noch arrangieren kann.
Trotzdem: Für mich bleibt der Venusschatten eine Legende.
Gruß
Wolfgang
0,15 mcd/m² sind übrigens 22,14 mag/arcsec²